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Finzelberg Rundumschlag im Prozess

Verhandlungstag 33: Überwachte Telefone, die Geschichte der Tongruben, ein Saunaclub für Theeßen und der unter Amnesie leidende Zeuge.

Von Franziska Ellrich 20.09.2016, 07:00

Magdeburg/Möckern l Stundenlang wurden am 33. Verhandlungstag im Prozess gegen Lothar Finzelberg und einen der Tongrubenbetreiber – er soll den Ex-Landrat bestochen haben – Akten verlesen. Darunter interessante Fakten:

Tänzerrinnen, Massageräume, verschiedene Saunen, beleuchteter Pool und Dachterasse mit Ausblick – von all diesen Dingen war die Rede im Bauantrag für einen Saunaclaub nahe der Autobahnabfahrt Theeßen. Unten der Wellnessbereich, oben Zimmer, „um die Kontakte zu intensivieren“, heißt es in dem Antrag. Der Vorsitzende Richter zitiert weiter: „Hochwertige Fliesen, gemütlicher Teppich.“

Zum Bau des Clubs ist es nie gekommen. Unter anderem, weil einer der Unternehmer – der Kronzeuge im Finzelberg-Prozess Uwe S. – überraschend verhaftet wurde. Was der angeklagte Ex-Landrat mit dem Club zu tun hatte? Die Staatsanwaltschaft spricht in einem Beweisantrag davon, dass sich Finzelberg für das Projekt von Uwe S. auffällig stark gemacht habe. Und „persönlich tätig wurde“. Emails dazu spielten jetzt eine Rolle im Prozess. Darin bietet der damalige Landrat den Unternehmern ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorstand an, um nach einer alternativen Fläche für den Bau zu suchen. Da das zuerst angedachte Grundstück nicht genehmigungsfähig ist.

Auf den Saunaclub-Antrag folgt am aktuellen Verhandlungstag ein Urteil, das über den mitangeklagten Tongrubenbetreiber Edgar E. im vergangenen Jahr verhängt wird. Zusammengefasst: Ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung für Steuerhinterziehung in besonders schweren Fall. Insgesamt sollen fünf Millionen Euro von den Tongrubenbetreibern an Uwe S. als Provisionszahlung gegangen sein. Im Urteil wird von „verdeckter Gewinnausschüttung“ gesprochen. Positiv auf das Strafmaß soll sich das ausführliche Geständnis des Angeklagten ausgewirkt haben. Im Prozess gegen ihn und Finzelberg wegen Bestechlichkeit äußert er sich jedoch bis heute nicht.

Wie alles mit den Tongruben, in denen heute der umweltbelastende Müll liegt, begann – auch das sollte im Prozess nochmal eine Rolle spielen. Über den Pferdesport lernte der angeklagte Edgar E. seinem Geständnis zufolge im Sommer 1990 einen Hamburger Unternehmer kennen. Eine enge geschäftliche Zusammenarbeit entsteht, die Ziegelei wird gegründet. Kurze Zeit später sollen die Tongruben im Jerichower Land zurückgekauft werden. Der Hamburger Unternehmer und sein damaliger Geschäftsfreund stellen das Kapital zur Verfügung. Vorerst wird Material in den Gruben abgebaut.

Auch über den Reitsport kommt der heutige Kronzeuge Uwe S. ins Spiel. Ende der 90er Jahre wird der Kontakt intensiver, es soll wöchentliche gemeinsame Abendessen gegeben haben. An so einem Abend schägt Uwe S. eine gegenseitige Beteiligung an der Ziegelei und seinen Autohäusern vor. Einer der Gesellschafter lehnt das ab, Uwe S. bekommt die erste Abfindung in Höhe von einer Million. Zu diesem Zeitpunkt habe die Tongrube noch keine Gewinne erzielt. Das ändert sich jedoch. Später schätzen die Gesellschafter den Wert auf mehr als 80 Millionen. In Edgar E.‘s damaligen Geständnis heißt es: Daraus habe Uwe S. geschlussfolgert, dass ihm eine höhere Abfindung zusteht – weitere vier Millionen fließen.

Jede Menge Geld sollte eigentlich auch für die Aussage des Stefan E. fließen. Der erklärt damals: Er will dabei gewesen sein, als Finzelberg 60 000 Euro Bestechungsgeld in bar angenommen habe. Das darf er per Gerichtsbeschluss nicht mehr behaupten. Für seine Aussagen zum Müllskandal verlangt Stefan E. einst Geld von der Polizei. Heute kann er sich jedoch an nichts mehr erinnern, hat bei seinem Termin als Zeuge ein psychiatrisches Gutachten dabei – darin wird ihm eine Amnesie attestiert. Das Gericht schickt ihn daraufhin zu einem Universitätsprofessor in Magdeburg. „Der Zeuge ist dort bereits erschienen und der Professor ist dabei, das Gutachten zu erstellen“, erklärt der Vorsitzende Richter zum aktuellen Stand.

Einen Stand von damals gab es in punkto Telefonüberwachung zu hören. Mit welcher Begründung ließ die Staatsanwaltschaft Uwe S. und sein Umfeld überwachen? Aus dem Beweisantrag zitierte jetzt der Vorsitzende Richter: Dort ist die Rede vom „Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung“.

Hohe Versicherungssummen sollen nach eigens initiierten Brandstiftungen kassiert worden sein. Die Staatsanwaltschaft spricht damals von acht Bränden: In einem Wohnhaus, einem Genthiner Café sowie einem Genthiner Restaurant, in einem Hotel und verschiedenen Autohäusern. Dabei liegen die Versicherungssummen immer deutlich über dem Kaufpreis.

Später geraten dann auch die Tongrubenbetreiber ins Visier der Staatsanwaltschaft und auch ihre Telefone sollen überwacht werden. „Sie werden verdächtigt einem Amtsträger Vorteile gewährt zu haben, der damit seine Dienstpflicht verletzt“, heißt es in dem Beweisantrag. Und weiter: Es bestehe der Verdacht, das Lothar Finzelberg Vorteile versprochen werden und er dafür seine Kontakte zum Landesbergamt nutzt. Aufgrund der „erkauften Genehmigungen“ sei dem Land ein schwerwiegender Schaden – sprich der giftige Müll in den Tongruben – entstanden. Soweit der damalige Beweisantrag.

Morgen wird die Verhandlung vor dem Magdeburger Landgericht fortgesetzt.