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Magdeburgische Philharmonie mit Chorsinfonik / Beethoven gelingt den Sängern besser als der Brite Williams Chöre voller Poesie und Klassik

Von Ulrike Löhr 31.03.2014, 01:24

Magdeburg l Chorsinfonik steht leider viel zu selten auf dem Programm eines Opernhauses. Deshalb waren die Erwartungen an das Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie groß. Der 1. Kapellmeister Michael Balke leitete den Abend mit Philharmonie, Opernchor und Magdeburger Singakademie in beeindruckender Ausgeglichenheit. Zudem gastierte der italienische Pianist Emanuele Arciuli mit der Beethoven-Chorfantasie.

Eingangs erklang britische Nationalmusik - Ralph Vaughan Williams poesievolle Gedichtvertonung "Toward the Unknown Region" ("In das unbekannte Land") von Walt Whitman. Das Orchester gab eine hervorragende atmosphärische Charakterisierung vor, der Chor griff zwar ob des inhaltlich Unbekannten das zögernde Musikverhalten auf, dennoch kamen die Einsätze undefiniert und eher unsicher. Erst beim subtilen Aufblühen der Gedanken in der Musik legte der Chor an Ausdruck zu. Der Alt stach dabei klanglich gut hervor.

Das Orchester beherrscht Sinfonik wie auch Kammerspiel

Mehr zu Hause fühlten sich die Sänger offenbar bei Ludwig van Beethovens Chorfantasie c-Moll, mit der Beethoven bereits auf sein Chorfinale der IX. Sinfonie vorauswies. Die Chorfantasie ist eigentlich ein verkapptes Klavierkonzert mit Gesangssoli und Chor. Den herausfordernden Klavierpart übernahm der vielseitige italienische Pianist Emanuele Arciuli. Die längere solistische Einleitung hatte zwar noch nicht viel mit Fantasie zu tun, Arciuli spielte sie etwas mechanisch und treibend. Allerdings lagen später seine Stärken in den ruhigen sensiblen Passagen.

Das Orchester verdient Komplimente für ein Gestaltungsbild, das warme Sinfonik und konzertantes Kammerspiel beherrscht. Brillant waren die Flötensoli, die Oboen-Duette oder Klarinetten-Fagott-Soli, Streichertrio oder auch die vollen Orchesterparts - und über allem noch die menschliche Stimme. Sechs Gesangssolisten aus dem Sängerensemble des Hauses hatten ein kurzes Intermezzo. Hale Soner, Teresa Sedlmair, Lucia Cervoni, Chan Young Lee, Rossen Takorov und Johannes Stermann sangen diese Freudenmelodie sehr kultiviert, allerdings ist sie von der Position aus hinter dem Orchester und vor dem Chor im Ganzen etwas verschwunden.

Der Chor freute sich wahrlich auf den Freudentaumel, bei dem er eine schöne Einigkeit zeigte, bis auf die Sopranstimmen, die zu viel Kraft aufwendeten und sich klanglich dabei nicht guttaten. Das Publikum feierte begeistert den gastierenden Klaviersolisten und die Magdeburger Musiker und Sänger.

Das chorsinfonische Erbe Beethovens hat auch Dmitri Schostakowitsch angetreten. In vier seiner Sinfonien verband er den Orchesterklang mit der menschlichen Stimme. Doch zum Abschluss des Konzertabends erklang dessen 10. Sinfonie e-Moll ohne Chor. Seine 10. ist autobiografisches Zeugnis aus schwerer Zeit, 1953 im Todesjahr Stalins von Trauer und Klage geprägt.

Trotz Lippenbekenntnissen nach außen - was Schostakowitsch wirklich dachte, vertraute er seiner Musik an. Die Celli in tiefen Lagen stimmten die grüblerische Einleitung an, vier Hörner vehement in fortissimo (im Schlusssatz ging da noch mehr!!). Doch die klagende Klarinette, Flöte und Violinen in tiefen Registern bauten Spannung auf.

Fast grelle Oboen und eng beieinander geführte Streicher mit sehr sonoren Bratschen erzeugten eine Erregung, die im Kämpferischen und Grotesken mit fünf Schlagwerkern im kurzen zweiten Satz mündete. Schließlich wurden die fortefortissimo Hornrufe durch Tuttischläge gestört, lamentierende und kommentierende Violin-, Oboen-, Englischhorn- und Fagottsoli und stringente Rhythmen bereiteten eine scheinbare Gelöstheit mit starkem Blech im Finale vor. Michael Balke hatte mit seinem Dirigat die Zügel zwischen den Brüchen gut in der Hand, um plastisch und dynamisch gestalten zu können. Dafür bekamen er und die Magdeburgische Philharmonie sehr zu Recht Bravos und Applaus.