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Handball Damgaard: „Geld ist mir scheißegal“

Michael Damgaard wurde von den Fans des SC Magdeburg zum „Spieler der Saison“ gewählt. Hier spricht er über Gott, die Welt und Handball.

Von Janette Beck 21.06.2017, 01:01

Michael Damgaard über die Saison: "Ich spiele Handball, um Titel zu gewinnen. Wenn ich in der Getec-Arena einlaufe, dann sehe ich das große Plakat mit den Jahreszahlen und den Erfolgen des Vereins. In meiner ersten Saison beim SCM hat es gleich geklappt mit einem Titel. Umso mehr ärgert es mich, dass nach 2016 „Pokalsieg“ hinter der Zahl 2017 nichts stehen wird. Wir haben zwar eine tolle Serie hingelegt, trotzdem reichte es nur zu Rang fünf in der Liga. Weil aber auch ein Titelgewinn unser Ziel war, kann ich, können wir auch nicht zufrieden sein."

... über die Serien des SCM (22 Spiele wettbewerbsübergreifend ohne Niederlage, 19 Liga-Partien in Folge ungeschlagen): "Die zwei Serien sind unglaublich. Das zu schaffen, ist der Wahnsinn. Trotzdem hätte ich lieber das eine oder andere Spiel verloren und dafür den EHF-Cup gewonnen. Aber solche Serie stärkt auch das Selbstbewusstsein. Wir wissen jetzt, was wir mit dieser Mannschaft leisten können. Ich glaube, diese Serien werden sich in der kommenden Saison noch auszahlen. Wir wissen, worauf es ankommt, sind motiviert und titelhungrig. Ich freue mich schon jetzt auf die neue Saison. Auch wenn wir wissen, dass die Erwartungen an uns gewachsen sind."

... über seine vorzeitige Vertragsverlängerung: "Ich habe aus einem einzigen Grund den Vertrag beim SCM bis 2020 verlängert: Wir sind glücklich hier! Alle drei, meine Frau, meine kleine Tochter und ich sind rundum glücklich. Das ist das Wichtigste. Ich bin viel unterwegs, das ist ein Problem. Trotzdem weiß ich, dass meine Familie in guten Händen ist, dass Freunde da sind, die helfen, wenn ich nicht da sein kann. Magdeburg ist eine tolle Stadt, die Handball lebt und atmet. Das motiviert mich mehr als Geld, das ist mir scheißegal. Ich bin der Überzeugung, dass ich mich in Magdeburg weiterentwickeln kann. Hier spiele ich viel und bekomme das Vertrauen. Ich will ein richtig guter Spieler werden und zum Stamm der Nationalmannschaft gehören. Ich will in der Champions League spielen und Titel gewinnen. Aber warum soll ich nach Flensburg, Kiel oder zu den Löwen gehen, wenn ich das auch in Magdeburg erreichen kann? Ich glaube an das Potenzial dieser Mannschaft."

... über die Fans: "Die SCM-Fans sind verrückt, positiv verrückt, aber das bin ich auch – das passt also ganz gut zusammen! Vor zwei Jahren, am Anfang, da war ich überrascht über einige Reaktionen. Dass Freude und Enttäuschung so hautnah zu spüren sind, das kannte ich nicht. Aber die Magdeburger Fans sind einfach unglaublich. Der SCM hat die geilste Heim-arena der Liga. Die Unterstützung von den Rängen ist groß. Klar sind die Erwartungen groß, und es gibt auch mal Kritik. Aber die ist meistens auch berechtigt – wie zum Beispiel nach der Heimniederlage gegen Hannover. Und wir wollen das Gleiche wie die Fans: Ein gutes Spiel."

... über den Titel „Spieler der Saison“: "Das ist eine Fan-Wahl und deswegen weiß ich das auch zu schätzen und freue mich darüber. Zumal ich den Titel aus dem Vorjahr verteidigen konnte. Doch das soll jetzt nicht undankbar klingen, wir sind eine Mannschaft, ohne meine Mitspieler wäre ich nichts. Ich hätte also viel lieber einen Titel mit dem SCM gewonnen."

... über die historische 22:37-Heimniederlage gegen Hannover: "Ehrlich gesagt fand ich es viel schlimmer, dass wir in Minden mit zehn Toren verloren hatten. Warum? Ganz einfach: Das Heimdebakel gegen Hannover hat zwar sehr wehgetan, aber wir haben daraus das meiste gelernt. Wir haben gemerkt, dass nichts von alleine geht. Wir haben die Arbeitshandschuhe angezogen und losgelegt. Danach haben wir in der Liga nur noch ein einziges Spiel verloren – das in Kiel."

