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Wegeleben Gefährliches Leben neben einer Ruine

Der Wegeleber Eberhard Moelle wohnt neben einer Fast-Ruine. Nun soll der mittellose Rentner den Giebel seines Hauses reparieren.

Von Christian Besecke 09.01.2017, 00:01

Wegeleben l Der 76-jährige Wegeleber ist verzweifelt, er präsentiert beim Volksstimme-Termin mehrere Schreiben des Bauordnungsamtes im Landkreis Harz und des Bürgermeisters. „Ich weiß nicht, wie ich die geforderten Arbeiten umsetzen soll“, sagt er. „Vom Bezahlen wollen wir erst mal gar nicht reden.“ Moelle bezieht eine mickrige Rente und etwas Grundsicherung, insgesamt erreicht er noch nicht einmal 500 Euro im Monat.

„Früher habe ich 120 Euro Grundsicherung bekommen, jetzt sind es noch 60, dafür gibt es einen Heizkostenzuschuss von 500 Euro im Jahr“, erklärt der gelernte Uhrmacher. „Für Erhaltungsmaßnahmen ist kein Cent über.“ Moelle weiß, dass sein Haus in einem schlechten Zustand ist, ihm sind aber finanziell die Hände gebunden.

Als ihm ein Anhörungsschreiben vom Bauordnungsamt ins Haus flattert, bleibt ihm zunächst die Spucke weg. Nach einer Anzeige wegen in der Dachrinne liegender Ziegel hat die Behörde den Fall gesichtet und den Wegeleber angeschrieben. In dem Brief wird Moelle daran erinnert, dass er als Eigentümer dafür Sorge zu tragen habe, dass bauliche Anlagen instand zu halten sind. Zudem sei zu vermuten, dass einige Dachziegel schon in den öffentlichen Raum gefallen sein könnten.

Moelle wird verpflichtet, „alle Dachziegel am westlichen Giebel auf der Straßenseite abzunehmen“. Bei offenen Flächen sollen witterungsbeständige Platten verbaut werden. Bei nicht vorhandener Qualifizierung rät man ihm von einer Eigenleistung ab.

Der Rentner macht sich da­raufhin auf zu Bürgermeister Hans-Jürgen Zimmer (CDU) und erläutert ihm seinen Fall. „Ich habe mir das Problem angeschaut“, erklärt Zimmer gegenüber der Volksstimme. „Zunächst muss festgestellt werden, dass das Bauordnungsamt seiner Aufgabe nachgekommen ist.“ Es sei völlig richtig, den Eigentümer aufzufordern, Reparaturen vorzunehmen. „Die verrutschten Ziegel stammen vermutlich nicht von Eberhard Moelles Dach, dort fehlen nämlich keine“, erläutert er weiter. „Das Bau- und Ordnungsamt der Verbandsgemeinde hat bereits eine Absperrung vor der Schrottimmobilie errichten lassen – auf Forderung des Landkreises.“

Zimmer kommt auf die einfache Idee, die Absperrung in den Bereich des Nachbarhauses zu verlängern. „Das kostet im Prinzip nichts, bringt aber den erforderlichen Sicherungseffekt für Leib und Leben mit sich“, sagt er. Daraufhin hilft er dem Bürger bei der Antwort an das Bauordnungsamt. „Als Stadt gibt es nichts dagegen einzuwenden“, betont Zimmer. „Ich bin bereit, das auch so zu bestätigen.“ Das Bauordungsamt reagiert schnell und geht auf den Vorschlag ein. Bis zum 3. April hat Eberhard Moelle eine Verschnaufpause. Die schriftliche Bestätigung der Stadt wird eingefordert. Allerdings besteht man danach auf einer Umsetzung der angeführten Arbeiten.

Das verursacht bei dem Rentner große Sorgen, denn auch zum gesetzten Termin wird er nicht über das Geld verfügen, um die Reparaturen zu finanzieren. Beim Volksstimme-Besuch ist er bereit, einen Blick von seinem Dachboden aus auf die Schrottimmobilie zu gewähren.

Was sich von dort dem Betrachter bietet, stimmt bedenklich. Moelle nimmt ein Teil der Wandverkleidung ab schon ist eine komplette Inaugenscheinnahme möglich. Es gibt keine Wand mehr. Nur noch einzelne Steine liegen in den Gefachen. Erst nach oben hin sind Packungen von Ziegelsteinen zu erkennen. Außerdem bietet sich ein Blick auf das rückseitige Dach, in dem gleich haufenweise Ziegel fehlen. Ihre Reste sind auf dem Boden zu erkennen.

Den Clou stellt aber ein zweifach gebrochener Schornstein dar, der sich bereits zur Straßenseite neigt. Mehrere Querbalken sind offensichtlich gebrochen. Es scheint eine Frage der Zeit, bis es hier zu einem Einsturz kommt. Da, wo eine Bodentreppe hätte sein sollen, gähnt ein großes Loch und gibt den Blick auf herausgefallene Balken frei.

Eberhard Moelle sagt: „Vor etwa sechs Monaten hat es mächtig gerumpelt, eine Woche später dann noch einmal. Irgendetwas ist in dem Haus eingestürzt. Auch die Nachbarn waren seinerzeit darüber erschrocken.“ Am liebsten will der Rentner ausziehen – das sei jedoch kaum möglich.

Zimmer ist beim Anblick der Bilder beeindruckt. „Eigentlich müsste man die Ruine abreißen und das Grundstück als Innenstadtbau unter Auflagen vergeben. Weder wir, noch der Landkreis haben aber das Geld dafür.“ Die vorgesehene Reparatur sei so wohl nicht möglich, er empfehle eine erneute Sichtung durch Mitarbeiter des Bauordnungsamtes. Eberhard Moelle ist bereit, der Behörde Zutritt zu gewähren.

„Das Land müsste ein Förderprogramm aufsetzen, damit wir solche Gefahren für Leib und Leben aus der Welt schaffen“, setzt Zimmer hinzu. „Ich werde das bei der nächsten Sitzung des Städte- und Gemeindebundes ansprechen.“