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Flüchtlingskrise EU-Parlamentspräsident für Auffanglager

Deutscher Minister will mit seinem "Marshallplan" die Wirtschaft in Afrika stärken, um junge Menschen in ihrer Heimat zu halten.

27.02.2017, 23:01

Berlin (dpa) ln der EU werden neue Vorschläge diskutiert, um Flüchtlinge aus Afrika von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, sprach sich für Auffanglager in Libyen aus, während Frontex-Chef Fabrice Leggeri einen Stop privater Rettungseinsätze vor der libyschen Küste nahelegte. Beide äußerten sich am Montag in deutschen Zeitungen und gingen mit ihren Vorstößen über die bisher von der EU verfolgte Linie hinaus.

Die EU sollte zum Zweck der Auffanglager „ein Abkommen mit Libyen vereinbaren“, sagte Tajani den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe. Die Menschen sollten „dort ein paar Monate oder Jahre in Würde leben können“. Es müsse „eine gewisse Grundausstattung wie eine ausreichende Zahl an Ärzten und genügend Medikamente“ geben. Auffanglager dürften „keine Konzentrationslager“ werden, sagte der konservative italienische Politiker. Wenn es gelinge, die radikalislamische Terrorgruppe Boko Haram „zu beseitigen“, sollten Flüchtlinge aus der Krisenregion in Westafrika wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.

In Brüssel traf der Vorstoß bei verschiedenen Stellen auf Unverständnis. Sie sei „jedes Mal wieder fassungslos“ über derartige Vorschläge, sagte die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel im Deutschlandfunk. Schließlich sei Libyen „natürlich kein sicheres Land“.

Eine mit dem Thema vertraute EU-Diplomatin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass die EU sich gegenwärtig für bessere Lebensbedingungen in bereits bestehenden Lagern unter Kontrolle der libyschen Einheitsregierung einsetze. „Neue Lager sind überhaupt nicht unsere Absicht.“ Dazu gebe es weder Gespräche noch Pläne mit Blick auf Libyen oder ein sonstiges nordafrikanisches Land.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will wirtschaftlichen Schwung in Westafrika zur Schaffung von Perspektiven für die junge Bevölkerung nutzen. Sowohl Burkina Faso als auch die Elfenbeinküste hätten in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Reformen Wirtschaftswachstum erzeugen, erklärte Müller am Montag bei einem Besuch in der Region. „Aber das Wachstum muss bei den Menschen überall im Land ankommen: Mehr Beschäftigungschancen, faire Löhne auf den Plantagen und Innovationen in der Landwirtschaft.“

Das könne nur gelingen, wenn die Handelsketten für Endprodukte in Deutschland faire Produktionsbedingungen in Afrika garantierten, mahnte Müller: „Mein Ziel ist, dass in Deutschland nicht vier Prozent fairer Kakao verkauft wird, sondern hundert Prozent.“

Als positive Beispiele nannte er die Otto-Gruppe, die Baumwolle aus Westafrika bereits in der Region veredeln lasse, und ein französisches Unternehmen, das Kakao vor Ort und nicht erst in Europa verarbeite. „Es kann nicht sein, dass wir Baumwolle, Kaffee, Kakao, aber auch Gold aus diesen Ländern beziehen, aber nichts in diesen Ländern lassen“, betonte Müller. Wenn ein Kilogramm Kaffee in Deutschland für zehn Euro zu haben sei, kämen nur etwa 50 Cent bei den Plantagenbauern in Westafrika an.

Mit Blick auf seinen „Marshall-Plan mit Afrika“ erklärte der Minister, es gehe darum, die „Eigenentwicklungskräfte der Länder“ zu stärken. Burkina Faso etwa habe einen Wechsel zur Demokratie vollzogen und sei mittlerweile ein Stabilitätsfaktor. Mit Investitionen in die ländliche Entwicklung und in innovative Anbaumethoden seien die Perspektiven für junge Menschen gestärkt worden.