... über die sich abzeichnende Konkurrenz im linken Rückraum: "Ich habe keine Probleme damit. Warum auch? Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich weiß, was ich kann und welche Qualitäten ich habe. Wenn jemand kommt, der im Training besser ist und vom Trainer auch den Vorzug im Spiel bekommt, dann ist das normal. Für mich wäre das nur das Zeichen, dass ich mehr trainieren muss, um besser zu sein. Ich habe ja auch in der Nationalmannschaft Top-Leute vor mir wie Mikkel Hansen oder Henrick Mollgaard Jensen, und schmolle nicht. Für mich ist es eine Motivation, so gut zu sein wie sie, oder besser, damit ich auf mehr Einsatzzeiten komme."

... über seine größten Reserven: "Ich bin physisch stark, aber noch nicht stark genug. Vor allem an meiner Beinkraft muss ich arbeiten. Ich versuche das im Training zu optimieren, aber innerhalb einer Saison fehlt dafür oft die Zeit. Deshalb bin ich froh, dass ich diesmal die Saisonvorbereitung komplett mitmachen kann."

... über sportliche Vorbilder: "Früher war das Stefan Lövgren. Aber inzwischen ist das anders: Es gibt viele fantastische Handballer mit vielen Kompetenzen, ich versuche das Beste von ihnen für mein Spiel zu kopieren."

... über Fähigkeiten, die er gerne hätte: "Fliegen zu können, um so schnell von A nach B zu kommen und Zeit zu sparen, das wäre super. Oder Klavierspielen können und die Menschen mit meiner Musik bewegen. Aber ich weiß auch: Nichts im Leben ist geschenkt! Alles ist harte Arbeit und Training. Alle Großen wie zum Beispiel Michael Jackson oder Michael Jordan mussten 10.000 Stunden üben, um da hinzukommen, wo sie am Ende waren."

... über seine Urlaubspläne: "Nach dem letzten Saisonspiel mussten wir Nationalspieler noch rund eine Woche dranhängen, so dass für uns erst ab dem 15. Juni Urlaub ist. Bis zum Trainingsauftakt sind es dann noch vier Wochen. Da in der Heimat drei kirchliche Hochzeiten anstehen, darunter die von Jannick (Green) und Jacob (Bagersted/. d. Red), fahren wir nicht weg, sondern bleiben zu Hause bei unseren Familien. Vielleicht werden wir mit Freunden für ein paar Tage ein Ferienhaus am Meer mieten."

... über seinen Mikrokosmos: "Meine kleine Familie ist mein Ein und Alles. Ann-Sofie und ich sind nicht verheiratet, aber man kann ja auch ohne Trauschein glücklich sein. Und das sind wir. Bei unserer kleinen Tochter Clara Noelle ist der Familienname meiner Frau – „Sonne“ – Programm. Unsere Prinzessin ist ein echter Sonnenschein, lacht sehr viel und strahlt alle an. Wenn ich nach Hause komme und sie auf mich zukrabbelt, ist alles andere Nebensache, und ich werde sogar von Niederlagen abgelenkt. Wenn auch nur kurz. Die ersten drei, vier Monate waren vor allem für meine Frau sehr schwer, weil sie kleine Koliken hatte. Da gab es für Ann-Sofie viele schlaflose Nächte. Ich war unendlich dankbar, dass sie das meiste von mir ferngehalten hat. Aber sie weiß, wie wichtig Ruhe und Schlaf für einen Profihandballer sind."

... über die Geburt seines ersten Kindes: "Ich war im Kreißsaal dabei. Es ist ein Wunder, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Das Gefühl, als ich die Kleine das erste Mal im Arm hielt, ist einfach unbeschreiblich. Ich habe geweint vor Glück wie noch nie im meinen Leben. Ich habe gedacht, ich muss erst etwas ganz Großes im Leben gewinnen, um solche Gefühle zu haben. Den Olympiasieg zum Beispiel. Aber echt, das kann dieses einzigartige Erlebnis, die Geburt deines ersten Kindes, niemals erreichen. Für das, was ich da gefühlt habe, gibt es keine Worte."

