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Kabarett „Ich bin ein Zirkuspferd“

Am 5. Januar wird der Magdeburger Kabarettist Frank Hengstmann 60 und feiert - natürlich auf der Bühne.

Von Grit Warnat 22.12.2015, 00:01

Magdeburg l „Eigentlich werde ich erst 30, weil ich bis mittags schlafe“, sagt Frank Hengstmann. Ein Problem mit der bevorstehenden 60? „Überhaupt nicht“, sagt er und klopft auf Holz. Gesundheit ist wichtig. Ihn zwickt nichts. Sein Rezept: „Ich treibe null Sport, trinke gerne mal ein Gläschen Rotwein und schlafe lange. Und meine Liebste kocht mir jeden Abend eine große Tasse Ingwertee.“

Dass er zu seinem runden Geburtstag auf der Bühne steht, war nie eine Frage. „Ich bin ein altes Zirkuspferd.“

„Ich habe schon mit 40 Fieber und Stimme weg auf der Bühne gestanden. Eine Vorstellung hat er einmal ausfallen lassen müssen. „Ansonsten war ich immer draußen.“ Er nennt es Ehrerweisung an das Publikum.

Mit den „Kritiküsschen“ stand er im Kulturhaus „Ernst Thälmann“ das erste Mal auf der Bühne. Das war 1961. „Am 26. Oktober“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Es muss Frauentag gewesen sein“, meint Hengstmann. Frauentag im Oktober? „In der DDR wurde von März bis Dezember gefeiert.“

Die Erinnerung an diese Premiere ist schwach, sagt er, weiß aber, dass er „Mutti ist die Beste“ gesungen hat mit einem Text von Vater Erich Hengstmann. „Vor mit saßen ganz viele Frauen und haben vor Rührung geweint. Als ich durchs Publikum ging, haben mir alle Geld zugesteckt. 17 Mark 34. Das war mein Durchbruch.“

Seitdem, so sagt er, ließ ihn das Bühnengeschehen nicht mehr los. Auch wenn es mit der Schauspielschule nichts wurde, er in Magdeburg Fräser lernte, zwischenzeitlich für die keineswegs fordernde Vergabe von Turnhallenzeiten zuständig war, blieb er dem Kabarett treu. Jugendkabarett, Soloprogramme, Arbeit in zahlreichen Ensembles. 1980 wurde die Generaldirektion für Unterhaltungskunst in Berlin auf ihn aufmerksam, schickte einen Gutachter zum Auftritt ins „Impro“. Hengstmann: „Ich wurde als gut befunden, konnte drei Jahre ein externes Studium in Berlin machen.“ Seit 1982 ist er als Profi unterwegs – mit allen Höhen und Tiefen. Das Tal war zur Wendezeit besonders tief. Stornierungen flatterten ins Haus, jede Menge. Er war arbeitslos, dann bekam er eine ABM, war Clown im Kinderprogramm und hat lustige Lieder gesungen. Dabei war ihm gar nicht lustig zumute.

Heute, mit fast 60, ist er längst Magdeburger Kabarett-Urgestein, vielen bekannt durch aberhunderte Auftritte, auch seine Kunstfigur Manni Fest, den prolligen arbeitslosen Magdeburger. Dass seine Söhne Sebastian und Tobias in seine Fußstapfen treten, hat er sich nicht träumen lassen. Initialzündung war 2003. Seine Silberhochzeit. Die Jungs haben eine alte Hochzeitszeitung vertont und sich mit Gitarre auf die Bühne gestellt. Innerhalb eines halben Jahres stampften sie ein Programm aus dem Boden, 2008 gemeinsam das Familien-Kabarett „... nach Hengstmanns“. Seit Jahren führen die Söhne für den Vater Regie und er für die Söhne. Sie nennen ihn Alter. Er nennt sie Freunde. Liebevoll ist beides gemeint.

Was hat sich verändert in all den vielen Jahren? Hengstmann überlegt kurz, dann sagt er, dass Kabarett zu DDR-Zeiten irgendwie spannender war. „Durch die klare Linie von Partei- und Staatsführung hat man als Kabarettist das Publikum beauftragt, Texte zu Ende zu denken.“ Er spricht von Lesart zwischen den Zeilen und sagt: „Das politische Kabarett fühlt sich am Wohlsten in der Diktatur.“ Heute erlebe er manchmal, dass sich das Publikum zu fraktionieren beginne.

Wenn Hengstmann von damals erzählt, dann weil es zu seiner Biografie gehört. Er sei vielmehr ein Nach-vorn-Blicker. Neues Jahr, neue Herausforderungen. Gedanklich ist er schon längst beim neuen Solo-Programm, das Ende Januar Premiere haben wird.

Zuvor aber Geburtstag. 60. Gala mit Freunden auf der Bühne. Lars Johansen, Dirk Michaelis, Rüdiger Höfken aus Krefeld, Gewinner des 1. Vakuum-Preises, die Söhne natürlich und ebenso natürlich Hans-Jürgen Beyer, mit dem er zu DDR-Zeiten zwischen Rostock und Suhl hin und her tourte. Abertausende Kilometer im Jahr. Im Trabi. Es gibt bequemere Autos.

Diesen Touren lastet Hengstmann seine Reisemuffeligkeit an. Er will, abgesehen von Auftritten in der Altmark, nie weit weg. Aber einen Tag nach der Geburtstagsgala gehts mit Ehefrau Kristina an die Ostsee. Für ihn eine Weltreise zum Geburtstag.

„Frank und Freunde“ am 5. Januar, 19.30 Uhr, Ratswaage-Hotel, Karten im Kabarett und im Ratswaage-Hotel