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Erste Schreibaby-Ambulanz in Magdeburg steht hilflosen Eltern mit Rat und Tat zur Seite Schlaflose und schreiende Babys: Wenn Eltern nicht mehr weiterwissen

Von Anna Schätzle 14.04.2011, 04:29

Babys sind etwas Wunderbares, doch nicht selten gibt es Schreikinder, die in Extremfällen bis zu 15 Stunden schreien – und Eltern dadurch in eine Hilflosigkeit versetzen. In Deutschland sind rund 20 Prozent der Neugeborenen betroffen, wobei die Dunkelziffer höher liegen mag. Für solch schwierige Situationen steht nun die erste Schreibaby-Ambulanz in Magdeburg ratlosen Eltern zur Seite. Eine Familie schildert ihre Erlebnisse.

Magdeburg. Anika Bischoff, ist Mutter von Zwillingen. Sie erinnert sich gut, wie schwer es war, überhaupt eine Anlaufstelle zu finden, wenn man merkt, es entsteht ein Problem. "Es war ganz schwierig, hier in der näheren Umgebung etwas zu finden." Erst über das Familienhaus in Magdeburg erfuhr sie von der Schreibaby-Ambulanz.

Für die meisten Eltern ist der Schritt, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich dies einzugestehen, die wohl größte Hürde. "Ich dachte anfangs, wir bekommen das selbst hin. Doch irgendwann erkennt man, dass es eine Chance ist, wenn man Hilfe annimmt", gesteht die zweifache Mutter. "Wir wussten ja nicht genau, was wir uns unter einer Schreibaby-Ambulanz vorzustellen haben."

Die Zwillinge der Familie Bischoff sind nun knappe 14 Monate alt. Aber auch Zwillinge sind grundverschieden, das mussten die Eltern lernen."Unsere Tochter und unser Sohn waren ein halbes Jahr alt. Sie war nachts alle zwei Stunden wach und hatte Hunger, das ging sehr an die Substanz", beschreibt Anika Bischoff die Situation. "Während ihr Bruder schon geschlafen hat. Es ging sogar so weit, dass die beiden in getrennten Zimmern schlafen mussten, weil sie ihn sonst aufgeweckt hätte." Beide Elternteile versuchten sich die Problematik zu erklären und den Grund zu finden. "Womöglich versuchte sie ihr Gewicht aufzuholen, da sie bei der Geburt leichter war als ihr Bruder", spekulierten die Bischoffs. Ratlosigkeit der Eltern stellte sich ein. Da kam die Schreibaby-Ambulanz, die Jessica Wiegmann gemeinsam mit dem Familienhaus ins Leben rief, gerade richtig.

Im Oktober vergangenen Jahres kam es zum ersten Kontakt zwischen den Bischoffs und Rehabilitationspsychologin Jessica Wiegmann. Dort soll Eltern von Babys und Kleinkindern bis 3 Jahre ein Raum zur Entspannung, Unterstützung und Hilfe geboten werden. Doch welche Möglichkeiten bietet die Ambulanz genau? "In erster Linie ein Gespräch über die aktuelle Situation. Das Zuhören ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ein weiterer Aspekt ist die Entspannung in Form von Massagen – für Kinder und Eltern", fasst Jessica Wiegmann zusammen.

Der Fokus ihrer Arbeit liegt im Verständnis der Eltern.

Derzeit müssen betroffene Eltern selbst die Kosten für die Sitzungen zahlen. Doch Gespräche zur finanziellen Unterstützung mit Krankenkassen und Stiftungen würden laufen.

"Meine Sicht der Dinge hat sich verändert"

Die Schreibaby-Ambulanz bietet zwischen drei bis zehn Sitzungen, je nach Bedarf. Wenn die Problematik erneut auftauche, bestünde jederzeit die Option, sich wieder zu melden. "Es gibt auch extreme Fälle, bei denen das Kind aus der Hilflosigkeit der Eltern heraus, Opfer von Übergriffen wird. Das wollen wir verhindern, der Gedanke des Kindeswohls steht an allererster Stelle", so Jessica Wiegmann.

Familie Bischoff nahm neun Sitzungen in Anspruch, die letzte im Januar. "Es gab keinen speziellen Moment, an dem ich merkte, dass sich unser Problem löst", beschreibt Anika Bischoff. Bei ihr habe sich etwas getan, ihre Sicht der Dinge habe sich verändert. "Ich kann besser mit der Situation umgehen und weiß nun, wie wir alle gemeinsam gelassener bleiben."