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Ausgrabung Fragezeichen um Erdwerk und Palisaden

250 Besucher zog es zu den Führungen über das archäologische Grabungsgelände der Hünenburg am Großen Bruch.

Von Uwe Meyer 03.09.2015, 01:01

Watenstedt l „Der Tag ist ein voller Erfolg“, resümierte der Archäologe Dr. Immo Heske, der an drei Stellen des weitläufigen Grabungsgeländes die Besucher kompetent und locker informierte. In einigen eigens aufgebauten Vitrinen konnten aktuelle Funde wie zum Beispiel Werkabfälle, Knochen- und Geweihgeräte aus der Bronzezeit (1 200 bis 600 vor Christi) besichtigt werden.

Zuerst führte Immo Heske die Zaungäste auf die neue jungsteinzeitliche Grabungsfläche, die sich westlich der Hünenburg befindet. „Wir haben hier bronzezeitliche Funde gesucht und jungsteinzeitliche gefunden“, erklärte der Forscher aus Göttingen. Auf diesem als Rondell angelegten Erdwerk standen 4700/4800 vor Christus Holzpalisaden.

Warum am Ortsrand des heutigen Dorfes Watenstedt Menschen aus der Zeit der Stichbandkeramiker – sie werden nach der Verzierung ihrer Gefäße benannt – dieses Erdwerk angelegt haben, können die Archäologen noch nicht genau sagen, möglicherweise zur Viehhaltung. Bisher ist ebenfalls unklar, wie lange das runde Erdwerk genutzt worden ist.

Weil auf der Grabungsfläche Erdverfärbungen auf Hölzer hinwiesen, konnten die Ausgräber noch vor dem Tag der Grabung eine Palisade rekonstruieren. An einem Palisadenrand ist sogar ein Durchgang erkennbar.

Anschließend führte Heske die Besucher zum Ringwall (um 1130 vor Christus) und hinunter zum Außengelände der Burg. Auf dem Gelände dieser jungbronzezeitlichen Unterstadt informierte er über weitere Details.

Mit dem Blick zu grasenden Schafen betonte der Grabungsleiter: „Hier konnten wir eine intensive Beweidung der Hänge durch Schafe und Ziegen nachweisen.“ Die für die Zeit vor 3000 Jahren große Einwohnerzahl von etwa 500 Menschen, die kleinen Häuser und großen Vorratsgruben würden auf eine Verwaltung der landwirtschaftlichen Erträge und des Saatgutes schließen lassen. „Die Bestattungen von Menschen in der Unterstadt in Kombination mit verzierten Erntesicheln vom gleichen Fundort lassen weitreichende Verbindungen in den Raum Halle und Merseburg zu“, informierte der Wissenschaftler.

Heske berichtete ferner über die Ausgrabungen im alten Bachlauf der Soltau. Dort konnte ein ausgedehnter Kultbezirk mit steinernen Herdstellen nachgewiesen werden. Um 900 vor Christus übten hier Siedler, die aus dem Ostseeraum kamen, ihre Kultpraktiken aus. „Vor mehr als 2800 Jahren wurden hier Bronzedepots im Erdboden vergraben“, erklärte der Grabungsleiter.

Im Bereich des alten Wasserlaufs kamen bisher einige Tierknochen zum Vorschein. Auf der Grabungsfläche, die zehn mal zehn Meter groß ist, drangen die Studenten, Helfer und der Grabungsleiter bisher in 1,70 Meter Tiefe vor. „Wir erwarten hier weitere Tierknochen und gehen bis zwei Meter Tiefe vor.“

Gegraben wird in diesem Jahr bis zum 9. Oktober. Ziel des Forschungsprojektes ist es, mit archäologischen und naturwissenschaftlichen Analysen von Gefäßen, menschlichen Skeletten und Pferdezähnen Kontakte zwischen den bronzezeitlichen Siedlungen vor 3000 Jahren zu rekonstruieren. Zu erwarten sind erstmalig Erkenntnisse zur Zusammensetzung der Bevölkerung an den bronzezeitlichen Herrschaftssitzen und ihrem Umland.

Die Hünenburg mit ihrer Stadt außerhalb des Burgwalles zählt zu den größten Siedlungen der Bronzezeit in Mitteleuropa und gilt als bedeutungsvollste Ausgrabungsstätte nördlich der Alpen in den letzten 15 Jahren.

Die Erforschung und Auswertung der Funde ist nur möglich, weil die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur das Vorhaben kontinuierlich unterstützen. In diesem Jahr hat auch die VW-Stiftung Finanzmittel für ein Forschungsprojekt bewilligt. Hinzu kommt eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung.

Wichtige Funde können auch in einer Dauerausstellung im Heeseberg-Museum besichtigt werden. Das Watenstedter Museum ist an Sonn- und Feiertagen von 14.30 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung (0 53 54) 725 geöffnet.