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Kreiswechsel Kleiner Stein - riesengroße Welle

Das Gedankenspiel, ob Gatersleben von der Stadt Seeland in die Gemeinde Vorharz wechseln könnte, hat hohe Wellen geschlagen.

22.07.2017, 14:23

Gatersleben/Wegeleben l Es war ein Steinwurf, der am Ende in eine riesengroße Flutwelle gemündet ist: Die Gedankenspiele von Ortschaftsräten des Seeland-Ortsteils Gatersleben, über einen Wechsel von der Stadt Seeland in die Verbandsgemeinde Vorharz zumindest nachzudenken. Was nach Angaben von Ortsbürgermeister Mario Lange (Bürgerinitiative Gatersleben) nicht mehr als eine völlig unverbindliche und ergebnisoffene Diskussion unter Lokalpolitikern war, sorgte in der Einheitsgemeinde für heftige Irritationen und mündete letztlich am Donnerstagabend in eine Sondersitzung des Stadtrates.

Dort, so Ratsvorsitzender Mario Kempe (CDU), sei einstimmig eine Resolution verabschiedet worden. Mit ihr würden die Ortschaftsräte von Gatersleben aufgefordert, sich hinsichtlich eines Wechselwillens bis zur nächsten Sitzung des Stadtrates Ende August verbindlich zu positionieren.

Das Resultat bleibt abzuwarten. Ortsbürgermeister Lange wollte am Freitag nicht spekulieren. Der Kommunalpolitiker hatte aufgrund anderweitiger terminlicher Verpflichtungen nicht an der kurzfristig anberaumten Sondersitzung des Stadtrates teilgenommen, sich aber mit einer dort verlesenen Stellungnahme zu Wort gemeldet.

In dem Papier, das der Volksstimme vorliegt, betont Lange noch einmal, dass es sich bei der Wechseldiskussion lediglich um Gedankenspiele einiger Räte handelt. Diese – aus seiner Sicht „sympathische und interessante Option“ (Lange) – habe er auf Anfrage gegenüber der Volksstimme so dargestellt. Als andere Medien die von der Volksstimme am 13. Juli publik gemachten Gedankengänge aufgegriffen hätten, sei das Ganze auf „reißerische Art“ – und aus seiner Sicht ohne Grund – völlig überhöht worden, so Lange.

Vor Ort, in der Einheitsgemeinde Seeland, schlugen Langes Gedankenspiele zumindest ein wie eine Bombe. Bürgermeisterin Heidrun Meyer zeigte sich gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung „kalt erwischt“. Sie verständigte sich schließlich mit Stadtratsvorsitzendem Mario Kempe darauf, mitten in den Ferien kurzfristig den Stadtrat zur Sondersitzung zusammenzutrommeln.

Heidrun Meyers Position in der hochgekochten Debatte bleibt derweil unklar. Gegenüber der Volksstimme blieb die Kommunalpolitikerin – ebenso wie in der Vorwoche – auch am gestrigen Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sie sei unterwegs, hieß es im Rathaus. Die Bitte um Rückruf blieb ohne Reaktion. So ist offen, ob sie womöglich selbstkritisch auch Fehler im Umgang mit Gatersleben sieht.

Mario Kempe hat derweil Position bezogen: „Ich habe es als unsere Pflicht gesehen, im Stadtrat über die Wechselwünsche zu diskutieren – öffentlich“, so Kempe am Freitag zur Volksstimme.

Wobei aus Langes Sicht die Situation allein mit diesen Worten schon falsch eingeordnet wird: „Wir sind noch lange nicht bei konkreten Wechselwünschen. Wir sind bei ganz vagen Gedanken einzelner Lokalpolitiker“, betont er. „Wenn allein das nicht mehr möglich ist, sind wir im falschen System.“

Mario Kempe will Mario Lange das Recht auf freie Gedanken nicht absprechen. „Sobald ich aber als Ortsbürgermeister damit an die Öffentlichkeit gehe, ist das nicht mehr nur freie Meinungsäußerung“, so der Christdemokrat, der Ortsbürgermeister in Frose ist.

Mario Kempe leitet aus der Sondersitzung ein klares Signal für den Verbleib von Gatersleben in der Stadt Seeland ab. Dafür spreche nicht nur die einmütig verabschiedete Resolution an die Adresse des Ortschaftsrates Gatersleben. „Auch die Wortmeldungen von Stadträten und Einwohnern haben deutlich gemacht, dass wir zugunsten aller Mitgliedsorte zusammenarbeiten wollen“, so Kempe.

Dass in Gatersleben gerade jetzt derartige Wechsel-Visionen diskutiert werden, hat letztlich indirekt im Vorharz seine Ursache. Dort denkt bekanntlich Schwanebeck/Nienhagen über einen Austritt aus der Verbandsgemeinde Vorharz nach. Ein Anschluss an die Stadt Halberstadt ist dabei ebenso im Gespräch wie ein kreisübergreifender Wechsel nach Gröningen im Bördekreis.

Letzteres hat in Gatersleben für den berühmten Aha-Effekt gesorgt. Die Gemeinde hat sich 2009 mit Händen und Füßen dem Bündnis mit der Stadt Seeland widersetzt und wurde 2010 vom Innenministerium zwangsweise zugeordnet. „Wir haben viel mehr Berührungspunkte zur Gemeinde Selke-Aue im Vorharz und zum Harz“, erinnert Lange.

Wenn nun Schwanebeck einen kreisübergreifenden Wechsel diskutiere und dieser per Kommunalverfassung nicht rundweg unmöglich sei, könnte man ja womöglich auch die 2010 gezogenen Grenzen noch einmal anfassen, so das Ansinnen. Zumal sich die Gaterslebener bis heute nicht als voll akzeptiertes und anerkanntes Mitglied der Stadt Seeland sehen.

Zumindest an einer Stelle gibt Mario Kempe seinem Amtskollegen recht: „Ich sehe Korrektur- und Verbesserungsbedarf in unserer Kommunikation, da sind wir alle gefragt.“ Und: „Es ist unsere Pflicht, alle Mitgliedsorte gleich zu bewerten und zu behandeln – das muss auch entsprechend kommuniziert werden.“

Was bleibt noch nach dem heftigen Sturm im Wasserglas? Kempe will die Stadt Seeland voranbringen und wünscht sich, dass alle Partner an einem Strang ziehen. „Und ich möchte dabei Gatersleben halten.“

Zumindest in dieser Frage bleiben die Positionen allerdings konträr. „Ich stehe weiter dazu, dass die Überlegungen in Richtung Vorharz eine sympathische Option sind, die im Moment aber politisch nicht umsetzbar ist.“ Kommentar