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Sozialarbeit Mit „Zebra“ zurück ins freie Leben

Gefängnis - und dann? Wer Jahre oder Jahrzehnte im Gefängnis verbracht hat und nun in die Freiheit entlassen wird, steht vor dem Nichts.

Von Petra Hartmann 24.01.2017, 02:00

Gardelegen l Daniela Kohl ist neue Ansprechpartnerin für das Projekt „Zebra“. Die Abkürzung steht für: Zentrum für Entlassungshilfe, Beratung, Resozialisierung und Anlaufstelle zur Vermittlung gemeinnütziger Arbeit“. Die 34-Jährige kümmert sich um ehemalige Gefängnisinsassen, die nun nach Verbüßung ihrer Haftstrafe wieder im normalen Leben Fuß fassen müssen.

Es handelt sich um ein Projekt des Jugendförderungszentrums Gardelegen. Zebra wird mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Daniela Kohl ist bereits die fünfte Mitarbeiterin auf diesem Posten.

„Ich hatte gerade einen Klienten, der hat 30 Jahre im Gefängnis gesessen. Das ist eine ganz andere Welt, in der er gelebt hat.“ Der Mann steht nun buchstäblich vor dem Nichts. Er hat keine Krankenversicherung, keinen Personalausweis, keinen Job und kein Geld. Allein eine Wohnung zu finden – ohne Geld für Mietkaution – ist schwer, erst recht, wenn der Vermieter erfährt, dass der Interessent aus dem Gefängnis kommt. Die Anmeldung beim Jobcenter überfordert oft schon normale Bürger. „Das kann kein Mensch alles schaffen“. Wichtig ist ihr, dass sie Hilfe zur Selbsthilfe leistet: „Das sind alles erwachsene Menschen. Man geht davon aus, dass sie sich geändert haben.“

Allerdings, eine Sicherheitsmaßnahme hält sie streng ein: Mit Mördern und Sexualstraftätern will sie nicht allein in ihrem Büro sein, da bittet sie einen Kollegen hinzu.

Viele von ihr betreute Kunden wollen ein neues Leben beginnen. Der Aufenthalt im Gefängnis sei eine komplett andere Welt und eine große Belastung für die Inhaftierten. „Wen so etwas nicht verändert, der hat kein Herz.“

Allerdings sei es oft schon schwierig, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzufinden. „Dinge, die für uns selbstverständlich sind, wie Pünktlichkeit, sich nicht vom Arbeitsplatz zu entfernen oder vernünftig mit Arbeitsmaterialien umzugehen, können wir so nicht voraussetzen. Es ist für mich schon ein großer Erfolg, wenn jemand regelmäßig zu den Terminen kommt“, sagt Kohl. Derzeit betreut sie rund 40 Fälle, wobei einige Betreuungen bereits am Auslaufen sind. Als nächstes möchte sie sich bei den Justizvollzugsanstalten der Umgebung vorstellen und Kontakte knüpfen.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit: Täter werden vor Gericht oft zur Ableistung von sozialen Arbeitsstunden herangezogen. Aber eine passende Stelle zu finden, ist manchmal gar nicht so einfach. Viele Organisationen und Einrichtungen möchten keine Gewalttäter in ihrem Hause haben, auch wenn diese Arbeit für sie kostenlos ist. Einrichtungen für Kinder und Jugendliche seien ohnehin für Sexualstraftäter tabu.

Insgesamt hat sie schon sehr positive Rückmeldungen von den Verurteilten zu den Arbeitsstunden bekommen. „Es gibt Personen, die dadurch wieder in Arbeit gekommen sind und wieder zu einem geregelten Leben zurückgefunden haben“, sagt sie. Allerdings gibt es auch viele Wiederholungstäter: „Im Moment ist es hier so, dass diejenigen, die einmal Sozialstunden auferlegt kriegen, das nicht nur einmal bekommen.“

Neben der Betreuung ehemaliger Inhaftierter und der Vermittlung von Sozialstunden gibt es noch einen dritten Schwerpunkt des Projekts Zebra: Daniela Kohl will ehemalige Häftlinge, die inzwischen wieder im Leben außerhalb des Gefängnisses Fuß gefasst haben, als ehrenamtliche Helfer gewinnen. Sie könnten wertvolle Ansprechpartner und Helfer für neu aus der Haft Entlassene sein.

Daniela Kohl ist gebürtige Gardelegerin und in Köckte aufgewachsen. Sie absolvierte eine Banklehre, leistete dann ein freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) ab und machte dort ein Umweltprojekt für Jugendliche. Dadurch wurde ihr Interesse an sozialen Themen geweckt. Sie studierte Sozialwesen im Diplomstudiengang an der Magdeburger Fachhochschule und ist nun staatlich anerkannte Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin. In Stendal arbeitete sie als Sozialpädagogin mit Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen unter 25 Jahren. Später war sie in der Jugendarbeit in Berlin, Tiergarten Süd, tätig. „Das war richtig wie im Fernsehen“, erzählt sie, „schlimme soziale Verhältnisse und nur drei Sozialarbeiter für den ganzen Kiez.“ Von 2010 bis 2016 war sie für die Jugendarbeit in Kalbe/Milde zuständig. „Ich hab mich immer gern um Menschen gekümmert“, sagt sie, „jetzt kann ich endlich mal richtige Sozialarbeit machen – von der Pike auf.“

Daniela Kohl ist telefonisch unter 03907/801824 oder per Mail unter kohl@jfz-ga.de erreichbar.