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Fondation Beyeler Claude Monet als Wegbereiter der Moderne

Der Impressionist Claude Monet wird mit seinen Variationen von Licht, Schatten und Spiegelungen im Wasser zum Wegbereiter der Moderne. Welchen Stimmungen des wahren Lebens spürt er nach? Die Fondation Beyeler geht auf Spurensuche.

Von Christiane Oelrich, dpa 22.01.2017, 13:46

Basel (dpa) - Ganz in Künstler-Manier hat Philippe Piguet einen blauen Pullover über seine dunkle Anzugjacke geworfen. Er steht schwärmend vor Claude Monets Werk "In der Barke" von 1887.

"Meine Großmutter", sagt er und deutet auf eine der jungen Frauen im Boot. "Das ist mein absolutes Lieblingsbild in dieser Ausstellung. Ich habe selbst als Kind so oft an diesem Fluss in Giverny gespielt."

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel widmet dem Impressionisten (1840-1926) eine Ausstellung unter neuem Blickwinkel. "Licht, Schatten und Reflexionen" zeigt Monet als Wegbereiter der Moderne. 15 der 60 Werke stammen aus Privatsammlungen und sind selten öffentlich zu sehen. Selbst Monet-Spezialist Piguet hat neue Werke entdeckt.

Die junge Frau im Boot ist Germaine, eines von sechs Kindern der zweiten Frau Monets, Alice Hoschedé. Sie wurde Monets zweite Frau, lebte mit ihm, seinen beiden Söhnen und ihren Kindern später lange Jahre in Giverny bei Paris. Am dortigen Seerosenteich entstanden viele der berühmtesten Monet-Bilder.

Piguet, Jahrgang 1946, ist nach eigenen Angaben der einzige noch lebende Nachfahre aus der Patchwork-Familie. Er macht das Leben in Giverny nach den Erzählungen der Großmutter lebendig: "Sie musste immer frühzeitig aus der Schule kommen, weil im Hause Monet pünktlich um 11.30 Uhr am Mittagstisch gesessen werden musste", sagt er.

Die Ausstellung konzentriert sich auf die mittlere Schaffensphase Monets, von etwa 1880 bis in die frühen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. "Für mich die spannendste Phase, in der er das Tor zur Abstraktion aufstößt", sagt Kurator Ulf Küster. Er verweist auf Monets Spiel mit dem Licht. Im Bild "Kathedrale von Rouen" (1894) aus der hauseigenen Sammlung fängt Monet nicht nur wie in vielen Werken die Morgenstimmung ein. Auch aus dem Inneren der Kirche leuchtet es. Mit den Schatten von Wolken auf dem Meer, von Bäumen auf Feldern zaubert Monet Stimmungsbilder auf die Leinwand.

1880, das war eine Zäsur in Monets Leben. Monet hatte düstere Zeiten durchlebt. Seine Frau Camille war sterbenskrank, das Geld war knapp. Seine Familie hatte bei dem Unternehmer und Sammler Ernest Hoschedé in Vétheuil an der Seine Unterschlupf gefunden. Dort wurden Monet und Hoschedés Frau Alice im Verborgenen ein Liebespaar. "Ich bin absolut angewidert und zermürbt von diesem Dasein, das ich seit so langer Zeit führe", schrieb Monet an seinen Arzt.

Im September 1879 starb Camille. Ernest zog nach Paris. Monet trauerte zwar sehr um Camille, doch war nun auch der Weg für sein Leben mit Alice frei. 1880 bekam er endlich eine Einzelausstellung und verkaufte gut. Das Tauwetter nach dem eisigen Winter 1879/80 hatte ihm die Sujets beschert, die sein Werk bis zum Ende wie ein roter Faden durchziehen sollten: Spiegelungen im Wasser. 

Die Fondation Beyeler zeigt aus der Zeit unter anderem das berühmte Bild mit Eisschollen auf der Seine. Monet verwischt die Horizonte immer öfter, greift Stimmungen auf, will, wie er später in einem Brief an Alice schreibt, "das Unheimliche und Tragische der Landschaft" darstellen - weg vom Impressionismus.

Für Wassily Kandinsky war der Anblick von Monets "Kornschober im Sonnenlicht" (1891) ein Erweckungserlebnis, wie Küster sagt. "Kandinsky erkannte den Schober erst gar nicht, er sah Malerei, nicht nur die Darstellung eines Objekts."

Das Leuchtende, das viele Besucher an Monets Pinselstrich und Farbgebung fasziniert, liegt auch Restaurator Markus Gross am Herzen. Seit Jahren tüftelt er daran, wie er ein Monet-Seerosenbild aus der Sammlung Beyeler von einem Akryl-Firnis befreien kann. Dieser sei wohl in den 80 Jahren aufgesprüht worden, um das Bild zu schützen, meint er. Mit einer Spezialspülung geht's, in Millimeterarbeit, darunter komme die einzigartige Leuchtkraft wieder zum Vorschein, sagt er. Die große Leinwand wird er aber erst nach der Ausstellung in Angriff nehmen.

Piguet sieht den Mann seiner Urgroßmutter in dieser Ausstellung bestens gewürdigt. Er verrät, von wem er sich modisch inspirieren ließ. Piguet holt ein Foto aus dem Familienalbum hervor, mit Monet, wie stets aus dem Ei gepellt, und einem Pullover über den Schultern.

Beyeler zur Monet-Ausstellung