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Chaostage bei VW Schwope: „Da geht es um Revierkämpfe“

Nord-LB-Analyst Frank Schwope im Volksstimme-Interview zum Streit um den Zukunftspakt und zu den Folgen des Diesel-Skandals.

15.02.2017, 23:01

Volkswagen durchlebt derzeit Chaostage. Nord-LB-Analyst Frank Schwope erklärt im Volksstimme-Interview, worum es bei dem Streit um den Zukunftspakt geht und welche Folgen der Diesel-Skandal für den Konzern haben könnte. Schwope rechnet mit Milliarden-Summen, die auf VW noch zukommen. Er glaubt allerdings, dass der Autobauer diese verkraften wird.

Volksstimme: Herr Schwope, bei Volkswagen hängt der Haussegen schief, nicht nur wegen des Diesel-Skandals. VW-Markenchef Herbert Diess und Konzernbetriebsrat Bernd Osterloh streiten um das Sparprogramm, den sogenannten „Zukunftspakt“. Steht dieser auf der Kippe?

Frank Schwope: Ich glaube, da geht es um Revierkämpfe, beide versuchen ihr Terrain abzustecken. Das ist aus meiner Sicht nur Geplänkel, denn beiden ist eigentlich klar, dass der Konzern sparen muss. Insofern gehe ich davon aus, dass der Zukunftspakt in seinen Grundzügen auch umgesetzt wird.

Der Pakt sieht vor, bei VW bis zu 30 000 Stellen in den kommenden Jahren abzubauen. Könnten angesichts der steigenden Skandal-Kosten noch mehr Jobs gefährdet sein?

Mich hat die Zahl 30 000 schon überrascht, ich hätte nicht gedacht, dass man sich bei VW auf solch tiefe Einschnitte einigt – wobei ja auch 9000 neue Stellen in zukunftsträchtigen Bereichen wie Elektromobilität wieder geschaffen werden sollen. Wie viele Stellen tatsächlich wegfallen, wird aber sicher auch davon abhängen, wie hoch die Kosten des Diesel-Skandals am Ende ausfallen. Ich gehe derzeit von Gesamtkosten von 25 bis 35 Milliarden Euro aus.

Könnten die Skandal-Kosten auch derartig hoch ausfallen, dass der Konzern einen Teil seiner Marken verkaufen muss?

Stand heute gehe ich nicht davon aus. Volkswagen konnte zuletzt flüssige Mittel in Höhe von 31,1 Milliarden Euro ausweisen, zudem verdient VW jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge. Das sollte insofern erst einmal reichen, um den Diesel-Skandal zu bewältigen.

Sollten die Kosten über 50 Milliarden gehen, werden vielleicht weitere Sparmaßnahmen notwendig. Zudem könnte sich der Konzern dann möglicherweise von seinen Lkw-Marken teilweise trennen.

Ist Markenchef Herbert Diess denn der Richtige, um harte Einschnitte in Wolfsburg durchzusetzen?

Ich glaube schon, dass es eine gute Entscheidung war, Diess von BMW zu holen. Er muss nicht allzu sehr auf Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, er hat als Externer eine andere Sicht auf die Dinge. So einer tut VW sicher gut.

Wie stark VW sparen muss, wird ja auch von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Wie schätzen Sie diese ein?

Ich glaube, dass der Konzern operativ recht gut dasteht. Ein Teil der Skandal-Kosten, gut 18 Milliarden Euro, wurde ja bereits 2015 und 2016 verbucht. Möglicherweise wird die Summe in der Bilanz rückwirkend noch auf 20 bis 22 Milliarden aufgestockt.

Sollte der weltweite Automarkt nun weiterhin um zwei Prozent jährlich wachsen, dann wird Volkswagen künftig operative Gewinne zwischen zehn und 20 Milliarden Euro einfahren.

Das heißt, der Diesel-Skandal wird sich nicht auf die Verkaufszahlen bei VW auswirken?

Richtig. Allerdings muss ich an der Stelle einräumen, dass ich damit ursprünglich nicht gerechnet habe. VW ist ironischerweise im Jahr des größten Skandals größter Hersteller der Welt geworden, hat 3,8 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft. Das lag zwar auch an der starken Nachfrage aus China, war aber angesichts der Umstände trotzdem eine überraschende Entwicklung.

Es kann zwar sein, dass sich noch verspätet ein Image-Schaden auf die Verkaufszahlen auswirkt, aber ich glaube, das Gröbste hat VW in dieser Hinsicht bereits überstanden. Letztlich darf man auch nicht vergessen, dass negative Presseberichte ebenfalls werbende Wirkung haben können. Das klingt zwar verrückt, aber so mancher Kunde sagt sich wohl auch: „Ja, es hat den Skandal gegeben, andere betrügen auch – ich stehe zu VW.“

Welche Rolle spielt der Umstand, dass es bei dem Skandal um Umweltbelange geht und nicht etwa um Sicherheitsfragen?

Wenn Sicherheitsgurte oder die Airbags nicht funktionieren würden, dann würden wohl auch die Kunden sensibler reagieren. Heutzutage mag es zwar ein größeres Umweltbewusstsein bei vielen Autofahrern geben, aber Betrügereien bei der Sicherheit würden wohl schwerer ins Gewicht fallen.

Volkswagen hat sich ja vorgenommen, trotz verfehlter Modellpolitik und trotz des Diesel-Skandals in den USA wieder Fuß fassen zu wollen. Wie erfolgversprechend ist dieses Vorhaben?

Im Januar hat die Marke Volkswagen in den USA um 17 Prozent zugelegt, Audi konnte ein Plus von elf Prozent verbuchen – und das, obwohl der Gesamtmarkt um zwei Prozent geschrumpft ist. Insofern verzeichnet VW in Amerika wieder einen Aufwärtstrend.

Inwiefern sollte sich der Konzern dann Sorgen machen über die Drohungen von US-Präsident Donald Trump, Strafzölle zu erheben?

Da hat Volkswagen in der Tat ein Problem, weil VW sehr viel in Mexiko produziert. Auch Audi hat dort gerade ein neues Werk gebaut. Im vergangenen Jahr hat der VW-Konzern mit allen Marken zusammen 590 000 Autos in den USA verkauft, hat vor Ort aber nur 90 000 produziert. Das heißt, rund 85 Prozent wurden in die USA importiert. BMW hingegen produziert in den USA mehr Autos, als dort verkauft werden, und auch Daimler produziert fast genauso viel, wie es dort verkauft. Insofern wäre der VW-Konzern am stärksten von möglichen Strafzöllen betroffen, zumal Marken wie Porsche oder Audi bislang gar keine Werke in den USA haben.

VW-Vorstandschef Matthias Müller hatte ursprünglich versprochen, den internen Bericht der Kanzlei Jones Day zum Diesel-Skandal nach Abschluss der Ermittlungen zu veröffentlichen. Rechnen Sie damit noch?

Ich glaube, sie haben einmal nein gesagt – und dabei wird es bleiben. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass der Bericht noch von VW veröffentlicht wird. Die ursprüngliche Ankündigung dürfte wohl eher als PR-Maßnahme zu bewerten sein, um „brutalstmögliche Transparenz“ zu demonstrieren.