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Fall Finzelberg Von manipulierten Fahrtenbüchern

Ex-Landrat Lothar Finzelberg hätte für private Fahrten mit dem Dienstwagen zahlen müssen. Dazu sei er nicht bereit gewesen, sagt ein Zeuge.

Von Franziska Ellrich 24.05.2016, 13:43

Magdeburg l Der persönliche Fahrer des ehemaligen Landrates Lothar Finzelberg vor Gericht: „Ich bekam die Anweisung, es wie Dienstfahrten aussehen zu lassen.“ Was er damit meint: Bis zur Steuerprüfung im Jahr 2005 notierte der Fahrer ganz offiziell den Ort Hüttermühle, gleichzeitig Wohnort des damaligen Landrates Finzelberg, im Fahrtenbuch, wenn er ihn dort einsammelte oder aber nach Feierabend absetzte. Doch nach der Steuerprüfung sollte Hüttermühle nicht mehr täglich im Fahrtenbuch auftauchen. Und der Fahrer habe von da auf Anweisung des Landrates einen alternativen Ort in der Nähe Genthins eingetragen.

Doch warum der Aufwand? Die Fahrten mit dem Dienstwagen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gelten nicht als Dienstfahrt – und für die private Nutzung des Dienstwagens hätte der Landrat sowohl finanziell aufkommen als auch einen geldwerten Vorteil versteuern müssen. Doch bereits zu seinem Amtsantritt soll Finzelberg gesagt haben: „Ich bezahle für das Auto nicht.“ Daran erinnert sich der damalige Landratsfahrer gestern vor dem Magdeburger Landgericht.

Zwischen 30.000 und 40.000 Kilometern hatten die Dienstwagen des Landrates am Jahresende auf dem Tachometer stehen. Die Modelle während der Amtszeit von Finzelberg wechselten zwischen einem Audi A6, A8 oder einer Mercedes E-Klasse. Wie sah der Alltag des persönlichen Fahrers in diesen edlen Autos aus? Morgens sei der Dienstwagen fast immer aus der Tiefgarage der Genthiner Kreisverwaltung abgeholt worden, dann stieg der damalige Landrat in seinem rund drei Kilometer entfernten Heimatort dazu und die Fahrt ging weiter zum Büro des Landrates in Burg. Doch das nicht immer auf direktem Weg. Denn: Der Fahrer habe an Stelle von Hüttermühle nicht nur andere Orte wie Gladau, Güsen oder Parey ins Fahrentenbuch eingetragen, sondern man habe auch öfter den Umweg über diese Orte in Kauf genommen. Das stellt der Zeuge auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Gerhard Köneke klar.

Für die Verteidigung von Lothar Finzelberg hat das jedoch nichts mit „Manipulation“ zu tun. Da Finzelberg als Landrat für den Zustand der Kreisstraßen verantwortlich gewesen sei, könne er die Fahrten über diese Wege problemlos erklären. Finzelberg meldet sich im Gerichtssaal selbst zu Wort und befragt den Zeugen: „Gab es Gründe, die Bürgermeister zum Beispiel in den Orten Jerichow oder Parey aufzusuchen?“ Der damalige Landratsfahrer verneint das nicht. Jedoch stellt der heute 57-Jährige klar: „Wir sind ja wohl nicht jeden Tag zu einem Bürgermeister gefahren.“

Auch über den Grund, warum der Landrat sich im Jahr 2010 – neun Jahre nach seinem Amtsantritt - von seinem Fahrer getrennt hat, unterscheiden sich die Aussagen. Sein Fahrer erklärt: „In einem Vieraugengespräch hat der Landrat mir klar gemacht, dass er mich nicht mehr braucht, wenn er für den Dienstwagen zuzahlen muss. Das wird ihm dann zu teuer.“ Aus diesem Grund habe der Fahrer sich versetzen lassen. Heute ist er als Hausmeister für den Landkreis tätig. Doch bei Lothar Finzelberg klingt das ganz anders: „Ich wollte mich aufgrund seiner Qualitäten als Fahrer von ihm trennen.“ Der Ex-Landrat zählt einen Unfall, Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie das Überfahren roter Ampeln auf.

Weg vom Anklagepunkt Steuerhinterziehung, hin zum Vorwurf Bestechlichkeit: Finzelberg soll mit seinem Einfluss auf Genehmigungsverfahren die tausenden Tonnen illegal verfüllten Hausmülls in den Tongruben des Landkreises möglich gemacht haben. Inwieweit der Ex-Landrat Druck auf seine Verwaltungsmitarbeiter ausübte, sollt gestern die damalige Sachgebietsleiterin der Abfallbehörde als zweite Zeugin erklären. Die heute 61-Jährige spricht von einer Genehmigung für die Tongruben-Betreiber, die trotz fehlender Stellungnahme zustande kam. Und von einer Diskussion mit dem damaligen Landrat Finzelberg.

Dabei soll es um die verschiedenen Arten des Mülls gegangen sein, die in der Tongrube landen dürfen. Denn die neuen Gesetzmäßigkeiten, unter anderem im Zuge des sogenannten Tongrubenurteils von 2005, machten Veränderungen in der Sonderbetriebszulassung der Tongruben-Betreiber nötig. Nur noch Materialien wie „Boden ohne Schadstoffe“ hätten in den Gruben landen dürfen. Finzelberg habe der Zeugin zufolge für diese neuen Auflagen kein Verständnis gezeigt. Das beweist auch eine E-Mail der damaligen Sachgebietsleiterin, in der sie ihren Vorgesetzten fragt: „Entscheiden wir nach den Vorstellungen des Landrates oder dem Bundes-Bodenschutzgesetz?“

Die Zeugin spricht von einer „turbulenten Zeit“, von zu wenig Personal, um regelmäßig alles zu kontrollieren, von Untersuchungsergebnissen, die bereits 2007 deutlich gemacht haben, dass Stoffe in der Grube gelandet sind, die der Umwelt schaden könnten und von einer darauf folgenden Beratung im Wirtschaftsministerium. Bis heute leidet die Mitarbeiterin des Landkreises gesundheitlich unter den Folgen dieses Skandals. Auch gegen sie wurde ermittelt – wegen Falschaussage vor dem zum Müllskandal eingesetzten Untersuchungsausschuss. Gegen die Zahlung von 5000 Euro wurde das Verfahren eingestellt. Die 61-Jährige hat sich aus der Abfallbehörde versetzen lassen. Die Diskussionen um die Genehmigungen für die Tongruben-Betreiber vor rund zehn Jahren fast sie gegenüber dem Landgericht mit folgenden Worten zusammen: „Ziel war es, die bestehende Sonderbetriebszulassung an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen, doch das hat man nicht geschafft.“