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Ausstellung im Literaturhaus Magdeburg Starke grafische Beziehung zur Schwesterkunst Literatur

30.03.2011, 04:29

Das Magdeburger Literaturhaus widmet in der Reihe "Doppelbegabungen" dem Künstler Joachim John eine Ausstellung. Sie ist bis zum 29. April zu sehen.

Von Jörg-Heiko Bruns

Magdeburg. Unbekannt ist der zur Berliner Kunstszene zählende und in Mecklenburg lebende Zeichner, Grafiker und Schriftsteller Joachim John in Magdeburg nicht. Er hat hier schon früh und des Öfteren seine Arbeiten gezeigt und war an zwei der Magdeburger Grafikmappen beteiligt. Er zählt zweifelsfrei zu den größten Zeichnern, die in Deutschland zu finden sind. Überdies fuhr er in seiner Jugend von Zerbst aus für den Magdeburger Sportclub Aufbau Börde, in dem auch "Täve" Schur trainierte, Radrennen. Seit Beginn der 1990er Jahre trat er nun auch vermehrt als Verfasser mehrerer Bücher und Hörspiele hervor.

"Doppelbegabungen" heißt die Reihe der Magdeburger Pirckheimer, die sie gemeinsam mit dem Verein des Literaturhauses initiiert haben. Da kommt ihnen Joachim John gerade recht. Er hatte schon immer starke grafische Beziehungen zur Schwesterkunst Literatur, wie nicht nur seine ausgestellte Aquatinta-Radierung "Brot und Wein" von 1979 für den Dichter Erich Arendt belegt. Und nun verfasst er selbst auch noch Literatur. Und natürlich handelt es sich in der Ausstellung ausnahmslos um Blätter zur Literatur, darunter vier wunderbare Porträts von Christoph Martin Wieland.

In zehn aquarellierten Radierungen und einem gezeichneten Titelblatt von 1992 setzt er sich mit Giacomo Leopardis "Der Froschmäusekrieg und seine Folgen" auseinander. In dem Blatt "Die Vielfalt" triumphiert die (deutsche) Zipfelmütze eingebettet in eine idyllische Landschaft mit Pyramiden und Palmen über fliehendem Getier und schnappenden Krokodilen. In feinsinnig radierten Blättern, an deren Schluss die Natur alles wegspült, kommt der Moralist John zum Tragen. Dies auch, wenn zwischen den sich bekriegenden Mäusen und Fröschen die Krebse als Ordnungsmacht erscheinen.

Gemeint ist natürlich immer die Menschheit, über deren Schicksal sich John schon sehr früh in seinen Arbeiten sehr engagiert so seine Gedanken machte. Kein Wunder, dass es zu diesem Thema noch eine Arbeit von 1995 gibt, die der Künstler "Frösche und Mäuse in den Köpfen der Menschen" nennt. Sie entstand während des Jugoslawienkrieges der NATO.

Den Gedanken des Künstlers, die zuweilen in recht skurrilen Bildern ihren Ausdruck finden, kommt solche Literatur wie Franz Kafkas "Die Verwandlung" sehr entgegen. Es sind die acht jüngsten Arbeiten von John, die er 2011 zeichnete. In der bekannten Erzählung verwandelt sich Gregor in einen Käfer und versucht bald heftig strampelnd, auf dem Rücken liegend, die Situation zu ändern und muss doch schließlich sterben. Eigentlich soll bei Kafka das Bild vom Käfer Ekel erregen, John gelingt es jedoch mit seinen dramatischen Zeichnungen, den Betrachter mindestens zu Mitgefühl zu überreden.

"Ein Propagandist" der Ideen von Dario Fo

Joachim John ist im Geiste verwandt nicht nur mit seinen Lehrern und wichtigen Freunden, dem italienische Maler Gabriele Mucchi und dem deutschen Bildhauer Fritz Cremer, sondern auch mit dem Werk und der Person des italienischen Schauspielers und Regisseurs Dario Fo, der als der bedeutendste Vertreter der Commedia dell’ arte der Gegenwart gilt und später für sein unglaublich volkstümliches Werk mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde. John ist so etwas wie "ein Propagandist seiner Ideen".

Da John in seinen kritischen Darstellungen nur selten zum Sarkasmus neigt, kommt ihm das Theatralische und wirklich Komische der Commedia dell‘ arte sehr entgegen. In 13 Federzeichnungen und zwei Titelblättern begibt er sich ins Fahrwasser einer dieser "alten Zoten", wie er die Komödie nennt. Das Stück "Mandragola" von Niccolò Machiavelli dient als anregende Vorlage. Und eigentlich ist es auch wieder ein politisches, wenn auch sehr lustiges, Stück, das sich gegen Dummheit, moralische Fragwürdigkeiten und religiöse Heuchelei wendet. Ein Jüngling verliebt sich in eine verheiratete Frau und erobert sie mit Hilfe von Intrigen und Raffinessen. Bei John heißt es lakonisch zu einer Zeichnung "… es klappt und der impotente Gatte schiebt noch mal mit".

Gefragt, warum er über tausend solcher Blätter zur Commedia zeichne, antwortete John: "Um mir die Zeit zu vertreiben. Zur Unterhaltung. Ich befinde mich dabei sehr billig im Theater." Dieses Vergnügen teilt er gern mit den Betrachtern seiner Arbeiten ebenso wie am Eröffnungsabend, als er aus seinen skurrilen Geschichten las und mit viel Beifall bedacht wurde.