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Landtag Bullerjahn sagt aus

Über Jahre hat Sachsen-Anhalts Landesregierung fragwürdige Berateraufträge vergeben. Nun muss ein Ex-Finanzminister in den Zeugenstand.

21.04.2017, 23:01

Magdeburg l Er ist wieder da. Nur kurz. Aber der Auftritt von Jens Bullerjahn (SPD) im Landtag verspricht spannend zu werden. Der zu Hochpulsigkeit neigende Ex-Finanzminister wird bei seinem Intermezzo auf vertrauter Bühne wohl angriffslustig auftreten. Er fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Die Volksstimme hatte aufgedeckt, dass die frühere schwarz-rote Landesregierung (2006 bis 2016) dutzende Beraterverträge, Gutachten und Studien in Millionenhöhe freihändig und oft am Parlament vorbei vergeben hat.

Ein besonders umstrittener Vertrag hat bereits zu personellen Konsequenzen geführt. Jörg Felgner (SPD) musste im November als Wirtschaftsminister zurücktreten. Er hatte 2013 als damaliger Finanzstaatssekretär unter Bullerjahn einen 6,3 Millionen Euro schweren Geschäftsbesorgungsvertrag unterzeichnet – ohne dass der Landtag grünes Licht gab.

Über die Landes-Investitionsbank (IB) sollten davon rund 4,4 Millionen Euro beim Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) in Halle landen. Die neue Landesregierung hat diese Summ e inzwischen deutlich abgespeckt. Das ISW galt regierungsintern als eine Art „Haus- und Hoflieferant“ Bullerjahns. Mit ISW-Chef Michael Schädlich ist der SPD-Mann gut befreundet.

Im Dezember hatte eine Beamtin aus dem Finanzministerium vor dem Ausschuss ausgesagt, die Vertragskonstruktion habe sie damals als „problematisch“ eingeschätzt. Andere Zeugenangaben erhärteten den Verdacht, dass von Anfang an geplant war, dem ISW einen lukrativen Auftrag zuzuschustern. Abgeordnete werfen Bullerjahn vor, dass er private und berufliche Dinge nicht immer sauber getrennt haben soll.

Bullerjahn beteuert mit Blick auf ISW-Chef Schädlich: „Wir können Privates und Dienstliches gut trennen.“ Vor der Ausschreibung des Vertrages habe es keine Vorfestlegung gegeben, so Bullerjahn. Doch das ist umstritten. Felgner hatte den Vertrag mit der IB im November 2013 unterschrieben – doch bereits im Juni 2013 wollte eine Referatsleiterin wissen, ob sie den Vertrag erhalten könne, mit dem „wir über die IB das ISW beauftragen“. Außerdem rieten Beamte ausdrücklich davon ab, den Landtag bei der Auftragsvergabe zu umgehen.

Es zeichnet sich ab, dass Bullerjahn am Montag den Fokus auf die gesamte Landesregierung lenken wird. Im November hatte Bullerjahn der Volksstimme gesagt, er wolle seinen Auftritt im Ausschuss nutzen, „um einiges geradezurücken“. „Investitionsbank und ISW waren nicht meine Haus- und Hoflieferanten.“ Sie hätten für alle Ministerien gearbeitet: „Das war so von allen gewollt. Man darf die Gesamtverantwortung des ganzen Kabinetts nicht vergessen“, sagte er in Richtung CDU.

Kristin Heiß, Abgeordnete der Linken, hat inzwischen etliche Nachforschungen angestellt. Demnach hat die Investitionsbank zwischen 2006 und 2016 exakt 31 Verträge mit dem ISW geschlossen, um Aufgaben zu erledigen, die ihr zuvor von Ministerien übertragen worden waren. Laut Heiß gehörten dazu auch Geschäftsbesorgungsverträge in Höhe von 11 Millionen Euro, die die Regierung mit der Investitionsbank schloss. Die IB wiederum beauftragte das ISW. Über Unterbeauftragungen seien rund 4,8 Millionen Euro an das ISW geflossen. „In den meisten Fällen war die Investitionsbank von vornherein nur als Mittelsmann gedacht“, sagte Heiß. Vorteil für die Regierung: „Teure Verträge mit den Vertrauten des Finanzministers mussten nicht mehr dem Finanzausschuss vorgelegt werden.“ Vorteil für die Investitionsbank: „Klingelnde Kassen, denn ein Teil des Geldes bleibt in ihren Händen.“ Bei der IB verblieben laut Heiß rund 3,3 Millionen Euro. Sie sagte: „Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung den Verbleib von Geldern bei der IB in Kauf genommen hat, um sich der Vorlagepflicht der ISW-Verträge im Finanzausschuss zu entledigen.“

Interessant: Bereits 2004 gab es einen Untersuchungsausschuss zu Beraterverträgen, in dem Bullerjahn zeitweise mitwirkte. Seinerzeit sagte er, dass „die öffentliche Auftragsvergabe im Land Sachsen-Anhalt gesetzlicher Neuregelungen“ bedürfe. Eine Rede im Landtag schloss er damals mit dem Hinweis auf „dringenden Aufklärungsbedarf“. Der Landtag legte verschärfte Regeln für die neue Regierung fest. Dieser gehörte dann Bullerjahn an – als Finanzminister und Vize-Ministerpräsident. Jetzt ist es Bullerjahn, der fragwürdige Beraterverträge erklären muss.