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Bundeswehr Bewegung in der Geisterstadt Schnöggersburg

Europas teuerste Geisterstadt wächst mitten in der Colbitz-Letzlinger Heide. Die Bundeswehr öffnete in dieser Woche kurz ihr Stadttor.

Von Matthias Fricke 06.10.2016, 10:18

Gardelegen l Hauptmann Frank Würpel rückt im beheizten Tower seine Uniform zurecht und meint zufrieden: „Der Flughafen mit der Behelfslandebahn und dem Terminal ist vorfristig fertig geworden. Vor 14 Tagen landete hier bereits die erste Transall." Das große Transportflugzeug der Bundeswehr testete schonmal die 1700 Meter lange und 50 Meter breite Landebahn mitten zwischen dem befestigten Heidekraut.

Bis Ende 2017 sollen weitere Gebäude in der Geisterstadt folgen. Die erste Hälfte der Stadt wird dann bereits an die Bundeswehr übergeben.

Die Altstadt zum Beispiel mit ihren 181 Gebäuden, einem Marktplatz, einem Gefängnis, einer Schule und einem Sakralbau, dessen Kuppeln an eine Moschee erinnern. „Es sind aber auch christliche Elemente enthalten. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Soldaten den Sakralbau als solches erkennen“, erklärt Oberstleutnant Manuel Nicolai als Vertreter des „Bauherren“ Bundeswehr.

Im Inneren der Gebäude ist nur der blanke Beton zu sehen. Es gibt keine Fenster, keine Ausstattung, Farbe oder Tapete. „Den trainierenden Truppen ist das auch völlig egal“, sagt Nicolai. Viel wichtiger sei die spätere Ausstattung mit der lasergestützten Simulationstechnik.

Denn diese ist auch das Besondere an der Geisterstadt Schnöggersburg. Benannt nach einem Luftkurort, der an dieser Stelle in den 30er Jahren stand, bevor das Militär das Waldgebiet unter Beschlag nahm.

Wenn ab 2018 die ersten Abschnitte mit dem lasergestützten Simulationssystem ausgerüstet sind, könnten die ersten Soldaten den Kampfeinsatz in einer Großstadt trainieren, ohne dass ein Schuss fällt. Etwas Vergleichbares gibt es in Europa nicht. Nur in den Vereinigten Emiraten und den USA soll es etwas Ähnliches geben.

Die Bundeswehr spricht von „maximaler Realitätsnähe“ und meint damit den Häuserkampf per Lasertechnologie. Der Leiter des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) des Heeres Altmark, Oberst Uwe Becker erklärt: „Wir schließen damit eine Ausbildungslücke.“ Bisher war es uns nur möglich, auf dem Truppenübungsplatz in der Fläche Einsätze zu trainieren. Dies werde nun bald auch in komplexen Umgebungen, wie in Hochhäusern, möglich sein.

Wenn die Simulationstechnik in den Gebäuden eingebaut ist, können hier bis zu 1500 Soldaten den Einsatz trainieren. „Die Gebäude werden von uns so präpariert, dass wir jederzeit auf den Computerbildschirmen dreidimensional darstellen können, wo welcher Soldat ist, was er gerade macht und ob es einen Treffer gab. Wir schaffen hier das gläserne Gefechtsfeld“, erklärt Oberstleutnant Peter Makowski vom Gefechtsübungszentrum (GÜZ).

Während früher Schiedsrichter die Übungen beobachteten, zeichnet das Simulationssystem alles auf. „Wir können Situationen uns auch immer wieder ansehen“, sagt Makowski. In den Hochhäusern sei es später sogar möglich, dreidimensional die Einsätze nachzuvollziehen. „Jeder Soldat ist mit einem GPS-Modul und einem System ausgerüstet, das bei Treffern auch den Grad der Verwundung genau darstellt“, so der Oberstleutnant. Auch die Gebäude seien entsprechend ausgerüstet. Mögliche Treffer werden an dieser Stelle ebenfalls angezeigt.

In Schnöggersburg gibt es alles, was eine Großstadt braucht. Selbst ein Gefängnis mit sechs Wachtürmen, einem Supermarkt und fünf Brücken, die sich wahlweise selbst „zerstören“ und wieder aufbauen. Mit einer speziellen Technik ist es möglich, die Felder der Brücke vollständig zu verschieben.

Die Bundeswehr lässt sich das etwas kosten. Allein die fünf Brücken sollen einen Wert von rund 1,1 Million Euro haben.

Die Kosten insgesamt für die Ausbildungsstadt auf dem 2,5 mal 2,5 Kilometer großen und umzäunten Gelände sind von ursprünglich 100 Millionen Euro auf 140 Millionen Euro gestiegen. Die Bundeswehr begründet dies vor allem mit höheren Materialkosten. Im Durchschnitt kommen etwa 80 Prozent der Firmen aus Sachsen-Anhalt. Zur Frage der Fertigstellung im Jahr 2020 sagt Projektleiter Oberstleutnant Nicolai: „Wir liegen absolut im Zeitplan.“