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Popmusik Geheimrezept Muttersprache

Mit deutscher Sprache an die Spitze der Charts. Warum das so gut geht, zeigen immer mehr Bands.

Von Emily Engels 21.02.2017, 00:01

New York/Berlin l Auf der dunklen Bühne sprühen im Hintergrund Feuerfunken. Knapp 20.000 Menschen beginnen zu jubeln, noch bevor sie die Bandmitglieder von Rammstein sehen oder hören können. Als Frontmann Till Lindemann zu singen beginnt, grölt die Masse in der Muttersprache der Band mit: auf Deutsch. Das New Yorker Publikum liegt der Band aus Berlin schon jetzt zu Füßen. Das bestätigen auch die Verkaufszahlen: Nach nur 20 Minuten Vorverkaufsbeginn ist ihr Debüt-Konzert im Madison Square Garden im Jahr 2010 ausverkauft.

Warum die Musiker von Rammstein mit ihrer martialischen Musik und den starken Rhythmen so erfolgreich sind, probierte der österreichische Regisseur Hannes Rossacher fünf Jahre nach ihrem großen Auftritt in New York mit der Arte-Dokumentation "Rammstein in Amerika" zu erklären. In der Dokumentation kommt unter anderem der US-Schauspieler Kiefer Sutherland zu Wort. Er glaubt, dass das "Phänomen Rammstein" mit der Authentizität der Band zu tun hat. "Wer seinen Stil hat und dem treu bleibt, wird auf der ganzen Welt verstanden - egal auf welcher Sprache", sagt er in dem Film.

Kristof Hinz, Studiengangssprecher für Populäre Musik an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, unterstreicht diese Aussage. "Rammstein war in Amerika vollkommen neuartig. Das hat die Band für die Amerikaner so spannend gemacht", erklärt er.  Der deutschsprachige Text habe die Songs darüber hinaus interessant gemacht. So meint Hinz: "Die deutsche Sprache passt hier einfach zum Musikstil." Bei Nena sei es ein ähnliches Phänomen. Obwohl es von einem ihrer berühmtesten Hits 99 Luftballons eine deutsche und englische Version gab, landete in den USA die Version in ihrer Muttersprache auf Platz zwei der Charts.

Mit der Muttersprache auf die Spitze der Charts hat es auch Sarah Lewe unter dem Künstlernamen Sarah Connor geschafft. Die deutsche Pop- und Soulmusik-Sängerin hat lange Zeit auf Englisch gesungen und dann 2015 mit ihrem neuen Album "Muttersprache" eine neue Richtung eingeschlagen. Denn in dem Album singt sie ausschließlich deutschsprachige Lieder. Bei ihren Fans kommt der Sprachwechsel gut an - in den offiziellen Deutschen Album Charts steigt sie schnell auf Platz eins.

Für den Popmusikexperten Kristof Hinz ist Sarah Connor ein Beispiel für eine Tendenz, die sich immer stärker ausprägt. "Derzeit ist es definitiv total in Mode, in der Muttersprache zu singen", sagt er. Gekommen sei dies etwa durch die "neue Neue Deutsche Welle", wie Hinz sie nennt. "Wenn eine Plattenfirma merkt, dass ein deutsches Album Erfolg hatte, ziehen die anderen gerne nach", erklärt er den Trend.

Bei der Magdeburger Band Tokio Hotel wurde aus einem Trend ein regelrechter Hype. Die Jungs waren in Japan so beliebt, dass sie den Hit "Durch den Monsun" auch auf Japanisch aufnahmen. Wäre gar nicht nötig gewesen. Denn die Fans aus Japan waren von ihren deutschen Songs gleichermaßen begeistert. Schlechter lief es bei dem Comeback von Tokio Hotel. Während sie früher noch jeden Song - wie etwa "Schrei" - auf Englisch und auf Deutsch aufgenommen haben, setzen die Jungs seit 2014 ausschließlich auf die englische Sprache. Auf "Kings of Suburbia" und dem für dieses Jahr geplanten neuen Album "Dream Machine" sind von Tokio Hotel keine deutschen Lieder mehr zu hören. Mit der Umstellung auf Englisch bleibt auch der Erfolg aus. Ein Zufall?

"Wie in der Mode können sich auch in der Musik Trends schnell wieder ändern", meint Kristof Hinz. Trotzdem ist der Popmusik-Experte vom Erfolg der Muttersprache überzeugt und korrigiert sich ein wenig. "Deutsch wurde mittlerweile in der populären Musik so gut angenommen, dass es eigentlich viel mehr als nur Mode geworden ist", erklärt er und bekräftigt: "So ganz out wird das Singen auf Deutsch wahrscheinlich nie wieder sein."