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Anti-Doping-Gesetz Gefängnis geht Hacker & Co. zu weit

Freiheitsstrafe, Preisgeld-Entzug und uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit - das sind die Kernpunkte des geplanten Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland. Der Entwurf der Bundesregierung wird auch unter den Top-Athleten in der Region kontrovers diskutiert, wie eine Umfrage der Volksstimme ergab.

04.10.2014, 01:08

Magdeburg (jb/dh/kr) l In Deutschland könnten Spitzensportler wegen Dopings bald sogar ins Gefängnis wandern. Dies sieht zumindest der Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes vor, auf den sich die Bundesregierung verständigt hat. Das Strafmaß soll bei bis zu drei Jahren Haft oder eine Geldstrafe für überführte Doper sowie bei maximal zwei Jahren für Erwerb und Besitz von Dopingmitteln liegen. Auch die Rückgabe von Preisgeldern ist geplant. Das Gesetz soll begrenzt auf Spitzenathleten angewandt werden, die mit dem Sport ihr Geld verdienen und Konkurrenten durch Manipulation schädigen.

Der Gesetzentwurf sei "eine klare Ansage gegen potenzielle Doper, dass es für sie in Zukunft deutlich ungemütlicher wird", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag. Bis zur Verabschiedung des Anti-Doping-Gesetzes sei es zwar immer noch ein langer Weg, "aber ich hoffe", so Freitag, "dass es keine großen Versuche gibt, im parlamentarischen und gesetzgeberischen Verfahren den Entwurf zu verwässern".

Die angedachte Verschärfung des Anti-Doping-Gesetzes wird im deutschen Sport allgemein begrüßt, es gibt aber auch Kritik, Bedenken und Zweifel, wie eine Umfrage der Volksstimme ergab:

Marcel Hacker (Ruder-Ass beim SC Magdeburg): "Es ist ein schwieriges Pflaster, auf dem sich die Politik da bewegt. Ich habe mir gerade im Urlaub die Wade gezerrt, musste ins Krankenhaus, um das untersuchen zu lassen. Nach der Diagnose muss ich meinen Hausarzt anrufen, um zu wissen, welches Medikament ich nehmen und nicht nehmen darf. Das ist für einen Leistungssportler kompliziert, aber dieses Leben habe ich mir ausgesucht. Eine dreijährige Freiheitsstrafe finde ich jedenfalls zu heftig. Der Sportler wird immer als Erster erwischt, dann wird in der zweiten Stufe vielleicht der Trainer belangt. Aber am Ende werden nie die Hintermänner bestraft, weil kein Sünder deren Namen verraten würde. Deshalb würde ich mir vielmehr ein lebenslanges Sportverbot für Athleten oder Berufsverbot für Trainer wünschen. Damit ist jeder, der erwischt wird, bestraft genug."

Martin Wierig (Olympia-Sechster im Diskuswurf): "Ich bin natürlich für eine Verschärfung der Regeln. Vor allem, dass künftig auch diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die mit Dopingmitteln handeln und Geschäfte machen, finde ich vernünftig und richtig. Allerdings bin ich dagegen, bei nachweislichem Besitz bzw. der Einnahme von Dopingmitteln alle über einen Kamm zu scheren. Zwar sollten jene, die vorsätzlich und bewusst dopen und damit andere saubere Athleten bewusst betrügen, auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, aber es gibt eben auch die Fälle, wo so etwas unwissentlich passiert, z.B. durch verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel. Da sollte man dann doch genau hinschauen, differenzieren und ggf. andere Maßstäbe setzen. So gesehen halte ich den Entwurf im Ansatz für gut, allerdings muss dieser sicher noch eingehender diskutiert werden. Außerdem sollten mit Blick auf die Chancengleichheit länderübergreifend für alle die gleichen Richtlinien, Gesetze und Regeln gelten. Da muss Deutschland auf die internationalen Verbände entsprechend Druck ausüben."

