1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. VW-Aufseher haben ein „Audigate“

Diesel-Skandal VW-Aufseher haben ein „Audigate“

Während sich VW im Diesel-Skandal um Schadensbegrenzung bemüht, rutscht Konzerntochter Audi immer tiefer in die Abgas-Krise.

22.09.2016, 23:01

Wolfsburg l Wenn am Freitag die VW-Aufsichtsräte zu ihrer turnusmäßigen Sitzung zusammenkommen, dürfte ein Thema besonders in den Fokus rücken: Die Verstrickungen der Konzerntochter Audi in den Abgas-Skandal.

Bereits 2007 habe ein Ingenieur einem größeren Kreis von Managern des Autoherstellers in einer E-Mail geschrieben, dass man es „ganz ohne Bescheißen“ nicht schaffen werde, die US-Grenzwerte beim Schadstoffausstoß von Dieselwagen einzuhalten. Das berichteten Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR am Mittwoch unter Berufung auf Erkenntnisse der Anwaltskanzlei Jones Day, die im Auftrag des VW-Aufsichtsrats die Dieselaffäre aufklären soll.

Den Medienberichten zufolge haben die internen Ermittler von Jones Day inzwischen zahlreiche Unterlagen gefunden, die den Betrug belegen sollen. So haben die Audi-Ingenieure offenbar nicht nur eine Betrugssoftware bei ihren eigenen Premium-3-Liter-Fahrzeugen eingesetzt. Sie sollen auch den Betrug bei VW maßgeblich begleitet und unterstützt haben. Audi gelte mittlerweile im Konzern als die „Mutter des Betrugs“, heißt es weiter.

Audi hatte in der Vergangenheit zwar eingeräumt, eine unter US-Recht illegale Software zur Abgaskontrolle eingesetzt zu haben. Eine gezielte Täuschung stritt man bislang aber stets ab. Zu den neuen Details wollte sich ein Audi-Sprecher bislang nicht äußern, er verwies auf die laufenden Vergleichs-Verhandlungen in den USA und das vom US-Richter Charles Breyer verlangte Schweigegebot. VW hatte bereits einen Vergleich geschlossen, Konzern-Tochter Audi bislang noch nicht.

Unter den beurlaubten Audi-Mitarbeitern ist nach Informationen des Rechercheverbundes auch der bisherige Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch. Er werde durch Zeugenaussagen und Mails belastet, wonach er von dem Betrug wusste. Die Medien berichten weiter, dass Jones Day die Beweislage gegen den Topmanager als erdrückend ansieht. Dennoch bestreite Knirsch die Vorwürfe.

Gegen Audi-Chef Rupert Stadler hingegen lägen bislang keine konkreten Beweise vor, heißt es weiter. Der Spiegel hatte zuvor berichtet, dass Stadler bereits im Jahr 2010 von den Manipulationen Kenntnis bekommen haben soll. Die internen Ermittler von Jonas Day hätten deshalb vor, Stadler ausführlich zu befragen.

Etwa 85 000 Dieselwagen aus dem VW-Konzern mit größeren 3,0-Liter-Motoren, die von Audi stammen, wurden in den USA mit verbotener Abgastechnik ausgestattet. Der Konzern ringt bei diesen Autos noch immer mit den Behörden um eine Lösung zur Beseitigung der Programme.

Ein Stück weit vorangekommen ist Volkswagen derweil in Europa. Demnächst soll es einen EU-weiten Aktionsplan zum Umgang mit dem Skandal geben. EU-Justizkommissarin Vera Jourova und VW-Vorstand Javier Garcia Sanz haben sich dem Vernehmen nach darauf verständigt, dass der Autokonzern bis Ende 2016 alle betroffenen Kunden in Europa informieren wird und bis Herbst 2017 alle Autos repariert.

Welche finanziellen Folgen der Skandal für den Autokonzern haben wird, bleibt weiterhin offen, Analysten rechnen weiterhin mit Kosten von bis zu 35 Milliarden Euro. Wie das Landgericht Braunschweig in dieser Woche mitteilte, ist die Zahl der Schadenersatzklagen von Anlegern auf rund 1400 gestiegen. Insgesamt fordern die Kläger etwa 8,2 Milliarden Euro von VW. Eine Chance auf Schadenersatz haben sie vor allem dann, wenn sich bewahrheiten sollte, dass auch die obersten Konzernspitzen vom Skandal wussten, jedoch nicht rechtzeitig darüber informiert hätten.

Am Freitagvormittag werden sich nun zunächst die Anteilseigner des Konzerns zu einer Vorbesprechung treffen. Im Anschluss folgt die Sitzung des gesamten Aufsichtsrates. Dort dürfte es ungemütlich zugehen.