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Kabarett-Premiere Alle Syrer nach Schnöggersburg

Die Kabarettisten Goetz und Hengstmann setzen sich im neuen Programm mit der Flüchtlingskrise auseinander. Das Publikum amüsierte sich.

Von Claudia Klupsch 04.10.2015, 23:01

Magdeburg l Wohin mit den Flüchtlingen? Bernd Kurt Goetz und Frank Hengstmann haben die Lösung – bissig-satirisch, wie sich das für freches politisches Kabarett gehört. Am Donnerstag hatte ihr neues Programm „Lerne klagen, ohne zu leiden“ Premiere in der Kabarettkneipe „... nach Hengstmanns“. Fürs Publikum gab´s nichts zu klagen, dafür allerhand Lacher und Denkanstöße.

Seit 20 Jahren stehen die beiden Bühnenhaudegen Goetz und Hengstmann gemeinsam auf der Bühne. Angelegt ist auch ihre neue Show als Streitgespräch eines Duos, das sich nervt, beschimpft, sich gegenseitig mit Erklärungen zutextet, um sich dann trotzdem gezielt misszuverstehen.

Der eine spricht den anderen provokativ mit „Mötz“ (statt Goetz) an, der andere verbessert zelebrierte Grammatikfehler seines Kollegen. Ihren Zuhörern prasseln witzige Dialoge, Wortspielereien und Pointen nur so um die Ohren. Das hält die Hirnwindungen im Arbeitsmodus und amüsiert prächtig. Für die Wort-Bombardements sei dann auch der Kampfmittelbeseitigungsdienst zu alamieren, empfehlen die Protagonisten respektive Propagandisten.

Zu klagen habe die Gesellschaft genug. Bundesinnenminister „Thomas, die Misere“ nehmen die beiden Kaberettisten aufs Korn, ebenso wie seinen Kabinettskollegen, den „gedankenschwangeren“ und deshalb korpulenten Sigmar Gabriel. Die definierte Steigerungsformel ist Feind, Erzfeind, Koalitionspartner. Goetz und Hengstmann erfreuen selbstverständlich auch mit musikalischen Darbietungen. Der eine mimt mit rotem Künstlerschal und Brille den Kammersänger, um dann vom anderen inbrünstig übertönt zu werden. Sie besingen den legendären Maschendrahtzaun oder den schmierigen Advokaten, der alle mit Klagen überzieht. Mozarts „PKK-Marsch“ (den Türkischen Marsch) lässt Hengstmann gekonnt in schiefen Tönen erklingen, um von ­Goetz den Spruch zu bekommen: „Das so in Wien gespielt und dort, wo´s am meisten routiert, ist Mozarts Grab gefunden.“

Klug erobern sich die beiden Polit-Satiriker das alles beherrschende Thema Flüchtlinge und lassen es in ihrem Programm dominieren. Schnöggersburg ist die Lösung! Alle Flüchtlinge dorthin! Die Übungsstadt der Bundeswehr sei für 100 Millionen Euro in der Colbitz-Letzlinger Heide erbaut worden und mit seinen 500 Häusern ideal für die Leute aus Syrien. Fürs richtige Krieg-Üben fehlten bisher die Menschen. „Flüchtlinge fühlen sich doch dort wie zu Hause. Die sind doch an die Ballerei gewöhnt.“ Bitterböse Satire, Lachen erlaubt, aber im Halse steckenzubleiben. Goetz­ und Hengstmann steigern sich mehr und mehr. Nach eher kopflastig-schwerfälligem Beginn entwickelt sich intelligentes politisches Kabarett, gut arrangiert von den Regisseuren Tobias und Sebastian Hengstmann. Stark ist die Szene im Bus, in der gängige Meinungen über die Flüchtlingskrise auf die Schippe genommen werden. Der Satz „Wenn man politisch unsicher ist, sollte man sein Bier zu Hause trinken“ erntet Spontanbeifall des kabarettkundigen Publikums.

Satirisch aufgespießt werden der Asylbewerber-„Streichelzoo“ und das Gebaren der Wirtschaft, sich die „Asylrosinen“ herauszusuchen. „Ali aus Mali, ein Neger nur, hat nicht mal Abitur“ sieht da keinen Stich und wird zurückgeschickt. Wenn sich der ägyptische Arzt im Dorf niederlasse, müsse die alternde Landbevölkerung Arabisch lernen. „Das schützt vor Demenz.“ Bittere Wahrheit ist kritisch mittels bösem Gleichnis verpackt: „Asylanten sind wie Atommüll. Keiner will sie endlagern.“

Abschließende Krönung des Programms ist der Auftritt von Manni und Hartmut, Hengstmann in seiner Paraderolle des Ur-Machteburjers und Goetz als vogtländischer Schluchtengrufti. Zwei Komiker sind aufeinander losgelassen und bieten ulkiges Amüsement in den schönsten Mundarten, die Ostdeutschland hervorgebracht hat. Ihr Vorschlag: Rollatoren für Polizisten und dazugehörige Helmpflicht. Dann seien die Beschützer fortschreitenden Lebensalters bestens gerüstet für den Einsatz gegen Hooligans und Nazis.

Am Ende gibt es viel Beifall für ein hochaktuelles Kabarettprogramm mit klugen Texten und einem bestens aufgelegten Duo. Einige Sätze könnten es ins Zitatenbuch schaffen, so etwa dieser: „Die guten Alten sind die, die rechtzeitig im Grab erkalten.“