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Fußball-Randale Ratlosigkeit nach dem Knall

Zehn Minuten war das Pokalspiel zwischen dem 1. FCM und Eintracht Frankfurt unterbrochen. Eine Zeit, die beide Clubs teuer zu stehen kommt.

23.08.2016, 01:01

Magdeburg l Während der erste gezündete schwere Böller am Sonntag um genau 14.58 Uhr im Gäste-Fanblock noch ohne Folgen blieb, sorgten die weiteren Vorfälle kurz nach Wiederanpfiff für eine längere Unterbrechung. Frankfurter Anhänger hatten Raketen in Richtung Club-Fans geschossen, auf der Gegenseite fühlten sich im FCM-Ultra-Block einige provoziert und gelangten in den Innenraum. Die Volksstimme geht den wichtigsten Fragen nach.

Wie gelangten Böller, Raketen und weitere Pyrotechnik überhaupt ins Stadion? „Die Stadionbesucher werden dabei immer einfallsreicher. So werden Chemiekalien in Schuhsohlen oder am Körper, zum Beispiel am Hodensack, versteckt, so auch am Sonntag. Bestimmte Dinge werden in Fahnen eingenäht“, sagte René Wißmach, Geschäftsführer der für den Sicherheitsdienst in und vor der MDCC-Arena zuständigen Firma „mekka security GmbH“.

Waren die Einlasskontrollen zu lasch? Wißmach: „Hundertprozentig kann man das nicht unterbinden.“ Und stellt dann die Frage: „Wenn Handys und Drogen in Gefängnisse hineingeschmuggelt werden können, wie soll man da bei 3000 Personen, die auf einen zukommen, solche Dinge in einer zweistündigen Einlasskontrolle ganz verhindern?“ Seine Leute hätten Schuhe ausziehen lassen, doch gehe das nicht bei allen Besuchern. Zudem wurden schon an den ersten Checkpoints Hausverbote wegen des Mitführens von Pyrotechnik und Betäubungsmitteln ausgesprochen und angewandt.

Wieso durften die geschminkten und teils vermummten Hooligans überhaupt ins Stadion? „So etwas habe ich noch nie erlebt. Es herrschte gespenstische Ruhe, als die Frankfurter aus dem Zug ausgestiegen sind“, sagte Romy Gürtler, Sprecherin der Bundespolizei. Das Motto der Frankfurter Fanszene für die Auswärtsfahrt war: „Alle in schwarz nach Magdeburg“. Zwar sei so eine Bemalung nicht verboten, ließ aber auch die Bundespolizisten ratlos zurück. „Wir haben das zur Klärung an den Ermittlungsdienst gegeben“, so Gürtler.

Zum Thema Vermummung äußerte sich die Pressestelle des FCM am Montag auf Anfrage so: „Die Vermummung erfolgte erst im Stadion. Selbstverständlich erhalten vermummte Personen keinen Zutritt zum FCM.“

Zur Thematik Vermummung als Straftatbestand erklärte die Polizeidirektion Nord auf Nachfrage: Der Unterschied liegt in der Art der Veranstaltung. Wäre der Aufzug der Frankfurter eine Demonstration gewesen, wäre die Bemalung als Vermummung aufgefasst und damit als rechtswidrig gewertet worden. Aber rein faktisch sind die Fußballfans aus Frankfurt nur vom Haltepunkt im Herrenkrug-Park zum Stadion gelaufen.

„Wir haben da keine rechtliche Handhabe“, erklärte Mike von Hoff von der Polizeidirektion Nord. Was wiederum im Stadion erlaubt sei, sei alleinige Sache des Hausherren, also des 1. FC Magdeburg. „Wir sind nur Unterstützende da“, sagte von Hoff. Das Hausrecht durchsetzen müssten die Ordner. „Nach unserer Auffassung wurde insgesamt gut kontrolliert“, so von Hoff. Wie trotzdem Pyrotechnik ins Stadion gelangen konnte, frage sich allerdings auch die Polizei.

Aber das auszuwerten, sei alleinige Aufgabe des Hausherren, so von Hoff. Ein Fazit zum Einsatz werde die Polizeibehörde nicht abgeben.

Wie stehen FCM- und Eintracht-Fans zueinander? Es herrscht keine klassische Feindschaft. Die existiert auf Seiten der Frankfurter im Osten zu Hansa Rostock und Dresden.

Welche Rolle spielen die BFC-Fans? Während es vor der Wende zwischen dem FCM und BFC große Rivalität gab, hat sich das mittlerweile geändert. Das Kriegsbeil wurde begraben. Es gibt nach Volksstimme-Informationen heute sogar befreundete Hool-Gruppen, die zusammen auch ihre Freizeit verbringen (Fußballspielen, Grillen). Vereinzelt gesellen sich auch Anhänger von Eintracht Braunschweig dazu. Diese Fan-Gruppierung hat ihre festen Plätze stets in unmittelbarer Nähe zum Gäste-Block.

Warum ließen sich die FCM-Ultras auf der Gegenseite provozieren und drangen in den Innenraum ein? Jens Janeck vom Fanprojekt Magdeburg sagte dazu: „Das war die Reaktion auf das Verhalten der Frankfurter. Unsere Ultras lehnen Raketen und Böller strikt ab, die gegen Menschen eingesetzt werden, in diesem Fall sogar gegen die eigenen Magdeburger Fans. Sie empfanden das als unerträglich. So war die Hemmschwelle ganz unten.“

Was sagt FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik zu den Vorfällen? „Frankfurter Fans haben Böller eingesetzt, die bewusst die Gesundheit anderer gefährden. Damit wurde absolut gegen die Sitten des Fußballs verstoßen. Das hat dann bestimmte Reaktionen einiger FCM-Fans hervorgerufen. Die Crux war natürlich, in den Innenraum einzudringen. Das ist nun einmal verboten und braucht kein Mensch. Und wir als Verein werden so mit ins Fahrwasser reingezogen.“

Wieviel Strafanzeigen gab es? Während des Einsatzes in der MDCC-Arena nahm die Polizei zwölf Strafanzeigen auf. Darunter unter anderem wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung.

Wie beurteilt Stadionsprecher Torsten Rohde, der während der Unterbrechung deeskalierend einwirkte, die Ereignisse vom Sonntag? „Ich bin brutalst schockiert und hoffe, dass ich so etwas nie wieder in unserem Wohnzimmer, der MDCC-Arena, erleben muss. Ich habe noch während des Spiels SMS von Familien bekommen, die das Stadion vorzeitig verlassen haben. Auch ich hatte Angst, vor allem um meine beiden kleinen Söhne Maximilian und Timon, die nicht weit weg vom Geschehen in Block 10 ihre Plätze hatten.“

Wie reagiert die Eintracht? Vorstandsmitglied Axel Hellmann hat die Ausschreitungen Frankfurter Anhänger scharf verurteilt. „Das war ein Tiefpunkt, was die Wahrnehmung der Fans anbelangt. Das Feuern von Leuchtspurmunition in den Block ist schlichtweg als kriminell zu bezeichnen.“