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"Alle permanent bedroht" Traditionsclubs kämpfen gegen Insolvenz

Hoch geflogen - tief gefallen: Zahlreiche Traditionsvereine haben sich beim Versuch einer krampfhaften Rückkehr in den Profi-Fußball übernommen und mussten Insolvenz anmelden.

Von Holger Schmidt, dpa 29.03.2017, 10:17

Düsseldorf (dpa) - Sie könnten inzwischen eine eigene Liga stellen - und die wäre prominent besetzt: Rund zwei Dutzend Fußballvereine haben in den vergangenen Jahren Insolvenz angemeldet.

In Alemannia Aachen erwischte es zuletzt zum zweiten Mal einen Verein, der 2007 noch in der Bundesliga spielte. Und das Ende des Trends ist noch lange nicht in Sicht. Vor allem die Regionalliga ist für viele offenbar kaum finanzierbar.

"Bis auf die U23-Vertretungen und zwei oder drei anderen Vereinen in der Liga droht allen Clubs permanent die Pleite - man hält meist nur irgendwie den Kopf über Wasser", sagte Hajo Sommers dem "Revier-Sport". Nach Meinung des Präsidenten des inzwischen viertklassigen, ehemaligen Bundesligisten Rot-Weiß Oberhausen sei der Deutsche Fußball-Bund schuld. "Die Tendenz zeichnet sich ab, dass die 1. und 2. Liga zählt, darunter entwickeln sich die Ligen zu Opfern, die bei den Ansprüchen kaum noch überleben können", befand Sommers.

In Kickers Offenbach, Rot-Weiss Essen, dem Wuppertaler SV, dem SSV Ulm, dem FC Homburg oder Borussia Neunkirchen haben neben Aachen zahlreiche frühere Erstliga-Vereine bereits schon mal Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Auch der VfB Lübeck, der SSV Reutlingen, der FC Gütersloh, Rot-Weiss Ahlen, der Bonner SC, der FSV Zwickau oder der erste deutsche Meister VfB Leipzig (inzwischen wieder 1. FC Lok Leipzig) stehen auf dieser Liste. Aus der 3. Liga hat gerade der VfR Aalen Insolvenz angemeldet.

Den Zweitliga-Absteigern FSV Frankfurt und SC Paderborn, die gegen den nächsten Abstieg in die Regionalliga kämpfen, droht das Schreckens-Szenario ebenfalls. Der langjährige Zweitligist Sportfreunde Siegen vermied es auf Kosten eines freiwilligen Rückzugs in die Oberliga.

Dabei zieht die Insolvenz statt des Zwangsabstiegs heute nur noch den Abzug von neun Punkten nach sich. Doch für manche ist es eine Frage der Ehre. "Seit drei Spielzeiten gibt es eine Unterdeckung des Etats, die immer wieder nur durch privates Engagement von Gönnern geschlossen werden konnte. Die Leute können und wollen wir nicht immer wieder beknien", sagte Siegen-Vorstand Gerhard Bettermann: "Man muss ehrlich sein und den Tatsachen ins Auge sehen - Siegen kann sich die Regionalliga nicht leisten."

Auch beim umgekehrten Weg machen sich die Vereine Gedanken. Beim früheren Zweitligisten Röchling Völklingen ist man unsicher, ob man den Aufstieg in die Regionalliga antreten würde. "Über die sportliche Wertigkeit eines Aufstiegs muss man nicht reden. Doch dem stehen wirtschaftliche Risiken gegenüber", sagte Präsident Michael Arnold: "Was da verlangt wird, ist vergleichbar mit den Anforderungen in einem Konzern. Und das sollen ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter nach Feierabend erledigen."

Doch während Siegen oder Völklingen abwägen, rennen andere Vereine mit vollem Risiko ins Verderben. Sie leisten sich nach Abstiegen völlig überteuerte Kader, um den sofortigen Wiederaufstieg vermeintlich zu garantieren und wagen finanzielle Kraftakte, um endlich die kaum zu refinanzierende Regionalliga zu verlassen. Oder überheben sich, wie Aachen, mit erstligareifen Stadien. "Für mich ist es unverständlich, dass es nun wieder passiert ist. Was da in den vergangenen Jahren abgelaufen ist, dafür muss man sich eigentlich schämen", sagte der frühere Aachener Spieler und heutige Darmstadt-Trainer Torsten Frings der "Frankfurter Rundschau".

Selbst schuld, sagt deshalb Franz Wunderlich, Sportvorstand der 2010 insolventen Viktoria aus Köln, die nach Neugründung in die 3. Liga drängt. "Man muss eben seine Hausaufgaben machen. Ich habe auch ein Unternehmen mit 200 Leuten und muss dafür sorgen, dass die Firma läuft. So ist es auch bei einem Fußballverein."

Mitteilung von Alemannia Aachen auf der Homepage

Reaktionen zur Aachener Insolvenz bei reviersport.de