Erik Leue (Kanu-Weltmeister vom SCM): "Ich begrüße es, Dopingsünden hart zu bestrafen. Allerdings halte ich es für fraglich, wenn man Dopingsünder mit Kriminellen wie Mördern oder Kinderschändern auf eine Stufe stellt. Wir Hochleistungssportler sind ohnehin schon gestraft genug, da wir drei Monate im Voraus melden müssen, wann wir uns wo aufhalten. Darüber hinaus müssen wir uns zu einer bestimmten Stunde definitiv an einem lange vorher festgelegten Ort aufhalten."

Nadine Kleinert (Ex-Europameisterin im Kugelstoßen): "Als Athletin, die im Rahmen ihrer inzwischen beendeten Karriere rekordverdächtige 48-mal in einem Jahr zur Doping-Kontrolle gebeten wurde - das war im Olympia-Jahr 2008 - und ein Dutzend Mal davon profitiert hat, dass Konkurrentinnen im Nachhinein des Dopings überführt wurden, bleibe ich dabei: Wer beim Dopen erwischt wurde, der sollte lebenslang gesperrt werden. Die bisweilen angewandten drei Monate Sperre sind doch lachhaft, das sitzt man auf einer Backe ab. Wenn aber schon der Besitz kleinster Mengen von Dopingmitteln strafbar ist und man dafür sogar ins Gefängnis gehen kann, dann ist das schon was anderes. Schließlich verbaut man sich mit einem entsprechenden Vermerk im polizeilichen Führungszeugnis auch seine berufliche Zukunft. Das Grundproblem ist aber auch nicht der deutsche Sport, da lassen sich aufgrund des scharfen Kontrollsystems eh nur eine handvoll schwarzer Schafe erwischen. Deswegen macht das Ganze nur Sinn, wenn weltweit die gleichen Gesetze gelten, ansonsten lacht sich die internationale Konkurrenz über die deutsche Härte und Gründlichkeit doch nur ins Fäustchen."

Lars Fuchs (FCM-Fußballer): "Doping passiert im Fußball fast gar nicht. Trotzdem finde ich die Verschärfungen gut. Vielleicht werden durch die Strafandrohungen zukünftig andere betroffene Sportarten reiner und dadurch auch wieder attraktiver."

Robert Wagner (aus Magdeburg stammender, in Belgien lebender Radprofi): "Ich befürworte eine künftige Gefängisstrafe und deutlich härtere Strafen für Dopingsünder. Es muss aber für alle Sportarten gelten, ich denke da vor allem an das ausgeklügelte Kontrollsystem. Es gibt jedoch auch ein Aber. Wenn jemand mir Böses will und etwas in meine Trinkflasche mischt, und wenn es mir dann an meine Freiheit geht, das geht dann doch zu weit."

Bernd Berkhahn (Trainer der SCM-Schwimmer): "Vom Grundsatz her finde ich ein solches Gesetz gut, weil es die Abschreckung noch einmal erhöht, und weil es Dopingbesitz als Straftatbestand vorsieht. Damit wäre eine Strafverfolgung der Hintermänner, die mit dem Handel verbotener Substanzen ein Gewerbe betreiben, gewährleistet. Allerdings kann ich nicht beurteilen, ob das Strafmaß gut oder schlecht, berechtigt oder unberechtigt ist. Das muss man im konkreten Einzelfall ganz akkurat analysieren. In Deutschland haben wir insgesamt eine sehr geringe Fallrate, trotzdem kannst du immer wieder in eine solche Dopingfalle tappen, indem du etwas isst oder trinkst, worin verbotene Stoffe enthalten sind. Davor ist kein Hochleistungssportler gefeit. Das Gesetz soll zudem ja nur für Athleten angewandt werden, die damit ihr Geld verdienen, aber nicht im Freizeitsport. Dabei liegt genau da die Krux: Dort boomt der Doping-Handel, und irgendwann gerät das Zeug in den Kreis der Profi-Sportler.Meinung