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Kampfkunst Vier Elemente für ein Lebensgefühl

Typisch für Brasilien ist der Sport Capoeira, eine Art Kampf-Tanz. Er wird auch in der Magdeburger Uni-Sporthalle trainiert.

Von Klaus-Peter Voigt 04.08.2016, 23:01

Magdeburg l Es ist wie das Eintauchen in eine fremde Welt. Die Sportler stehen im Kreis, der auf Portugiesisch Roda heißt. Trommelschläge hallen durch den Raum, kraftvoll schlagen klatschende Hände den Takt. Es wird gesungen. Immer zwei der Akteure begeben sich zu brasilianischen Rhythmen in die Mitte, tanzen und kämpfen. Die Capoeiristas weichen einander aus, ducken sich, springen in kreisenden Bewegungen, führen eher einen Dialog als dass sie tatsächlich kämpfen. Je mehr sich das Training dem Ende nähert, umso schneller werden Musik und Gesang. Jeder gibt noch einmal sein Bestes, bringt den Körper an die Leistungsgrenze.

Harald Kästner gehört zu den begeisterten Anhängern des Capoeira. In Sachsen-Anhalt gibt es nach seinem Wissen zwei Gruppen, die unterschiedlichen Schulen angehören. Die Magdeburger UNICAR setzt auf mehrere Trainingsebenen, sagt der 38-Jährige. Studenten haben im Rahmen des Hochschulsports die Möglichkeit, die Kampfkunst zu erlernen. Wer von ihnen durchhält und Gefallen an der körperlichen Herausforderung findet, der bleibt oft nach dem Studium dem Capoeira treu, sucht nach einem Ortwechsel Kontakt zu einem der zahlreichen Vereine in Deutschland. Schon allein deshalb gibt es inzwischen Angebote des Elbestädter Universitätssportclubs für Nichtstudenten und Kinder.

Kästner schwärmt bei seinen Erläuterungen, was Capoeira eigentlich prägt. Die harmonische Verbindung von Technik und Kampf mit Tanz und Musik übe etwas Faszinierendes aus. „Diese vier Elemente gehören zusammen, machen das Lebensgefühl aus, sind eigentlich eine Lebensphilosophie“, sagt er. Dazu kommen Grundbegriffe des Portugiesischen, die für das Verständnis notwendig seien. Die Geschichte der Sportart geht in die Kolonialzeit in Brasilien zurück. Aus Afrika verschleppte Sklaven sollen sie seit dem 18. Jahrhundert praktiziert und weiterentwickelt haben.

Das mag auch eine der Ursachen dafür sein, dass die Capoeiristas bis heute eine verschworene Gemeinschaft bilden, schätzt der Grafikdesigner ein, der bereits als Student seine Liebe für die Kampfkunst entdeckte. „Wir sind wie eine große Familie. Gegenseitige Besuche, gemeinsame Unternehmungen gehören ebenso dazu wie die Unterstützung der Gruppenmitglieder beispielsweise bei einem Umzug“, berichtet Harald Kästner. Aranha ist sein Capoeira-Name, der aus dem Portugiesischen übersetzt Spinne lautet. Solche Namen bekommen die Sportler nach Abschluss ihrer „Grundausbildung“ während einer Taufe verliehen.

Auch Aileen Hartwig kam während ihres Psychologiestudiums zur brasilianischen Kampfkunst. Mit dem Berufsstart ließ sie das Training erst einmal Training sein. Die Begeisterung für den Sport konnte sie jedoch nicht unterdrücken. Seit drei Jahren steht sie wieder im Roda und engagiert sich vielfältig für die Gruppe, kümmert sich nicht nur um die Finanzen, sondern auch um Workshops in Magdeburg. Zum Treffen von Capoeiristas im Herbst vergangenen Jahres kamen mehr als 100 Gäste aus ganz Deutschland, aber auch aus Polen und Großbritannien.

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