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Landwirtschaft Kartoffeln sind feine Damen

Der Boden der Magdeburger Börde gehört zu den fruchtbarsten in ganz Deutschland. Das wird jetzt gefeiert.

03.09.2015, 23:01

Magdeburg l Hans-Horst Borg steht auf Leyla. Und Marabelle, Adria, Selena und Adretta. In seinem Keller hat er stets genau die Richtige parat. Und wehe, seine Frau holt die Falsche hervor! Die Rede ist natürlich von den Kartoffelsorten, die häufig weibliche Namen bekommen. Die Parallelen sind mit dem Namen aber nicht vorbei, wie Hans-Horst Borg weiß: „Die Kartoffel ist wie eine feine Dame, die man mit dem nötigen Respekt behandeln muss!“

Als Prüfstellenleiter des Bundessortenamtes ist er für die Zulassung und den Schutz von Rüben, Getreide und Hülsenfrüchten verantwortlich. Und natürlich für die Kartoffeln, die ihm besonders am Herzen liegen. Der Chef von Hans-Horst Borg ist Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU).

Wenn ein privater Züchter eine neue Sorte entwickelt hat, zum Beispiel rosa Kartoffeln, kommt er an dem Betriebsgelände in Magdeburg nicht vorbei. „Wir entscheiden hier, welche neuen Sorten auf den Markt kommen“, so Hans-Horst Borg. Und das kann dauern. Zwei bis drei Jahre lang wird also die rosa Kartoffel auf Herz und Nieren geprüft. Ihre ungewöhnliche Farbe ist dabei kein Kriterium, um sie direkt zuzulassen. Denn die rosa Kartoffel muss landeskulturellen Wert besitzen. „Wenn die Sorte also gegen Krautfäule resistent und wohlschmeckend ist, lassen wir sie zu“, so der Prüfstellenleiter. Rund 900 neue Sorten werden jedes Jahr angemeldet. Und nur 10 bis 15 Prozent bestehen unter den Augen der Prüfstelle des Bundessortenamtes.

Auf den zum Betriebsgelände gehörenden landwirtschaftlichen Flächen werden alle Sorten, die bekannt sind, angebaut. Natürlich nach Fruchtfolge im jährlichen Wechsel. Bei den Kartoffeln sind das jedes Jahr rund 400 verschiedene Sorten, die auf den 60 Hektar des Amtes gedeihen. Die rosa Kartoffel, um beim Beispiel zu bleiben, hat also harte Konkurrenz im Wettbewerb.

Die entstehenden Knollen müssen dann gleichmäßig, unterscheidbar von ihren Kollegen und über die Jahre beständig sein. Nur dann erfolgt die Zulassung.

Ist sie erteilt worden, können die Züchter sie an den Markt bringen. Exklusiv für zehn Jahre mit Aussicht auf Verlängerung. „Gerade neue Kartoffelsorten brauchen sehr lange, bis sie sich am Markt etabliert haben“, so Borg.

Neben der Sortenzulassung betreibt die Prüfstelle in Magdeburg auch den Sortenschutz. Das ist ein patentähnliches Verfahren. „Nur der Patentbesitzer kann die Vermehrung dann in Auftrag geben“, sagt Hans-Horst Borg.

So ist jede Sorte, ob alt oder neu, beim Bundessortenamt verzeichnet. In Groß Lüsewitz in Mecklenburg-Vorpommern gibt es sogar eine Gendatenbank, in der die Samen der Pflanzen gelagert werden. „Das ist wie ein Bunker da und man bekommt dort auch ganz alte Sorten“, erklärt Hans-Horst Borg. Für die Fans dieser speziellen Produkte hat der Prüfstellenleiter aber nur ein müdes Lächeln über. „Die bekommt man nicht günstig produziert“, weiß er. Da alte Sorten anfälliger seien und ihr Ertrag nicht hoch ist, sind sie außerdem teuer. „Das ist dann mal was Besonderes, aber gibt es nicht jeden Tag und das rentiert sich für die Landwirte nicht“, sagt Borg. Ein Beispiel sind die Bamberger Hörnchen, längliche kleine Kartoffeln, die natürlich auch auf dem Hof von Hans-Horst Borg wachsen.

Das Gelände samt zugehörigen Äckern gibt es seit 2006. „Die Testsorten wachsen hier wie von selbst, wir dürfen nur nicht vergessen, zu drillen“, sagt Hans-Horst Borg. Die Böden, die vom Bundessortenamt bewirtschaftet werden, sind etwas Besonderes. Es handelt sich dabei um Schwarzerde mit einem Bodenwert von 90. Die Zahl kann als Ranking verstanden werden. Die Höchstpunktzahl ist 102,8, die niedrigste 1. Die Bewertung wurde in den 1930er Jahren festgelegt. Als Referenzobjekt wurde damals der Boden einer Parzelle in Eickendorf (Gemeinde Bördeland) mit der Zahl von 100 festgelegt. Daran müssen sich bis heute alle landwirtschaftlichen Flächen messen. Zum internationalen Jahr des Bodens baut Hans-Horst Borg gemeinsam mit dem Landwirtschaftsbetrieb Agro Bördegrün aus Niederndodeleben Zuckerrüben an – eine typische Bördefrucht, wie Borg sagt. Vier verschiedene Varianten der Bodenbearbeitung kommen dabei zum Einsatz, darunter auch das neue Strip-Till-Verfahren. Dabei wird das Saatgut in zuvor gelockerte Streifen eingelassen. Es soll herausgefunden werden, welches Verfahren die besten Erträge bringt. Die Ergebnisse werden Anfang September auf einer Fachtagung zum Jahr des Bodens vorgestellt. „Der Boden ist nicht vermehrbar und das wichtigste Produktionsmittel“, sagt Hans-Horst Borg. Dieser Punkt müsse in das Bewusstsein der Menschen rücken. Der Preiskampf in der Landwirtschaft verhindert häufig nachhaltige und ressourcenschonende Methoden. Hinzu kommt der Verlust von Böden an Straßen- und Hausbau oder Ausgleichsmaßnahmen. Jeden Tag gehen so laut Statistischem Bundesamt rund 73 Hektar Boden in Deutschland verloren.

Für Ronald Westphal, den Landwirt und Geschäftsführer der Agro Bördegrün in Niederndodeleben, gleicht das einer Katastrophe. „Wenn immer mehr produziert werden soll auf immer weniger Fläche, geht diese Rechnung irgendwann nicht mehr auf“, sagt er.

In dem Preiskampf um gute Ackerflächen sei deshalb die regionale Zusammenarbeit unabdingbar. Das Bundessortenamt arbeitet dabei nicht nur eng mit den Landwirten vor Ort zusammen, sondern auch mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (LLFG). Gemeinsam richten sie einen Praxistag zum Jahr des Bodens in Bernburg-Strenzfeld aus.

Weitere Informationen zum Jahr des Bodens gibt es beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter www.bmel.de oder unter www.bundessortenamt.de