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Frankreich "Affären"-Wahlkampf ist passé

Die Kandidaten im französischen Präsidentschaftswahlkampf werben nach mehreren Affären nun um mehr Transparenz.

21.03.2017, 23:01

Paris l Der Konservative François Fillon ist mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert, die Rechtspopulistin Marine Le Pen wehrt sich in der Affäre um fiktive Arbeitsverträge im Europaparlament, und die Justiz interessiert sich für eine US-Reise des damaligen Wirtschaftsministers und heutigen Kandidaten Emmanuel Macron: Frankreich ist wenige Wochen vor der Präsidentenwahl vor allem mit Enthüllungen und Skandalen beschäftigt.

Unsicherheit und Irritation seien groß, meint die Tageszeitung „Le Monde“. Viele Wähler seien noch unentschlossen. Nur zwei Drittel von ihnen seien überhaupt sicher, am 23. April zur ersten Wahlrunde zu gehen.

Die einst so stolze Republik ist skandalmüde – das wird bei der ersten TV-Debatte der wichtigsten Kandidaten am Montagabend deutlich. Transparenz lautet das neue Zauberwort. Vor allem der unabhängige Kandidat Macron nimmt es häufig in den Mund. Er verzichtet mit seiner Bewegung En Marche! auf eine klassische Partei. Er werde mit privaten Spenden finanziert, Tausende Geber hätten im Durchschnitt 50 Euro überwiesen. „Ich bin frei, die Finanzierung ist transparent“, fügt der Ex-Bankier hinzu, dem oft unterstellt wird, Wirtschaftsinteressen zu vertreten.

Fillon galt bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten der bürgerlichen Rechten als Saubermann. Seitdem litt dieses Image, denn er geriet in der Affäre um den Parlamentsjob seiner Frau richtig in Bedrängnis. Er liegt in Umfragen inzwischen nur noch abgeschlagen auf Platz drei. Für mehr Transparenz will er eine hochrangige Kommission einsetzen, um Reformvorschläge zu unterbreiten.

Die Sozialisten machten Benoît Hamon zum Frontmann. Der Ex-Minister mit einem stramm linken Programm schaffte es aber nicht, die gespaltene Partei zu einen und seinen Wahlkampf in Schwung zu bringen. Auch der 49-Jährige will mehr Klarheit bei den Finanzen, um die Macht von Wirtschaftslobbys zu begrenzen.

Schwächen bei den Konservativen und den Sozialisten lassen viel Platz in der Mitte. Dort profiliert sich Macron, der in der zurückliegenden Woche von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin empfangen wurde. Er liegt in Umfragen für die erste Wahlrunde knapp hinter Le Pen, der über 25 Prozent der Stimmen zugetraut werden.

Der sozialiberale Shooting-Star Macron, der ganz klar für Europa eintritt, kann jedoch nach derzeitigen Szenarien Europafeindin Le Pen im entscheidenden Duell am 7. Mai schlagen. Die Justiz interessiert sich für einen Auftritt Macrons in Las Vegas 2016 wegen einer möglicherweise fehlenden Ausschreibung – der Ex-Minister steht dabei aber dem Vernehmen nach nicht im Mittelpunkt.

Le Pen sieht sich durch den Wahlsieg von Donald Trump in den USA und den angekündigten „Brexit“ der Briten gestärkt – schließlich will sie Frankreich aus der Eurozone führen und den Neuen Franc als Währung einführen.

Die französische Justiz prüft schon länger, ob aus EU-Mitteln bezahlte Mitarbeiter von Europaabgeordneten der Front National in Wahrheit für die Partei tätig waren. Le Pen verzeichnet wegen des Vorgehens aber bisher keinen Beliebtheitseinbruch.

Die Tageszeitung „La Croix“ erinnert daran, dass Skandale vor Wahlen in Frankreich nichts Neues seien. So musste der damalige Weltwährungsfonds-Chef Dominique Strauss-Kahn sein Amt nach Vergewaltigungsvorwürfen aufgeben – und damit auch endgültig seine Hoffnung begraben, in seinem Heimatland 2012 zum Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten aufzusteigen. Es setzte sich François Hollande durch, der nach einer glücklosen Amtszeit im Élyséepalast nicht wieder antritt. (dpa)