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Der Kampf gegen die innere Uhr macht krank

15.09.2014, 14:19
Schlaf begünstigt das psychosoziale Leistungsvermögen. Doch sechs Prozent der Deutschen leiden an Ein- und Durchschlafstörungen. Foto: Friso Gentsch
Schlaf begünstigt das psychosoziale Leistungsvermögen. Doch sechs Prozent der Deutschen leiden an Ein- und Durchschlafstörungen. Foto: Friso Gentsch dpa

München - Vom Schlaf bekommen die meisten Menschen wenig mit - wenn nicht der Wecker klingelt oder Träume sie unsanft herausreißen. Schlaf scheint der vernachlässigte Teil des Lebens. Neurologen und Schlafforscher untersuchen die Folgen von Schlafmangel.

Kleine Kinder müssen ins Bett, denn sie brauchen ihren Schlaf. Für Erwachsene scheint das nicht zu gelten. Schlaf sei jedoch wichtig für die Gesundheit, sagt der Schlafexperte Alfred Wiater. Die Nachrichtenagentur dpa sprach mit ihm über den Zusammenhang von Schlaf und Krankheiten.

Wie häufig sind Probleme mit dem Schlaf?


Alfred Wiater: In Deutschland rechnen wir mit über sieben Millionen Betroffenen. Schlafstörungen können erhebliche gesundheitliche Konsequenzen mit Folgen für das psychosoziale Leistungsvermögen mit sich bringen. Derzeit sind mehr als 50 Schlafstörungen definiert. Ein- und Durchschlafstörungen im engeren Sinne - sogenannte Insomnien - betreffen sechs Prozent der Bevölkerung und sind damit am meisten verbreitet. An schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden zwischen drei und sieben Prozent der Bevölkerung. Sie haben erhebliche negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, die Lebenserwartung und das Leistungsvermögen am Tag. Diese Menschen haben wegen erhöhter Tagesschläfrigkeit ein besonders hohes Unfallrisiko im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz.

Manche Menschen wie Angela Merkel oder Barack Obama schlafen wenig und sind stolz darauf. Schlechte Vorbilder?


Wiater: Den Schlafbedarf von Frau Merkel und Herrn Obama kann ich nicht einschätzen. Vielleicht sind sie tatsächlich Kurzschläfer, die mit wenig Schlaf auskommen. Besteht jedoch Schlafmangel, so sind eine erhöhte Risikobereitschaft mit realitätsfernem Optimismus zu befürchten. Dadurch werden negative Konsequenzen des eigenen Handelns möglicherweise nicht hinreichend wahrgenommen. Die Leistung eines Menschen, der 24 Stunden wach ist, ähnelt der von jemandem mit einem Blutalkoholwert von rund einem Promille. Mit einem solchen Wert dürfte sich in Deutschland niemand hinters Steuer setzen. Ich wundere mich, wenn Menschen in diesem Zustand folgenschwere Entscheidungen fällen.

Wie schadet Schlafentzug dem Gehirn - aber auch dem übrigen Körper?


Wiater: Besonders berücksichtigen sollte man die Folgen von Schlafstörungen bei Kindern. Sie bestehen in zwei Drittel der Fälle über Jahre fort und betreffen eine prägende Entwicklungsphase. Unabhängig von körperlichen Folgen wie Übergewicht wird die Gedächtnisbildung für Lerninhalte beeinträchtigt, mit dem Risiko dauerhafter negativer Konsequenzen.

Die andere Seite: Manche wollen schlafen und können nicht. Nehmen Schlafstörungen zu?


Wiater: Durch die Globalisierung unserer Lebens- und Arbeitsaktivitäten ist eine weitere Zunahme von Schlafstörungen zu befürchten, da Prozesse wie unser Schlaf-Wach-Rhythmus immer wieder durchbrochen werden. Der permanente Kampf gegen unsere innere Uhr macht uns krank. Eine 2013 veröffentlichte Erhebung zeigt erstmals differenzierte und repräsentative Daten zu Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen bei deutschen Erwachsenen. Der Wert der Schlafmedizin für das Gesundheitswesen wird erst allmählich wahrgenommen.

Zur Person: Alfred Wiater (60) ist der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) und Chefarzt der Kinderklinik des Krankenhauses Köln-Porz.