1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Puppenlos in die Nacht

Theater-Experiment mit Walter Moers Puppenlos in die Nacht

10.02.2015, 01:30

Das Puppentheater Magdeburg gilt als innovativ. Jetzt kommt ein Stück auf die Bühne ohne Puppen, dafür mit Hörspiel und Videoprojektionen. Was ist das für ein Theater-Experiment? Grit Warnat beleuchtet vor der Premiere von "Die wilde Reise durch die Nacht" einzelne Sequenzen.

Das Buch
Der deutsche Schriftsteller und erfolgreiche Zeichner Walter Moers, bekannt für seine Entdeckungsreisen durch die Fantasie-Welt Zamoniens, "Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär" und das "Kleine Arschloch", hat viele Bücher von sich selbst illustriert. "Die wilde Reise durch die Nacht" allerdings nicht. Mit dem Roman erinnert er an den fast in Vergessenheit geratenen Illustrator Gustave Doré (geboren 1832 in Straßburg, gestorben 1883 in Paris). Das Buch enthält Holzstiche des französischen Künstlers, der auch die Hauptfigur ist. Moers illustrierte Gustaves fantastische Reise anhand von 21 ihn beeindruckenden Bildern aus dem großen Werk von Gustave Doré.

Das Stück
Wie Moers beschäftigt sich auch die Inszenierung mit dem Leben des Künstlers. Die Bühnenfassung stammt von Tim Sandweg. In Walter Moers Buch ist Gustave Doré ein zwölfjähriger Junge, der ein großer Zeichner werden möchte. Der Tod schließt mit ihm eine Wette ab: Gustave soll in einer Nacht sechs Aufgaben lösen. Auf der Magdeburger Bühne erlebt man Doré als einen Mann, der im Sterben liegt und am Ende seines Lebens auf sein künstlerisches Schaffen zurückblickt. Aber der Protagonist ist nicht bereit zu sterben. Er hat seine Bilder im Kopf, dazu entstehen Geschichten, die ihn immer weiterleben lassen.

Der Regisseur
Nis Søgaard, 1975 in Kopenhagen geboren, arbeitet als freier Puppenspieler, Regisseur und Komponist. Er gehörte ab 2004 zum Ensemble des Puppentheaters Magdeburg und begann zu inszenieren. In Magdeburg führte er unter anderem Regie für das preisgekrönte Stück "Reineke Fuchs", das Sommerspektakel "Die Olsenbande dreht durch", "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" und das wortlose "Der kleine Onkel". Die Inszenierung des Moers-Stückes nennt Søgaard eine Herausforderung. "Ich muss viel improvisieren."

Die Bühne
Es gibt Instrumente, Kisten mit Geräuschobjekten und eine Projektionswand. An einer Seite steht ein Videotisch, über den die Vorlagen von Gustave Doré - auch zerschnitten, verändert und neu zusammengesetzt - live auf die Bühnenleinwand gebracht werden. Bilder und Geschichten entstehen durch Videosequenzen. Der Raum des Geschehens ist abstrakt, wie ein Labor, hier spielen sich die Bilder ab - wie vielleicht einst im Gehirn von Gustave Doré.

Das Hörspiel
Der Regisseur setzt auf Geräuschtheater. Durch Geräusche, durch Musik sollen Atmosphären und Räume geschaffen werden. Blätterrauschen zum Beispiel, lebende Natur. Durch Sprache und durch Musik sollen Bilder im Kopf des Zuschauers entstehen. Im Stück gibt es keine Puppen, auf die der Zuschauer sich stark fokussieren kann. Søgaard sagt: "Der Tod ist ein Gefühl. Er braucht keine Puppe."

Der Zuschauer
Den Besucher erwartet ohne Zweifel eine innovative, experimentierfreudige Arbeit, die viele Freiräume zur persönlichen Interpretation lassen soll. Der Zuschauer bekomme keineswegs alles geliefert, erst recht nicht alles erklärt, so Søgaard. Das Stück sei - wie es im Titel auch heißt - eine wilde Reise. Für den Regisseur geht es vor allem um die Angst vor dem Sterben. "Die kann man nicht erklären, die muss man fühlen."

Der Schluss
Gustave Doré wird sagen: "Ich weiß jetzt, ich werde sterben, aber eigentlich bin ich unsterblich, weil ich weiß, dass ich etwas geschaffen habe." Er hinterlässt der Nachwelt seine großartigen Bilder. Jeder hinterlässt etwas, sagt Nis Søgaard. Kinder oder ein gebautes Haus, ein geschriebenes Buch oder ein gemaltes Bild. Wieder Raum für Interpretationen.