... über Tiefschläge im Sport: "Ich brauche Zeit und denke viel nach, um Niederlagen zu verarbeiten. Damit befasse ich mich sehr lange. Ich hasse es, zu verlieren. Wirklich! Das verlorene Halbfinale in Göppingen oder auch der verlorene Punkt bei den Füchsen, das geht mir ewig durch den Kopf. Weil viele Fehler gemacht wurden und wir es ja viel besser können. Aber ich würde nie meine Mitspieler für ein verlorenes Spiel verantwortlich machen, sondern bin nur sauer auf mich selbst. Ich frage mich, was ich das nächste Mal besser machen kann, und arbeite dann auch im Training gezielt daran."

...  über seine Spielweise und Quoten: "Ich weiß, dass es manchmal den Eindruck macht, als spiele ich egoistisch. Weil ich mir die Würfe trotz Fehlversuchen immer wieder nehme. Aber ich habe da schon eine Strategie im Kopf und schaue auch auf meine Nebenleute. Meine Wurfquote liegt nach wie vor bei knapp über 50 Prozent. Ähnlich wie in der Vorsaison. Das scheint auf den ersten Blick nicht so gut. Aber die Statistik, die reine Zahl, ist nur die halbe Wahrheit. Ich sage: Ein Fehlwurf ist nicht gleich ein Fehlwurf. Da differenziere ich schon, das brauche ich für meinen Kopf, für die Selbstkritik meines Spiels."

... über die gestiegene Zahl der Assists: "Dass ich mich auf 89 in dieser Saison gesteigert habe, freut mich sehr. Das sagt auch viel über meine Spielweise aus. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Definition, was genau ein Assist ist. Derjenige, der die Statistik macht, beurteilt das eher subjektiv. Ich zähle dazu nicht nur den finalen Pass, das entscheidende Zuspiel, sondern auch ein perfektes Kreuz. Deswegen sind ein Marko Beziak oder ein Christian O’Sullivan auch trotz weniger Assists die besseren Spielmacher und unverzichtbar. Auch und gerade für mich, der durch ihr Spiel, durch ihre Strategie in eine gute Wurf-Position gebracht wird."

... über sein Studium: "Ich studiere Marketing und Ökonomie im Fernstudium an der Uni Aarhus. Ich finde es wichtig, einen Ausgleich zum Handball zu haben. Ich brauche das für meinen Kopf. Ich denke ständig über etwas nach, vielleicht wirke ich deshalb auf andere verträumt oder wie eine Schlafmütze. Das höre ich öfter. Dabei schlafe ich gar nicht so viel, sieben, acht Stunden reichen völlig. Ich studiere oft abends nach dem Training oder arbeite bis in die Nacht. Mein Ziel ist es, dass sich die Menschen später nicht nur an den Handballer Michael Damgaard erinnern, zehn Jahre nach dem Olympiasieg redet eh keiner mehr von dir. Deshalb will ich Werte schaffen, etwas, das bleibt."

... über seine „Nebenjobs“: "Ich habe drei Firmen – das meiste läuft übers Internet. Zum einen verlease ich Motorräder, zum anderen bin ich in der Immobilienbranche tätig, verwalte Eigentumswohnungen. Mein drittes Projekt ist noch ganz neu. Im Mai habe ich zusammen mit zwei Designern das Mode-Label „Enclave Monarchy“ gegründet. Vorrangig produzieren und verkaufen wir Klamotten in Schwarz. Grau und Weiß sollen noch dazukommen. Der Handel erfolgt momentan nur Online. Möglicherweise versuchen wir es etwas später in Kopenhagen mit einem Laden."

... über Geld und Reichtum: "Mit Handball, das ist mir schon klar, kann man nicht reich werden. Deshalb muss ich mehrere Standbeine haben. Damit will ich mir ein Sicherheitsnetz für meine Familie aufbauen. In diesem Zusammenhang ist aber nicht Geld, sondern Zeit das Wichtigste, was man fürs Leben braucht. Mit dem Geld, das ich jetzt verdiene, erkaufe ich mir also Zeit. Freizeit, die ich später für meine Familie habe. Wenn dann mal irgendwann mehr Geld da ist, als wir zum Leben und Glücklichsein brauchen, dann will ich Verantwortung für andere übernehmen, denen es nicht so gut geht. Die nicht so viel Glück hatten wie ich im Leben. Von solchen Leuten wie Bill Gates, die wohltätig sind und einen Teil ihres Profites sozialen Projekten zur Verfügung stellen, gibt es leider noch viel zu wenig."