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Magdeburger Kugelstoßerin hält traurigen Rekord: 13 Konkurrentinnen gedopt Nadine Kleinert sieht sich als "Doping-Opfer"

22.05.2013, 06:00
epa03288903 Germany's Nadine Kleinert smiles on the podium after winning the gold medal in the women's shot put final during the Athletics European Championships in Helsinki, Finland, 29 June 2012. EPA/KIMMO BRANDT FINLAND OUT  +++(c) dpa - Bildfunk+++
epa03288903 Germany's Nadine Kleinert smiles on the podium after winning the gold medal in the women's shot put final during the Athletics European Championships in Helsinki, Finland, 29 June 2012. EPA/KIMMO BRANDT FINLAND OUT +++(c) dpa - Bildfunk+++ COMPIC

Magdeburg. Es ist ein trauriger "Rekord", den SCM-Kugelstoßerin Nadine Kleinert hält: 13 Mal stand die Europameisterin bei einem internationalen Saisonhöhepunkt einer Konkurrentin gegenüber, die nachträglich des Dopings überführt wurde. Zwei "aufpolierte" Medaillen hat die 37-Jährige schon zu Hause, zwei weitere sollen nach dem "Fall Ostaptschuk" folgen.

Der Name Nadeschda Ostaptschuk ist "ein rotes Tuch" für Nadine Kleinert. Und die Vorstellung, "demnächst" Edelmetall in die Hand gedrückt zu bekommen, das eigentlich schon um den Hals einer Doping-Sünderin gehangen hat, "ist unerträglich. Eine solche Medaille ist irgendwie schmutzig. Darüber kann ich mich nicht freuen. Eigentlich gehört die in den Papierkorb", nimmt die "Grande Dame des Kugelstoßens" wie gewohnt kein Blatt vor den Mund.

Unzählige Male hat die Magdeburgerin, die sich nach über 20 Jahren Leistungssport auf Abschiedstour befindet und ihre Karriere im Herbst beenden will, der Weißrussin im Wettkampf gegenübergestanden. Oft hatte die recht burschikos wirkende Ostaptschuk die Nase vorn gehabt. Doch das, wie sich im Nachhinein herausstellt, aufgrund unlauterer Mittel. So wurde der Olympiasiegerin von London nur wenige Tage nach ihrem Gold-Stoß auf sagenhafte 21,36 Meter ihre Goldmedaille aberkannt. Sowohl einen Tag vor als auch unmittelbar nach dem Wettkampf war die 32-Jährige positiv auf das anabole Steroid Methenolon getestet worden.

"Ich war gerade aus London zurück, noch immer total geknickt, weil bei mir so gar nichts lief, da erreichte mich die Meldung, dass sie Ostapschuk erwischt haben." Da habe sie sich dann doch gefreut und sich gesagt: "Gut, dass die Gerechtigkeit doch irgendwann siegt. Zumal ich vorher noch dafür abgestraft wurde, auch vom Verband, weil ich öffentlich Zweifel angemeldet und gesagt hatte: Die Freude von Ostaptschuk war verhalten, irgendwie gespielt, da ist doch was faul ...", so die vierfache Olympia-Teilnehmerin.

Dass dies nur die Spitze des Eisberges war und in internationalen Kugelstoßringen seit Jahren einiges "faul" war, wurde vor zwei Monaten zur traurigen Wahrheit: Der Weltverband IAAF machte öffentlich, dass bei Nachtests "eingefrorener" Proben der Leichtathletik-WM 2005 in Helsinki sechs Medaillengewinner des Dopings überführt wurden. Darunter auch Svetlana Krivelyova (Russland) und besagte Ostaptschuk. Kleinert hatte Helsinki als Fünfte verlassen - acht Jahre später findet sie sich "virtuell" auf dem Bronzetreppchen wieder.

"Mein Trainer hat leider Recht: Ich bin die ewig Betrogene."

"Ich bekam eine SMS von meiner Konkurrentin Denise Hinrichs: Glückwunsch zu Bronze! Ich wusste gar nicht, was sie meinte. Da habe ich aus Jux gesagt: Wozu eigentlich noch trainieren? Ich muss nur lange genug warten, dann bekomme ich die Medaillen per Post."

In einer Mußestunde habe sie sich dann hingesetzt und durchgerechnet. Angefangen habe es 1999. Damals war Kleinert nachträglich von Rang sieben auf fünf vorgerückt. "2004, als ich statt Bronze fünf Monate später Olympia-Silber nachgereicht bekam, das war der größte Hammer." Insgesamt sei sie auf 13 internationale Wettkämpfe gekommen, bei denen sie direkt oder indirekt mit Dopingfällen konfrontiert wurde. "Als ich mir die lange Liste dann ange-schaut habe, sind mir die Tränen gekommen. Ich musste an die Worte meines Trainers (Klaus Schneider/d. Red.) denken: Der hatte in diesem Zusammenhang mal gesagt: ,Nadine ist die ewig Betrogene\' - und ich musste ihm leider Recht geben. Diese Erkenntnis tat weh."Dabei schmerzt die Magdeburgerin nicht nur der finanzielle Verlust, den sie durch entgangene Prämien-, Antritts- oder Sponsorengelder konstatieren muss: "Von einer nachgereichten Medaille habe ich nichts, gar nichts." Nicht nur der ohnehin schwer zu beziffernde materielle, sondern auch der ideelle Wert sei futsch, "denn Jubel lässt sich nun mal nicht nachholen. Es war immer das Schönste und Größte, auf dem Treppchen zu stehen. Daran erinnere ich mich zuerst, wenn ich mal eine Medaille in der Hand halte. Und dieser Moment wurde mir mehrfach gestohlen", klagt die Kugelstoßerin.

In ihrem letzten Karriere-Jahr versucht sie, "die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit" auszublenden und sich den Spaß an der Freude nicht verderben zu lassen.: "Ich habe aufgehört, mir den Kopf zu zerbrechen, das frisst einen innerlich nur auf." Ein wenig Trost findet "Kleini" darin, dass sie "reinen Gewissens sagen kann: Ich habe alles in meiner Karriere erreicht, was man erreichen kann - und das sauber".

"Ich bin für lebenslange Sperren schon beim ersten Dopingvergehen."

Die Hoffnung auf finanzielle Entschädigung hat die angehende Trainerin längst begraben. Mögliche juristische Schritte seien von Verbandsseite "mit dem Zauberwort ,verjährt\' " als aussichtslos bewertet worden: "Am Ende wirst du mit alldem alleingelassen. Da wird jahrelang über einen Fonds für Doping-Opfer in der DDR diskutiert, aber wer macht sich denn Gedanken über solche Athleten wie mich? Ich bin doch auch ein Doping-Opfer."

Was die Dopingproblematik anbelangt, habe sie ohnehin alle Illusionen verloren. Alles, was derzeit an Strafen machbar sei, reiche nicht aus, um den Sport sauber zu machen, so Kleinert: "Das einzige, was abschrecken würde, sind lebenslange Sperren schon beim ersten Dopingvergehen."