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Straftaten Ausgleich zwischen Tätern und Opfern

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist noch immer relativ unbekannt, dabei gibt es diese Einrichtung in Gardelegen bereits seit 23 Jahren.

Von Petra Hartmann 02.02.2017, 02:00

Gardelegen l Petra Fraaß bringt Täter und Opfer – sie selbst bevorzugt die Bezeichnungen „Beschuldigter“ und „Geschädigter“ – miteinander ins Gespräch. Manchmal geht es um schwere Straftaten, manchmal auch um üble Nachrede , Mobbing oder kleinere Streitfälle aus dem Alltag. Wichtig ist ihr das Gespräch auf Augenhöhe. Wie ein Erfolg aussehen könnte? Wenn am Ende der Täter begriffen hat, was er dem Opfer eigentlich angetan hat, wenn es eine ehrlich gemeinte Bitte um Entschuldigung gab, vielleicht eine Entschädigung, wenn schließlich der Geschädigte sagt: „Ja, damit geht es mir gut.“

Ein gelungener Täter-Opfer-Ausgleich kann bedeuten, „dass die Beschuldigten überhaupt Verantwortung übernehmen für ihre Tat und erkennen: Ich will auch nicht, dass mir so etwas angetan wird“, sagt Fraaß. „Jeder ist eine Persönlichkeit und will geachtet und respektiert werden.“

Einen Täter-Opfer-Ausgleich können Staatsanwälte und Richter, die Polizei oder Rechtsanwälte anregen, bei Jugendlichen auch die Jugendgerichtshilfe. Man kann sich aber auch als Selbstmelder, als Täter oder Opfer, an die Institution wenden. 21 solche selbst gemeldeten Fälle hat sie im vergangenen Jahr betreut, davon kam es in 18 Fällen zu einem Ausgleich, mit dem alle Beteiligten leben konnten. In Gardelegen ist der TOA beim Jugendförderungszentrum angesiedelt. Finanziert wird er mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Teilnahme ist für Täter und Opfer kostenlos.

Fraaß sieht sich hauptsächlich als Mediatorin und betont ihren unparteiischen Standpunkt in den Gesprächen. Sie trifft sich zunächst jeweils zu einem Einzelgespräch mit dem Beschuldigten und dem Geschädigten, dann folgt auf neutralem Boden ein Sechs-Augen-Gespräch der beiden Beteiligten und der Mediatorin – eine Konfrontation, die sehr hart, sehr emotional werden kann, wenn sich Täter und Opfer erneut begegnen und sich in die Augen sehen müssen. Das Ergebnis kann sehr unterschiedlich sein. In einfachen Fällen vielleicht einfach nur eine Entschuldigung, bei Diebstählen eine Wiedererstattung der gestohlenen Sachen. Auch Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Arbeiten für den Geschädigten könnten ein Ergebnis sein. Oft wird ein solcher Täter-Opfer-Ausgleich vor Gericht mit einbezogen und könnte sich strafmildernd für den Täter auswirken.

Allerdings achtet Fraaß sehr genau darauf, dass nicht nur irgendwelche Lippenbekenntnisse abgegeben werden. Genauso, wie sie darauf achtet, dass Geschädigte nicht versuchen, die Täter durch überzogene Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen „abzuzocken“, denn auch so etwas sei durchaus schon vorgekommen.

Auch die Gespräche können sehr unterschiedlich verlaufen. Wichtig ist es für Petra Fraaß, dass der Beschuldigte Empathie entwickelt und versteht, was er seinem Gegenüber angetan hat und wie schmerzlich es war. Unter anderem versucht sie, mithilfe von Rollenspielen und Gefühlskarten zu vermitteln, wie sich das Opfer fühlt. Manchmal ist sie bei ihren Vermittlungsversuchen auch wesentlich erfolgreicher als Richter, Staatsanwaltschaft und Polizei. Zum Beispiel in einem Fall, als es um ein gestohlenes Handy ging. „Der Beschuldigte hat bei der Polizei immer wieder gesagt, er wisse nicht, wo das Handy sei. Aber als wir uns im Vorgespräch unterhalten haben, da ging er plötzlich raus an sein Auto und holte das Handy rein.“ Eine Vermittlung zwischen Täter und Opfer, die schließlich zu einer Aussöhnung führte. Und das ist auch das Wichtigste beim Täter-Opfer-Ausgleich: „Mein Ziel ist eine wirkliche Aussöhnung“, sagt Fraaß. „Es geht darum, dass der soziale Rechtsfrieden wieder hergestellt wird.“

Wer sich für den Täter-Opfer-Ausgleich interessiert, kann sich an Petra Fraß wenden. Sie ist telefonisch unter 03907/801842 oder per Mail unter frasss@jfz-ga.de zu erreichen.