Abgas-Skandal Die Luft wird dünner

Für Ex-VW-Boss Winterkorn wird es im Diesel-Skandal noch einmal ungemütlicher. Ermittler statteten ihm einen Besuch ab.

28.01.2017, 06:52

Braunschweig/Berlin (dpa) l Seinen Ruhestand hatte sich Martin Winterkorn sicher anders vorgestellt. Erst fegte ihn der Abgas-Skandal im September 2015 binnen weniger Tage aus dem Amt, kurz danach geriet der einst so mächtige Manager auch ins Visier der Justiz.

Seit Anfang Januar ist Winterkorn Rentner, seine luxuriöse Altersversorgung sorgt seitdem für Schlagzeilen. Und nun steht ein weiterer Vorwurf gegen den 69-Jährigen im Raum: Betrugsverdacht.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig durchsuchte in den vergangenen Tagen etliche Büros im Raum Wolfsburg und weitete ihre Ermittlungen gegen Winterkorn deutlich aus. Auch Winterkorns Haus in München und sein dortiges Büro waren nach dpa-Informationen Ziele. Die Braunschweiger Fahnder machten ihren Schritt am Freitag öffentlich – nur Tage nachdem Winterkorn sich erstmals seit seinem Rücktritt wieder auf einer größeren Bühne gezeigt hatte. Erst vor gut einer Woche sagte „Wiko“, wie er bei VW genannt wurde, vor dem Abgas-Untersuchungssauschuss des Bundestages aus.

Dort blieb er bei seiner bisherigen Version: Er habe bis zum Bekanntwerden des Diesel-Skandals im Herbst 2015 von illegalen Abgas-Manipulationen nichts gewusst.

Den Ermittlern zufolge hätten sich allerdings „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür ergeben, dass Winterkorn „früher als von ihm öffentlich behauptet Kenntnis von der manipulierenden Software und deren Wirkung gehabt haben könnte“.

Winterkorn ist nicht der einzige Beschuldigte. Die Staatsanwaltschaft dehnte ihre Ermittlungen auf 37 Personen aus. Gegen Winterkorn besteht in Sachen Abgas-Manipulationen nun auch ein Anfangsverdacht des Betruges – bisher war gegen ihn und andere aktuelle und frühere Manager „nur“ wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelt worden. Die Beschuldigten sollen die Finanzwelt im Herbst 2015 zu spät über den Abgas-Skandal informiert haben.

Fast anderthalb Jahre nach dem Bekanntwerden des Skandals nehmen die Ermittlungen nach dieser Wende nochmals richtig Fahrt auf.

Dabei dürften auch Erkenntnisse aus den USA eine Rolle spielen. Dort hatte bereits im Spätsommer 2016 ein Ingenieur ausgepackt. In den USA sitzt ein Manager in Untersuchungshaft, insgesamt sechs frühere und aktuelle VW-Manager sind angeklagt. Mindestens zwei Mitarbeiter haben eine Kronzeugenregelung in Anspruch genommen und müssen keine Strafverfolgung fürchten.

Bekannt wurde „Dieselgate“ Mitte September 2015. VW räumte den Betrug ein. Kurz nachdem die Manipulationen öffentlich wurden, trat Winterkorn zurück. Er übernahm die politische Verantwortung – war sich indes „keines Fehlverhaltens“ bewusst. Und er sprach von „schlimmen Fehlern einiger Weniger“. Das ist bis heute die VW-Lesart. Der Vorstand habe erst viel später von der Dimension und von illegalen Praktiken erfahren.

Doch dieses Bild ist in den vergangenen Wochen ins Wanken gekommen. In den Fokus rückte vor allem ein Treffen von VW-Top-Managern – ein sogenannter „Schadenstisch“ Ende Juli 2015.

Dabei soll die Strategie gegenüber ermittelnden US-Behörden besprochen worden sein – Winterkorn soll dabei gewesen sein.

Ob er schon dort von den Problemen erfuhr und wie er damit womöglich umging, ist unklar. Schon seit Beginn des Skandals fragen sich viele Beobachter, wie es sein kann, dass die VW-Konzernspitze um Winterkorn von den Manipulationen nichts gewusst haben soll.

Denn das Image des früheren VW-Bosses war das: ein detailversessener Top-Manager, der jede wichtige Entscheidung selbst trifft und bestens informiert ist. Winterkorn zeigte sich demütig. Das „Undenkbare“ sei geschehen. „Ich muss akzeptieren, dass mein Name eng verbunden ist mit der sogenannten Diesel-Affäre.“ Gleichzeitig aber verwies er auf seine Erfolge. Er betonte, ihn „schmerze“ die zum Teil „polemische und unsachliche Kritik“.

Am Donnerstag hatte Vorstand Christine Hohmann-Dennhardt nach nur einem Jahr im Amt erklärt, Volkswagen zum 1. Februar zu verlassen. Die Ex-Verfassungsrichterin sollte als Vorstand für Recht und Integrität zur Aufklärung der Dieselaffäre beitragen und die Glaubwürdigkeit von VW in den USA wiederherstellen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, bei der Trennung hätten „unüberbrückbare Differenzen“ mit der Konzernspitze den Ausschlag gegeben. Insider sprechen von „schweren Zerwürfnissen“, vor allem mit Chefjurist Manfred Döss. Für den Konzern bedeutet der Abgang der Juristin einen schwerer Schlag.

Und auch Ex-Konzernchef Martin Winterkorn dürften noch unruhige Wochen bevorstehen.