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Camping Im Oldtimer, im Fass und im Schäferwagen

Der Frühling kommt. Campingplätze bieten das ideale Terrain zur Flucht ins Grüne. Und auch Camping ohne Campingzelt ist zunehmend möglich.

Von Oliver Schlicht 30.04.2016, 01:01

Löbejün l Das Kameruner Lämmchen lümmelt in der Mittagssonne unterm Korbsessel. Hinten auf der Wiese gackern die Hühner. Weit schweift der Blick über die Wiese mit den niedrigen Apfelbäumen hinunter ins Tal nach Löbejün (Saalekreis). Fabrice und Johannes, zwei Studenten aus Berlin, lassen ihre Matten, Schlafsäcke und das Zelt einfach auf der Wiese. „Keine Zeit, wir wollen klettern“, rufen sie noch, dann sind sie weg zum Aktienbruch an den Kesselseen. Zehn Minuten Fußweg. Glasklares Wasser, der Steinbruch ist ein Eldorado für Alpinisten und Taucher.

Die Zeltwiese Löbejün ist der richtige Platz für Astrid-Lindgren-Camper. Lönneberga liegt gleich an der A 14. Eine Blockhütte als Partyraum, Holzwaschhaus, Heuhotel im Großzelt und drei alte Schäferwagen zur romantischen Übernachtung (35 Euro pro Nacht). „Zwei weitere baue ich noch aus“, erzählt Michael Silbereisen, Betreiber der Zeltwiese. Im März 2015 hat der Kletterer sein Hobby zum Beruf gemacht und den Platz vor allem für seine Sportfreunde eröffnet. Anfangs in erster Linie für die Frauen, weil „die am Steinbruch nicht mehr in die Büsche sch ... wollten, wenn ihre Freunde kletterten“, erzählt er schmunzelnd.

Silbereisen ist ein Lebenskünstler. Glasreiniger und im Sommer Kamera-Assistent. Der Platz mit 50 Stellplätzen für Zelte ist eigentlich der Vorgarten seines Hauses. Dieses Gebäude war 2007 eine ausgebrannte Ruine. Mit Frau – der Mutter seiner Söhne Edwin und Nino – hat er sich und seinen Gästen ein kleines Paradies geschaffen. Mit aufgeschichteten Steinmauern drumherum und eigenen Eiern und Apfelmost. „Und als alles fertig war, ist meine Frau desertiert“, erzählt er und lacht. Das Leben an nur einem Ort sei nichts für sie gewesen.

Nun lebt Michael mit Edwin, Nino, Schafen, Katzen und den Hühnern allein in Löbejün – allein natürlich nicht. „Wir hatten 250 Übernachtungen im ersten Jahr. 2016 werden es bestimmt 500.“

Die alten, knarrigen Schäferhütten in Löbejün sind keinesfalls ein Unikum. „Etwas exotische Übernachtungsmöglichkeiten sind im Trend auf Campingplätzen“, erzählt Peter Ahrens, Präsident vom Campingverband Sachsen-Anhalt. 68 Campingplätze gibt es im Land. „Etwa 70 Prozent dieser Plätze bieten ihren Gästen, die ohne eigenes Zelt oder Wohnwagen kommen, eigene Quartiere an“, so Ahrens.

Und das sind längst nicht nur Bungalows und Mietwohnwagen. Der Campingplatz an der Elbe in Coswig lockt seit Juni 2015 seine Gäste ins Baumwipfelhotel mit speziellen Hängezelten (10 Euro pro Person). 200 Kilogramm Gewicht hält so ein kreisrundes Zelt aus. Der Besucher selbst entscheidet, wie hoch er in den Baumwipfel hinaufgezogen werden möchte.

