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Beruf Prüfungsstress und Großfamilie

Shazia Masood aus Demsin beweist, dass ein Haushalt mit sechs Kindern betreut und die Pflegeausbildung absolviert werden kann.

Von Mike Fleske 21.02.2017, 06:00

Genthin/Demsin l „Kommt Kinder, der Kaffeetisch ist gedeckt“, rufen Shazia und Hasan Masood. Schon beginnt im Haus ein Trippeln und Trappeln und aus den Zimmern kommen fünf der sechs Kinder des Paares zusammen. „Unser ältester Sohn ist im Berufspraktikum in Stendal“, erklärt Hasan Masood. Zwischen 7 und 17 Jahren sind die Kinder alt.

Die Ältesten lernen einen Beruf, die Jüngeren sind in der Grundschule oder auf dem Gymnasium. Die Momente am Mittagstisch oder an der Nachmittagstafel mit Kuchen, Kaffee und Kakao sind rar, mittlerweile ist die Großfamilie nicht mehr so leicht unter einen Hut zu bringen. Vor allem seitdem Mutter Shazia vor drei Jahren eine Berufsausbildung begonnen hat. Angefangen hat alles bereits in Pakistan, woher das Ehepaar Masood stammt.

Hasan Masood kam Anfang der 90er Jahre nach Deutschland. Der heute 56-Jährige arbeitet als Markthändler und verkauft Dinge des alltäglichen Bedarfs, Kleidung und Spielwaren. Durch den Familiennachzug kam auch seine Frau, die er vor 20 Jahren heiratete, ins Jerichower Land. „Mit meinem Abschluss hätte ich in Pakistan studieren können, in Deutschland ging das nicht so ohne weiteres“, erinnert sich die 39-Jährige.

In der neuen Heimat stand die Familie ganz oben, schnell kamen die ersten beiden Kinder, später noch vier weitere. „Ich war dann zuallererst Mutter, das war mir wichtig, für meine Familie da zu sein“, meint Shazia Masood. Doch vor knapp drei Jahren fasste sie den Entschluss, noch einmal in den Beruf einzusteigen. Aber ohne Berufsausbildung geht es nicht. Also bewarb sich die damals 36-Jährige bei der Krankenpflegeschule in Genthin und wurde angenommen.

Seitdem paukt Shazia Massod gemeinsam mit 18- bis 20-Jährigen in einer Klasse. „Ja“, sagt sie mit einem freundlichen lachen, „die Mitschüler sind so alt wie meine Kinder.“ Trotzdem verstehe sie sich mit den anderen Auzubildenden gut. Auch wenn diese völlig andere Interessen hätten als sie selbst. „Klar, die können auch mal nach der Schule ausgehen oder Bummeln, ich habe meine Familie, aber das ist schön so.“

Für die Kinder ist die Großfamilie etwas ganz Besonderes. „Man ist nie allein“, sagen sie. So hatten die Älteren auch mal ein Auge auf die Jüngeren, wenn es in den vergangenen Jahren bei Mutter oder Vater etwas später wurde. „Trotzdem haben wir es immer so organisiert, dass einer von uns da war“, erzählt Hasan Masood.

Besonders die jüngeren Kinder finden es durchaus „ein bisschen witzig“, dass ihre Mutter ebenfalls die Schulbank drückt. Der Schulstoff ist umfangreich. Medizinisches Wissen von Neurologie, Psychiatrie über Chirurgie bis hin zur Gynäkologie wird gelehrt. Nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. „Unter anderem war ich in der Notaufnahme des Krankenhauses“, erzählt Shazia Massod. „Mir liegt die Arbeit, da ich auch in stressigen Situationen ruhig bleiben kann.“

Man müsse dann den Ärzten ihre Arbeit erleichtern und den Patienten die Furcht nehmen. „Das ist nicht immer einfach.“ Jedoch sei sie davon überzeugt, dass Krankenpflegerin genau der richtige Beruf für sie sei. Mit ihrer freundlichen Art ist Shazia Masood bei Mitschülern und Vorgesetzten beliebt.

Auch erste Angebote für Beschäftigungen hat sie bereits erhalten. Ob es sie in die Altenpflege, eine Arztpraxis oder in ein Krankenhaus verschlägt, weiß sie noch nicht. Denn vorher stehen im Sommer noch die Prüfungen an. Genau wie ihre großen Kinder für Schule und Führerschein pauken müssen, wird Shazia Masood für ihren Abschluss lernen, sich auf den praktischen, mündlichen und theoretischen Teil ihrer Prüfung vorbereiten.

„Das wird noch einmal schwierig“, meint Shazia Masood. Trotzdem habe sie den richtigen Weg gewählt. „Pflegekräfte werden gesucht, man hat in diesem Bereich gute Möglichkeiten“, findet sie. Man solle nicht sagen: Jetzt bin ich 30 oder 35 Jahre alt und zu alt für einen Beruf. Sie möchte mit ihrem Beispiel anderen Mut machen, einen eigenen beruflichen Weg zu gehen. Hasan Masood ist stolz auf seine Frau. „Sie hat ihre Ausbildung ganz zielstrebig gemeistert, jetzt drücken wir ihr die Daumen für die Prüfung.“