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Gerichtsprozess Entschuldigung statt Freiheitsstrafe

Für einen 52-jährigen Gardeleger endete ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung glimpflich. Er muss Schmerzensgeld zahlen.

Von Gesine Biermann 25.05.2016, 03:00

Gardelegen l Ein Riesenaufgebot an Zeugen war geladen, mehrere Stunden Verhandlungszeit waren eingeplant und dann endete der Strafprozess gegen einen 52-jährigen Zeitungszusteller am Montag doch schneller, als alle Beteiligten vermutet hatten. Manchmal kann eben alles auch ganz einfach sein.

Dabei hatte dieser Prozess recht kompliziert begonnen. Bei einem Streit unter Nachbarn soll ein Gardeleger seine Nachbarin auf offener Straße brutal verprügelt haben. Vorangegangen war ein Streit der Geschädigten mit dem Neffen des Angeklagten, der sich um die Hunde der beiden gedreht hatte. Angefangen hatte das Ganze an einem frühen Morgen im April 2015 zunächst harmlos mit einem Wortwechsel. Daraufhin habe ihn die Geschädigte mit ihrer Hundeleine geschlagen, gab der Angeklagte zu Protokoll. Deshalb sei er von seinem Mofa abgestiegen: „Ich wollte ihr ein paar knallen. Ich meine, sowas muss man sich ja nicht gefallen lassen, auch als Mann nicht.“ Er habe sie deshalb mit der flachen Hand geschlagen, sie sei umgefallen und habe aus Rache sein Moped umgetreten. Verletzt worden sei sie dabei nicht, versicherte er.

Den Hergang schilderte die Geschädigte als Zeugin komplett anders. So hatte nach ihrer Erinnerung der Nachbar angefangen. Sie sei dann von seinem Schlag auf den Bordstein gestürzt und habe sich eine blutende Platzwunde zugezogen. Auch das Moped habe sie nicht umgestoßen, sondern sie habe sich daran festgehalten, so dass es umfiel. Dann habe sie der Nachbar immer wieder geschubst und sie sei auf die andere Straßenseite geflüchtet. Da er sie dort laut Anklageschrift mehrfach mit dem Kopf gegen einen Zaun geschlagen haben soll, lautete die Anklage auf schwere Körperverletzung mit einer gefährlichen Waffe. Die allerdings schloss die Oberstaatsanwältin selbst aus: Der Zaun nämlich zähle – weil unbeweglich – eigentlich gar nicht zu den gefährlichen Waffen, erinnerte sie. Damit stehe für sie keine Freiheitsstrafe mehr im Raum.

Ob sie tatsächlich vom Beklagten gegen die Zaunspitzen geschlagen wurde, obwohl sie davor kniete, ob sie tatsächlich das Moped nur versehentlich umgekippt hatte, obwohl sie weit davon entfernt war – all solche Widersprüche in ihrer Aussage musste das Gericht deshalb auch nicht mehr klären. Die Zeugen durften nach Hause gehen. Gemeinsam mit ihren Anwältinnen fanden die Beteiligten auf Empfehlung von Staatsanwaltschaft und Gericht eine andere Lösung: In beiderseitigem Einverständnis zahlt der Angeklagte seiner Nachbarin nun ein Schmerzensgeld von 300 Euro in Raten, dann wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Allerdings machte Strafrichter Axel Bormann zur Bedingung, dass beide an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen: „Sie sollten sich aussprechen über den Mist, der da geschehen ist.“

Dass sie dazu bereit ist, hatte die Geschädigte mehrfach im Prozess beteuert. Und auch der Angeklagte fand am Ende: „Ehrlich, was soll ich mit einer Nachbarin, mit der ich kein Wort wechsele.“