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Der Graf im Interview vor der "Lichter der Stadt"-Tour und dem Auftritt in Magdeburg "Unheilig-Musik ist wie eine Döner-Pizza"

15.06.2012, 03:17

Der Graf und Unheilig gehen ab 30. Juni auf Sommertournee. "Lichter der Stadt" ist sie überschrieben - so wie das neue Album. Im Interview mit Grit Warnat spricht der Sänger von Unheilig über seine Musik, Erfolgsdruck und sein Outfit.

Volksstimme: Sie nennen sich Der Graf. Man weiß, Ihre Band kommt aus Aachen, mehr eigentlich nicht. Kein Name, kein Alter. Warum spielen Sie mit dem Unbekannten?

Der Graf: Ich trage mein Privatleben nicht in die Öffentlichkeit. Es gehört dort nicht hin. Aus dem Grund habe ich mir auch den Künstlernamen ausgesucht. Damit ziehe ich eine ganz klare Grenze. Als Graf bin ich als Musiker unterwegs, dann kann man mich mit Haut und Haaren knuddeln und Fotos machen. Aber privat lebe ich sehr zurückgezogen.

Volksstimme: Ihr neues Album ist aber sehr persönlich. Sie erinnern sich an Ihre Kindheit, an Freunde, besingen die Großstadt. Warum geben Sie dann musikalisch recht viel von sich preis?

"Ich kam mir damals vor wie ein kleiner Junge vom Lande, der in die Großstadt kommt"

Der Graf: Meine Musik ist ein Spiegelbild meiner eigenen Seele. Das ist mir als Musiker wichtig. Aber ich kann immer selbst entscheiden, was und wieviel ich von mir erzähle. Wer mich kennenlernen möchte, muss nur meine Musik hören.

Volksstimme: Das Album "Lichter der Stadt" kam im März auf den Markt. Es landete sofort an der Chartspitze. Macht Ihnen das manchmal Angst?

Der Graf: Der Erfolg kam 2010 sehr überraschend und wurde in den vergangenen beiden Jahren größer und größer und größer. Ich hatte zwar schon zehn Jahre Musik gemacht, aber damit nicht gerechnet. Es braucht Zeit, das alles zu realisieren. Ich war ja nur noch unterwegs. Interviews, Fernsehauftritte, Preisverleihung, roter Teppich. Ich kam mir damals vor wie ein kleiner Junge vom Lande, der in die Großstadt kommt und für den plötzlich alles neu, groß, ungewohnt ist. Mit dem Album "Lichter der Stadt" habe ich versucht, all das zu verarbeiten, was da um mich herum passiert. Es war gut, dass ich meine Musik hatte. Wenn wir unterwegs waren, und das war oft, hatte ich ein kleines Studio aufgebaut und mir alles von der Seele geschrieben. Deshalb ist das Album eine Art musikalischer Rückblick auf die vergangenen beiden Jahre.

Volksstimme: Im Lied "Tage wie Gold" besingen Sie die besten Jahre, die beste Zeit. Sind es jetzt Ihre besten Jahre?

Der Graf: Ja, mir ist bewusst geworden, dass das, was da gerade passiert, meine beste Zeit als Musiker ist. Ich habe immer davon geträumt, einmal auf Augenhöhe zu sein mit Musikern, die bekannt sind. Das war von kleinauf mein Traum, mein Ziel. Ich bin zur Bundeswehr gegangen, um als Zeitsoldat Geld zu verdienen, weil ich mir ein kleines Studio einrichten wollte. Der Song "Tage wie Gold" ist ein Spiegel von dem Erfolg an sich.

"Man muss sich zurücklehnen können und versuchen, alles sacken zu lassen."

Volksstimme: Der große Chor in diesem Lied sind Unheilig-Fans.

Der Graf: Ja. Wir haben das bei der letzten Tour aufgenommen. Zum Lied, das vom großen Erfolg handelt, gehören die Fans dazu. Schließlich ermöglichen sie das alles erst.

Volksstimme: Welcher Druck geht von all dem aus, wenn man ein neues Album auf den Markt bringt?

Der Graf: Nicht so sehr. Das Album ist ja mit diesem Erfolg entstanden. Ich konnte mich reflektieren und so mit dem Druck und den vielen Veränderungen klarkommen. Das alles hört ja auch nicht auf.

Volksstimme: "Ich lehne mich zurück und genieße dieses Glück" texten Sie im Titelsong. Haben Sie angesichts der neuen CD und der bevorstehenden Tour Zeit zum Genießen?

Der Graf: Ja, ganz oft. Ich bin ein Familienmensch, auch wenn das Privatleben Luxus geworden ist. Aber wenn ich zu Hause bin, genieße ich das sehr. Und wenn ich unterwegs bin, gibt es oft Augenblicke, in denen ich einfach stehenbleibe und nach hinten schaue, nachdenke, wo ich herkomme, und nach vorne blicke und nachsinne, was noch vor einem liegen könnte. "Lichter der der Stadt" handelt ja auch davon, mal über den Dingen zu stehen, weil man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Man muss sich zurücklehnen können und versuchen, alles sacken zu lassen. Das ist wichtig und nötig.

Volksstimme: Die Unheilig-Ursprünge liegen in der Gothic-Szene. Die Fangemeinde ist ja mittlerweile viel größer geworden. Sie sind bei Carmen Nebel aufgetreten, was Ihnen auch Kritik einbrachte. Was sagen Sie zu solcher Kritik?

"Wenn eine Einladung vom Musikantenstadl käme, würde ich die auch annehmen."

Der Graf: Ich leugne diese Wurzeln von Unheilig nicht. Ich komme daher und auf den Gothic-Festivals waren die ersten Menschen, die meine Musik gut fanden. Natürlich habe ich mich weiterentwickelt. Ich mache seit Jahren Musik für alle Menschen. Und um sie zu erreichen, nehme ich ebenso eine Einladung von Carmen Nebel an und wie auch einen Auftitt auf dem Festival in Wacken. Ich genieße ja auch diese Aufmerksamkeit. Wie arrogant wäre ich denn, zu sagen, ich gehe nicht zu Carmen Nebel. Wieso sollte ich dort nicht singen? Ich will meine Musik den Leuten präsentieren. Und wenn eine Einladung vom Musikanenstadl käme, würde ich die auch annehmen

Volksstimme: Dahin würde Ihre Stilrichtung aber nicht so recht passen. Wie beschreiben Sie die eigentlich?

Der Graf: Es ist ein Spiegel von meinem eigenen musikalischen Geschmack. Ich höre alles, außer Marschmusik. Die Unheilig-Musik ist wie eine große Döner-Pizza von allen Musikstilen, die ich selbst gut finde. Es ist eine Pizza, auf die du alles drauftust, was lecker schmeckt. Das mag komisch aussehen, aber wenn man es probiert, schmeckt\'s lecker.

Volksstimme: Sie sind auf der Bühne der Graf, der Mann mit Gehrock. Wenn man Ihnen auf der Straße begegnet, wie würde man sie da erleben?

Der Graf: Ganz normal. Wenn es warm ist mit kurzer Hose und T-Shirt. Ich bin ein ganz normaler Typ und lebe auch privat nicht anders als meine Nachbarn.

Konzert am 6. Juli im Elbauenpark Magdeburg, Karten gibt es in den Volksstimme-Servicecentern und über die biber-ticket-Hotline 01805/121310 (0,14 Euro/Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunkf bis zu 42 Cent pro Minute)