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Einsatzfahrzeuge Das Risiko fährt immer mit

Zu 20 000 Einsätzen rücken die Rettungskräfte in der Börde jährlich aus. Das kanngefährlich werden, wie kürzlich in Haldensleben.

Von Jan-Hagen Rath 27.06.2017, 10:00

Haldensleben l Genau zwölf Minuten haben die Rettungskräfte in Sachsen-Anhalt Zeit, um nach Eingang eines Notrufes zum Einsatzort zu gelangen. Dabei müssen sie ständig abwägen, wie viel Risiko sie bei der Fahrt auf sich nehmen müssen, um möglichst schnell helfen zu können. Gleiches gilt für ihre Kollegen von Polizei und Feuerwehr.

Die sogenannte Hilfsfrist regelt, nach welcher Zeit die Helfer spätestens am Einsatzort eintreffen müssen und wird im Rettungsdienstgesetz eines jeden Bundeslandes festlegt. Im Landkreis Börde haben die Einsatzkräfte demnach eine Minute zum Verarbeiten des Notrufs, eine weitere zum Ausrücken und zehn Minuten, um zum eigentlichen Einsatzort zu gelangen. Diese Zeit soll in 95 Prozent der Fälle gewährleistet sein, so die Vorgabe.

Um diese Zeit einhalten zu können, stehen den Einsatzkräften zahlreiche Sonderrechte zur Verfügung. So dürfen sie beispielsweise über rote Ampeln fahren, die Vorfahrt erzwingen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen ignorieren – auch, wenn sie nicht in einem Einsatzfahrzeug unterwegs sind. Dies ist besonders für die Mitglieder der Feuerwehr wichtig, um im Einsatzfall schnellstmöglich zur Wache zu gelangen.

Dass die Fahrt mit Sonderrechten mit vielen Risiken verbunden ist, weiß Frank Juhl, Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Haldensleben: „Werden die Sonderrechte bei einer Fahrt in Anspruch genommen, steigt das Unfallrisiko für die Kameraden im Durchschnitt um das Achtfache.“ Die größte Gefahr seien dabei vor allem andere Verkehrsteilnehmer, die die Kameraden auf Sonderfahrt erst zu spät wahrnehmen.

Eine Gefahr, die auch mit Blaulicht und Martinshorn nicht komplett ausgeschlossen werden kann, wie jüngst ein Unfall mit einem Rettungswagen in Haldensleben zeigte. Dieser war mit Sondersignal bei Rot über eine Kreuzung gefahren und seitlich von einem anderen Fahrzeug erfasst worden. Zwei Menschen wurden dabei schwer verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert, sie befinden sich jedoch mittlerweile wieder auf dem Weg der Besserung. Der Rettungswagen erlitt bei dem Unfall einen Totalschaden, insgesamt entstand ein Schaden von 110 000 Euro.

Solch schwere Unfälle sind jedoch glücklicherweise eher die Seltenheit, erklärt Frank Schulze, Sachgebietsleiter Rettungsdienst im Landkreis Börde: „Jährlich fahren wir rund 24 000 Einsätze, die Anzahl der Unfälle liegt dabei im Promille-Bereich. Nichtsdestotrotz sind die Einsatzkräfte bei jeder Rettungsfahrt einem außergewöhnlichen Risiko ausgesetzt.“

Die Bauweise moderner Autos erhöht das Risiko dabei zusätzlich. Diese sind immer besser gedämmt, sodass Geräusche von Außen kaum noch hörbar sind. Hinzu kommen oft leistungsstarke Musikanlagen, die Warnsignale unter Umständen übertönen können. Beamte und Helfer müssen bei der Fahrt mit Sondersignal deshalb besonders aufmerksam fahren und stets damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer sie erst spät bemerken.

Um auf solche Situationen reagieren zu können, werden die Einsatzkräfte besonders ausgebildet. „Unsere Beamten erhalten ein spezielles Fahrsicherheitsstraining, um bei der Fahrt mit Sondersignal das Unfallrisiko möglichst gering zu halten“, erklärt Joachim Albrecht, Sprecher des Polizeireviers Börde. „Die Verwendung der Sonderrechte ist nicht immer sinnvoll. Sie ist keinesfalls ein Freifahrtsschein für unveranwortliches Fahren.“ So können Einsatzkräfte die Straßenverkehrsordnung zwar aufheben, müssen sich bei einem Unfall aber genauso verantworten, wie jeder andere Bürger. Die meisten Unfälle seien jedoch nicht auf ein Fehlverhalten der Einsatzkräfte zurückzuführen, fügt Joachim Albrecht hinzu. „Die Beamten wägen gründlich ab, welche Risiken sie eingehen. Ein Großteil der Unfälle entsteht, wenn Verdächtige sich in Verfolgungsfahrten durch gefährliche Fahrmanöver der Polizei entziehen wollen.“

Dass die Regelungen und Warnsignale für Einsatzfahrzeuge ausreichend seien, darin sind sich die Leiter aller Einsatzkräfte im Landkreis Börde einig. In Anbetracht des kürzlich geschehenen Unfalls appellieren sie jedoch an alle Verkehrsteilnehmer und Kollegen, sich nicht auf ihre Routine zu verlassen. Wer rücksichtsvoll fährt, unterstützt dadurch die Einsatzkräfte und hilft im Ernstfall dabei, Menschenleben zu retten.