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Gastronomie Kneipentür schließt nach 108 Jahren

Die Gaststättenlandschaft in Halberstadt ist um einen traditionsreichen Familienbetrieb ärmer. Der Braunschweiger Hof wurde geschlossen.

Von Dieter Kunze 14.02.2016, 05:00

Halberstadt l Einst gab es in der Braunschweiger Straße in Halberstadt sechs Gaststätten. Jetzt schloss hier mit dem „Braunschweiger Hof“ nach 108 Jahren das letzte Familienunternehmen.

Zwei Jahre nach seinem Rentenbescheid hat Günter-Artur Behrens mit Ehefrau Karin die Kneipentür für immer geschlossen. An der Wand hängen noch die Fotos vom Altstadtgarten, der Gaststätte Halbinsel, dem Blauen Hecht, von Mutter Gelka, dem Odeon und dem eigenen Haus. Errichtet wurde das Fachwerkgebäude um 1880. Um 1900 baute der Vorgänger Friedrich Geuthner die Gaststättenräume und einen Anbau.

Großvater Arthur Behrens übernahm das Objekt vor dem Krieg und 1956 ging es an Vater Artur Behrens über.

Zur Gaststätte gehörte von Anfang an ein Lebensmittelgeschäft, „damals das einzige im Wohngebiet“. In den frühen Jahren fanden im Saal des Hauses zahlreiche Tanzveranstaltungen statt. Auch ein Schlachthaus gehörte der Familie. Dort wurden die beliebten Schlachte- und Bockbierfeste vorbereitet. Der Großvater leitete eine Zeit lang den Halberstädter Gaststätten-Verein.

Nach 1945 wurden Flüchtlingen einquartiert, später eine Schule. Günter-Artur Behrens wurde zunächst Elektriker, dann schulte er zum Wirtschaftskaufmann um. Er nahm eine Tätigkeit im Bereich Gaststätten der staatlichen Handelsorganisation (HO) auf und leitete später 62 Gaststätten an. „Als mein Vater 1970 erkrankte, stieg ich in die praktische Arbeit ein“, erinnert sich der heutige Rentner. Zum 1. März 1974 erfolgte die Geschäftsübergabe an den Sohn.

Günter-Artur Behrens spielte eine Zeit lang selbst in einer Kapelle mit. Das Haus wurde ein beliebter Treffpunkt für die Jugend. Der Radler-Verein traf sich hier regelmäßig. „In unserem Haus wurde der Halberstädter Karnevalsverein gegründet und später wieder aufgelöst“, berichtet er. Es gab einen Treff für den Dackelverein, die Numismatiker und Philatelisten trafen sich hier, auch Schachspieler.

„Wir waren eine kleine Kneipe mit Niveau.“ Die Preise waren günstig. Ehefrau Karin arbeitete sich in der Küche ein, und die großen Schnitzel mit den leckeren Pommes wurden der Renner. Für die Familie war die Arbeitsbelastung groß, denn bis 1990 wurde auch noch das Lebensmittelgeschäft ab früh um 9 Uhr betrieben. Dafür war in der Kneipe regelmäßig um 22 Uhr Schluss.

„Wir waren die einzige Gaststätte in Halberstadt, die die ganze DDR-Zeit über privat blieb“, berichtete der Inhaber. Die meisten wurden damals Kommissions-Gaststätten. Für den privaten Lebensmittelladen war es nicht einfach, die nötigen Waren zu bekommen.

Zwei Kinder sind aus der Ehe hervorgegangen: „Ein Sohn wurde wie der Vater Elektriker und Thomas Behrens ist heute Chefkoch im Halberstädter Parkhotel“, so der Vater. Der Sohn konnte in den vergangenen Jahren noch manch nützlichen Tipp für die Mutter als Köchin geben. Nachdem beide Ehepartner schon über das Rentenalter hinaus aktiv blieben, sich aber niemand für den weiteren Gaststättenbetrieb fand, wurde das Haus zum Jahresende geschlossen.

Noch gibt es im Haus eine große Ferienwohnung und ein Fremdenzimmer. Weitere Räume werden ausgebaut, doch daraus wird sicher eine neue Wohnung werden, sagen die Eheleute. Ihrem elterlichen Wohnhaus wollen Karin und Günter-Artur Behrens treu bleiben.