1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. SC Magdeburg
  6. >
  7. Ein Kapitän im Gegenwind

SC Magdeburg Ein Kapitän im Gegenwind

SCM-Kapitän Fabian van Olphen bläst ausgerechnet in seinem Jubiläumsjahr viel Gegenwind ins Gesicht.

Von Janette Beck 14.03.2016, 00:01

Magdeburg l Im Hause van Olphen ist momentan das Toben absolut verboten. Und auch wenn es den quirligen Zwillingen Stella und Amy schwerfällt – für den Papa, oder genauer gesagt dessen Nase, nehmen sich die Achtjährigen zurück. „Wir haben ihnen eindringlich erklärt, dass die Nase gebrochen und es gefährlich ist, beim Herumbalgen dagegenzukommen“, berichtet der Holländer über die seit 12.  Februar geltenden Verhaltensregeln.

Die sind überhaupt erst nötig geworden, weil Kreisspieler Jacob Bagersted den Kapitän beim Training unglücklich mit dem Ellenbogen getroffen hat. „Jacob hat sich 50-mal dafür entschuldigt und mir ein großes Bier als Entschädigung versprochen“, so der 34-jährige, der das Missgeschick als Bagatellschaden ansieht – obwohl die Nase zunächst „so krumm wie eine Banane“ gewesen sei und „unter Vollnarkose“ gerichtet werden musste.

Inzwischen sind vier Wochen vergangen. Und die Nase? Die ist immer noch ein wenig schief. Sei‘s drum. „Das ist mir, ehrlich gesagt, ganz egal“, schmunzelt van Olphen. Viel mehr ärgert er sich, dass sein Nasenbein nicht so glatt gebrochen war wie beim Teamkollegen Nemanja Zelenovic kurz zuvor. Der Serbe hatte sich weiter wagemutig beim Training und im Spiel ins Getümmel gestürzt. „Das hat mit Eitelkeit oder Angst nichts zu tun. Ich hätte gern wie ,Zeli‘ weiter mittrainiert und mich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Ich habe schon mit ganz anderen Verletzungen auf die Zähne gebissen. Aber der Bruch war kompliziert, und die Ärzte haben mir verboten zu spielen.“

Seit zwei Wochen steht der Abwehrchef zwar wieder im Mannschaftstraining, trägt dabei aber eine Maske. „Leider ist das im Spiel verboten“, klagt der noch immer Krankgeschriebene sein Leid und lässt offen, ob er am Mittwoch in Melsungen (19 Uhr) ins Geschehen eingreifen kann.

Wenn nicht, erwartet ihn ein weiteres Mal die „Höchststrafe“. Denn über Wochen hinweg nicht helfen zu können, schmerzt. Und gerade wenn es wie zuletzt in Granollers nicht läuft, „ist das ganz besonders schwer zu ertragen“, gesteht der Kapitän a. D. Der war privat nach Spanien gereist, hatte das Spiel von der Tribüne aus verfolgt und „irgendwann aufgehört, die Fehler zu zählen“.

Dass nach dem enttäuschenden Auftritt nicht nur die Fans wiederholt das Fehlen von Führungsspielern und mannschaftlicher Geschlossenheit monierten, sondern selbst Spieler, Trainer und Manager, dürfte van Olphen durchaus auch als Kritik an seiner Rolle als Kapitän verstanden haben. „Natürlich ist man als Kapitän der Erste, der dafür verantwortlich ist, als Mannschaft aufzutreten.“ Aber sein Einflussbereich sei auch begrenzt, denn in letzter Instanz treffe jeder Spieler individuell die Entscheidung, ob er den Wurf nimmt, den Schritt nach rechts macht oder zu wem er abspielt.

Dass ihm momentan besonders starker Gegenwind ins Gesicht bläst, sei nicht abzustreiten: „Ich habe in dieser Saison selbst schon das eine oder andere Mal das Gefühl gehabt, als Kapitän versagt zu haben. Klar wurmt mich das, aber auch ich bin nur ein Mensch und mache Fehler.“ Vor allem im Fan-Forum auf der Vereins-Homepage wird teilweise derb vom Leder gezogen. Dort werden dem in die Jahre gekommenen Kapitän, dessen Vertrag Ende 2014 vorzeitig bis 2017 verlängert wurde, die sportliche Klasse ebenso abgesprochen wie seine Fähigkeiten als Führungsspieler und Kapitän.

Er selbst, sagt er, habe nach wie vor das Gefühl, von seinen Mitspielern „als Kapitän wahrgenommen, akzeptiert und respektiert zu werden“. Den Gegenwind aus Richtung der Fans sieht er deswegen pragmatisch: „Jeder hat das Recht, seine Meinung zu sagen. Der sachlichen Kritik muss ich mich stellen. Und dazu gehört, ehrlich einzugestehen, dass der SCM und auch ich nicht unsere beste Saison spielen. Trotzdem sehe ich, das mag arrogant klingen, momentan auch niemanden im Team, der es als Kapitän besser machen könnte als ich“.

Seine Leistungen objektiv einschätzen, das könnten ohnehin nur jene, die ihn bei der täglichen Arbeit sehen. „Für mich ist die Meinung des Trainers, des Sportchefs oder meines familiären Umfeldes maßgeblich. Diese Leute wissen, was ich mache und wie ich mich einbringe. Ich kann nur sagen: Ich gebe immer 100 Prozent – ob beim Training oder im Spiel“, so van Olphen, der viele Extra-Schichten schiebt, um körperlich top fit zu sein.

Ob das auch reicht, den 2017 auslaufenden Vertrag noch einmal zu verlängern, wird sich zeigen, so der Kapitän. „Darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken, wer weiß, was in einem halben Jahr ist.“ Was die Zukunft betrifft, gäbe es mehrere Optionen: „Entweder mein Vertrag beim SCM wird verlängert, oder ich setze meine Handball-Karriere irgendwo anders fort. Oder ich höre auf, weil ich genug habe und orientiere mich beruflich neu. Fakt ist: Ich will und werde auf jede einzelne Option vorbereitet sein.“