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Unterrichtsausfall Lehrermangel: Eltern schlagen Alarm

Die Elternvertretung der Halberstädter Goethe-Grundschule schlägt Alarm: Wegen akuten Personalmangels fällt immer mehr Unterricht aus.

Von Dennis Lotzmann 24.11.2015, 00:01

Halberstadt l Unterrichtsstunden fallen aus. Grundschüler müssen sich auf immer neue Vertretungslehrer einstellen. Eine dritte Klasse wird mangels ausreichenden Personals aufgelöst und die Kinder auf zwei weitere Klassen aufgeteilt. Zustände, die – glaubt man dem Schulelternrat der Halberstädter Goethe-Grundschule – nicht länger haltbar sind. Jetzt hat sich die Elternvertretung hilfesuchend an den Landes-Elternrat gewandt. In dem Schreiben, das der Volksstimme vorliegt, ist von einer „desaströsen Versorgungslage“ die Rede.

In Magdeburg ist der Hilferuf nicht ungehört verhallt. Thomas Jaeger, Vorsitzender der Landes-Elternvertretung, bestätigt nicht nur den Eingang des Schreibens, sondern berichtet auch von ersten Reaktionen: „Wir haben das Schreiben im Vorstand behandelt und stufen den Fall anhand der genannten Fakten als akut ein“, so Jaeger am Montag zur Volksstimme. Deshalb sei als erste Konsequenz sofort das zuständige Kultusministerium eingeschaltet und um Stellungnahme und umgehende Reaktion gebeten worden.

Ohne der Stellungnahme von dort vorweggreifen zu wollen, rechnet der Elternrats-Vertreter des Landes durchaus mit Handlungsbedarf: „Wir bekommen viele Hilferufe von Eltern und müssen oft erst nachprüfen, inwieweit deren Wahrnehmung den Realitäten entspricht. Im konkreten Fall sind die geschilderten Fakten aber schon sehr detailliert.“

In ihrem Hilferuf erinnern die Halberstädter Eltern an die „hervorragende Bildungsarbeit“, die die Pädagogen der Goethe-Grundschule in den vergangenen Jahren geleistet hätten. Seit Beginn des Schuljahres habe sich die Situation aufgrund mehrerer langwieriger Erkrankungen beim Lehrpersonal jedoch gravierend verschlechtert, sodass sie nun als „desaströs“ einzuschätzen sei, berichtet Nicole Letz als Schulelternrats-Vorsitzende. So seien allein drei Pädagogen, darunter die Schulleiterin, auf lange Sicht erkrankt.

Die Folgen beschreibt Nicole Letz so: Trotz der Aufteilung einer dritten Klasse häuften sich die Stundenausfälle. „Außerdem gibt es im Unterrricht keine Kontinuität, weil immer wieder kurzfristig Lehrer aus anderen Schulen abgeordnet werden. Folglich müssen sich Lehrer und Schüler immer wieder neu aufeinander einstellen“, klagt sie.

Unter dem Personalmangel, berichtet die Mutter eines Drittklässlers, hätten Lehrer wie Schüler gleichermaßen zu leiden. „Die verbliebenen Lehrer stehen unter einem immensen Druck – viele arbeiten an ihrer Grenze und sind absolut am Ende“, so Letz. Bei den Schülern wiederum seien verstärkt Bauchschmerzen und Leistungsabfälle zu registrieren: „Mein Sohn hatte in Deutsch bislang immer eine Eins, jüngst kam er mit einer Vier nach Hause.“

Die Lehrer, ergänzt Nicole Letz‘ Stellvertreterin Nadine Splittgerber, müssten sich gewissermaßen zerteilen. So sei eine Lehrerin nun aus der Not heraus als Klassenlehrerin für eine zweite und eine vierte Klasse eingeteilt. „Außerdem spiegelt sich der personelle Notstand längst im Bildungsangebot der Schule wider: „Der freiwillige Englischunterricht ab Klasse eins ist gestrichen worden. Damit hat die Goethe-Schule eines ihrer Markenzeichen verloren.“

In der Schule selbst will man sich nicht äußern und verweist auf das Kultusministerium in Magdeburg. Dessen Sprecher Martin Hanusch wiederum sieht den aktiven Part beim Landesschulamt.

Die dortigen Verantwortlichen seien bereits dabei, auf die „sehr angespannte Unterrichtsversorgung“ in der Halberstädter Goethe-Grundschule zu reagieren, berichtet Schulamts-Sprecherin Silke Stadör. Nun sei auch die Schulleiterin erkrankt. Die Versorgung liege damit unter 100 Prozent, räumt sie ein.

Die Elternvertreter beziffern das Defizit auf wöchentlich 94 Stunden, von denen lediglich 25 kompensiert würden und berichten von einer 90-prozentigen Versorgung. Laut Silke Stadör übernimmt eine Lehrkraft aus Wegeleben ab 30. November 20 Stunden – rechnerisch bleibt also ein Defizit. Obendrein lässt die Amtssprecherin nach Recherchen der Volksstimme einen Aspekt unerwähnt: Zeitgleich sollen Vertretungslehrer aus Quedlinburg wohl wieder abgezogen werden. Dafür macht Silke Stadör deutlich, wie eng das Korsett ist: „Weitere Abordnungen sind bis zum Kalenderjahresende wegen der Krankenstände nicht möglich.“