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Nele Neuhaus schickt Heckenschützen auf Rachefeldzug

14.10.2014, 11:42

Berlin - Kurz vor Weihnachten kommt der Terror in die Vororte von Frankfurt. Erst wird eine ältere Frau beim Joggen erschossen, dann eine andere vor den Augen von Tochter und Enkelin beim Plätzchenbacken.

Die Kripobeamten Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein, die schon in mehreren Romanen von Nele Neuhaus erfolgreich auf Tätersuche waren, stehen in "Die Lebenden und die Toten" vor einem Rätsel. Die beiden Opfer kannten einander nicht, aber sie wurden mit derselben Waffe erschossen.

Während die Polizisten verzweifelt und vergeblich versuchen, über die Feiertage dringend benötigte Kraft zu sammeln und den Fall zu lösen, geschieht ein weiterer Mord. Und bei der Polizei gehen fingierte Todesanzeigen ein, die eine verquere Logik verraten. In einem Brief an eine Zeitung erklärt der Täter, der sich "der Richter" nennt: "Die Schuldigen sollen denselben Schmerz verspüren wie den, den sie aus Gleichgültigkeit, Habgier, Eitelkeit und Gedankenlosigkeit verursacht haben."

Eher durch Zufall finden die Polizisten eine Verbindung zwischen den Opfern. Ein junger Mann, der am ersten Weihnachtstag erschossen wird, hatte vor Jahren ein neues Herz eingepflanzt bekommen, und der Ehemann eines der anderen Opfer war der zuständige Chefarzt gewesen. Aber wo liegt der Sinn? Und kann es noch weitere Anschläge geben, die durch eine rasche Aufklärung verhindert werden können?

Die Leser wissen längst, dass der Killer ein neues Opfer im Visier hat. Mitten zwischen die Ermittlungen der Polizei platziert Nele Neuhaus immer wieder Passagen, in denen der Attentäter sein nächstes Ziel ausspioniert. Wer er ist und warum er gerade dieses Opfer ausgesucht hat, bleibt völlig offen.

In einer gespenstischen Atmosphäre müssen die Polizisten ermitteln. Da alle Angst haben, Opfer des Heckenschützen zu werden, ist das öffentliche Leben praktisch zum Erliegen gekommen. Kaum jemand traut sich noch auf die Straße, aber dennoch findet der Mörder in der Silvesternacht ein weiteres Opfer.

Erst mit Hilfe einer auf merkwürdige Weise gefundenen Liste können die Polizisten weitere mögliche Opfer identifizieren. Und allmählich erschließen sich ihnen auch die Hintergründe. Zwar hat die Herztransplantation einige Jahre zuvor etwas mit den Morden zu tun, aber die tatsächlichen Zusammenhänge gehen weit darüber hinaus.

Nele Neuhaus hat sich ein wahrlich beängstigendes Szenario ausgedacht, das zu schrecklichen Morden führt. Diesen Schrecken kombiniert sie effektiv mit dem ständig wachsenden Druck auf die Polizisten und immer neuen Wendungen in der Ermittlungsarbeit. "Die Lebenden und die Toten" ist ein spannender und atmosphärisch dichter Krimi, der zwar mitunter etwas konstruiert wirkt, aber bis ganz zum Schluss die Spannung aufrechterhält.

- Nele Neuhaus: Die Lebenden und die Toten. Ullstein Verlag, Berlin, 554 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-550-08054-8.