Zunehmend beliebt sind auf Campingplätzen auch Übernachtungsfässer. Karin Kunze vom Campingplatz Seeburg (Mansfelder Land) am Süßen See: „Wir planen im Juni sechs große Fässer anzuschaffen, in denen jeweils vier Gäste schlafen können.“ Eine Fassnummer kleiner steht im Tourismuszentrum Zabakuck bei Genthin. Zwei Schlaffässer (je nach Saison 30 bis 35 Euro pro Nacht) für jeweils zwei Personen laden auf dem kommunalen Campingplatz seit 2014 zur Übernachtung ein.

Aber warum ausgerechnet Fässer in Zabakuck? „Na, wegen der Pilger auf dem Jakobsweg zum Kloster Jerichow“, erzählt Geschäftsführerin Bärbel Hö­schel und lacht herzlich und laut. Das tut sie gern und oft.

Man habe im Katalog für Übernachtungshütten lange nach passenden Angeboten gesucht. Sie erzählt: „Da gab es auch Zirkuswagen, Troll­hüten und so Sachen. Aber wir fanden: Fass, Mönche, Kloster, Pilgerer – das passt besser zu Zabakuck.“

Seither ist die Campingschlafstätte „Fass“ gut nachgefragt. Beim Besuch der Volksstimme feierte kürzlich Großfamilie Bosse aus Altenweddingen auf dem Platz den 45. Geburtstag von Mutti Jacqueline. Es gab im Schatten der Abendsonne auf drei Tischen lecker Streuselkuchen und Kaffee vorm „Knaus“-Wagen. Die Töchter Celine und Nora freuten sich schon auf das Nachtlager – im Fass. „Ins Kloster müssen wir jetzt aber nicht pilgern, ne?“, fragten die beiden Teenager leicht besorgt.

Nein, natürlich nicht. So wie auch die Gäste vom Campingplatz „Am Großen Lausiger Teich“ bei Bad Schmiedeberg (Landkreis Wittenberg) nicht zwangsläufig im winzigen DDR-Wohnwagen Marke „Qek“ ihr Haupt zur Ruhe betten müssen. Aber möglich ist das schon (30 Euro pro Nacht). Sieben „Qeks“ stehen dort zur Auswahl. Drei auf dem Platz zur Übernachtung, vier zum Verleih für die ganz persönliche „qekige“ Ausfahrt in den Frühling. Nostalgie-Camping pur.

„Das ist eigentlich nur ein Bett mit Dach. Aber natürlich urgemütlich“, findet Sandra Plato, die den Platz gemeinsam mit Lebenspartner André Otto betreibt. Die „Qeks“ gehören einem Sammler in Sachsen, der sie aufmöbelt und mit den Campingplatzbetreibern vermarktet.

Das Ehepaar ist einer der wenigen Neueinrichter im Campingland Sachsen-Anhalt. Beide kommen aus Osnabrück. Er arbeitete in der Holzindustrie, sie war Leiterin einer Kindertagesstätte. Die Familie war viele Jahre selbst mit dem Wohnwagen unterwegs. „Als unsere drei Kinder erwachsen waren, wollten wir noch einmal neu anfangen und Campingplatzbetreiber werden“, erzählt André Otto.

30 Plätze in ganz Deutschland, die zum Verkauf standen, haben sie sich angeschaut. Fündig geworden sind sie am Rande der Dübener Heide direkt neben dem Elberadwanderweg. Die Elbe ist etwa drei Kilometer entfernt. Anfang 2014 war Neueröffnung. 200 Stellplätze, herrlich im Wald oberhalb des größten der Lausigen Teiche gelegen. Der Platz hat ganzjährig geöffnet.

Die anfängliche durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Touristen hat sich inzwischen von zwei Tagen auf eine knappe Woche erhöht. Die Zahl der Übernachtungen lag 2015 „im niedrigen fünfstelligen Bereich“, verraten sie. Deutlich mehr, als sie erhofft hatten.

Beide haben ganz offenbar ihr Glück gefunden. Kein Wunder. Wo geht das besser, als auf einem Campingplatz in Sachsen-Anhalt.