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Integrationspreis Versandhandel als neue Chance

Hermes Fulfilment Haldensleben hat den Integrationspreis des Landes erhalten. Gewürdigt wurde die Integration von Flüchtlingen.

Von Julia Schneider 12.01.2017, 00:01

Haldensleben l Dawit Kibrom lächelt schüchtern, als er nach seiner Arbeit gefragt wird. „Macht Spaß, alles gut hier“, sagt der 21-Jährige. Hans-Dieter Munsch stupst ihn freundschaftlich in die Seite. „Na klar ist alles gut, Dawit ist fleißig und höflich, hat alles schnell gelernt und kann jetzt alleine arbeiten“, sagt der Mitarbeiter der Versandabteilung am Haldensleber Standort der Hermes Fulfilment GmbH.

Das bringt Dawit Kibrom zum Strahlen. Der junge Mann aus Eritrea ist einer von neun Flüchtlingen, die derzeit bei dem Unternehmen in Haldensleben arbeiten. Noch sind sie alle befristet beschäftigt. Denn seit Hermes im vergangenen Jahr eine Kooperation mit dem Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft und dem Projektverbund „Jobbrücke Plus“ begonnen hat, war es ein längerer Weg für die Migranten von der Bewerbung bis zum Berufseinstieg bei Hermes Fulfilment.

Zunächst nahmen sie an Deutschkursen teil, die die „Jobbrücke“ organisierte, die am Ende auch geeignete Teilnehmer für den Haldensleber Standort des Unternehmens auswählte. Diese absolvierten dann ein Praktikum bei Hermes, dem schließlich die befristete Einstellung für sechs Monate folgte, die momentan noch läuft. „Wir haben allerdings das Ziel, jeden der Flüchtlinge auch einzustellen, wenn sie ihre Arbeit weiterhin gut machen und Spaß daran haben“, sagt Andreas Hennig, Betriebsleiter von Hermes Fulfilment in Haldensleben.

In den ersten Wochen wurde jedem der Neuankömmlinge ein Mitarbeiter von Hermes Fulfilment zur Seite gestellt. Die sogenannten Paten unterstützten die Migranten bei der Einarbeitung, und sind auch heute noch ihre Ansprechpartner bei jeglichen Fragen und Unklarheiten. „Wir haben uns gezielt Mitarbeiter als Paten ausgesucht, von denen wir uns vorstellen konnten, dass sie die verantwortungsvolle Aufgabe auch neben ihrer Arbeit meistern“, verrät Doreen Reber, die als Gruppenleiterin im Bereich Versand fünf der neun Flüchtlinge samt Paten in ihrer Schicht hat. Lob spricht sie damit auch Hans-Dieter Munsch aus, der als Pate Dawit Kibrom zur Seite steht.

Seit September arbeitet Dawit Kibrom bei Hermes – und der Einstieg sei gar nicht so leicht gewesen, gibt er zu. Er habe nicht gleich alles verstanden, erläutert der Eritreer, denn Sprachprobleme standen als größte Herausforderung im Raum. „Aber dann habe ich es ihm gezeigt und er hat die Arbeitsschritte ganz flott gelernt“, sagt Hans-Dieter Munsch. Der Hermes-Mitarbeiter ist offen und ehrlich: „Anfangs gab es natürlich schon Kollegen, die erstmal gucken mussten, wie das funktioniert“, berichtet er im Hinblick auf die Einstellung von Flüchtlingen in dem Betrieb. „Andere Hautfarbe, andere Sprache – das ist normal, dass man sich daran erstmal gewöhnen muss“, erläutert Hans-Dieter Munsch. Schnell sei jedoch klar gewesen: Die Migranten arbeiten so, wie sie sollen.

„Mittlerweile haben sie die Mitarbeiter regelrecht ins Herz geschlossen, sie punkten durch ihre offene Art“, sagt auch Doreen Reber und erzählt davon, dass es längst auch in der Freizeit Kontakte zwischen den Geflüchteten und den Mitarbeitern gebe. So helfen die Kollegen den Migranten beispielsweise bei Umzügen und bei der Möbelsuche. „Na, das macht man doch – wo man helfen kann, hilft man eben“, erklärt auch Hans-Dieter Munsch etwas verlegen. Was für ihn selbstverständlich ist, ist für Betriebsleiter Andreas Hennig gelebte Integration.

„Kulturelle Vielfalt ist bei uns schon seit Jahren Realität. Deshalb war es nur folgerichtig, Geflüchteten eine Chance zu geben und deren Potenzial zu nutzen“, erläutert er. Bei über 3000 Mitarbeitern am Standort Haldensleben herrsche eine durchschnittliche Mitarbeiter-Fluktuation von 100 bis 150 Mitarbeitern. Neue Mitarbeiter würden deshalb stets gesucht werden, besonders für den Versand-Bereich des Unternehmens.

Stellt Hermes deshalb Flüchtlinge als kostengünstige Alternative ein? „Die Flüchtlinge werden, wie all unsere Mitarbeiter, nach Tarif der Versandhandelslogistik bezahlt“, sagt Andreas Hennig. „Sie kosten uns als Unternehmen unterm Strich sogar mehr, denn wir stellen ihnen Betreuer zur Seite und bezahlen einen zusätzlichen Sprachkurs“, erläutert der Betriebsleiter. Das einzige Manko, das er bei der Einstellung von Flüchtlingen erkennen könne, sei nämlich die Entwicklung der Sprachkenntnisse. „Da hakt es leider noch deutlich“, sagt Andreas Hennig. Aus diesem Grund würden die neun Migranten nach ihrer Arbeitszeit einmal wöchentlich einen Deutschkurs auf dem Werksgelände besuchen, den das Unternehmen bezahlt.

Der Personalbedarf in Haldensleben ist hoch. „Weil das Geschäft weiter wächst und ältere Beschäftigte ausscheiden, benötigen wir im Laufe des kommenden Jahres rund 500 neue Mitarbeiter, die logistische Aufgaben im Versandzentrum übernehmen“, erläutert Andreas Hennig. „Nach den positiven Erfahrungen mit den jungen Eritreern möchten wir zehn Prozent dieser Stellen im gewerblichen Bereich mit Flüchtlingen besetzen.“ Die etwa 50 Migranten sollen dann nicht nur im Versand, sondern auch im Wareneingang, im Kommissionierlager, beim Nachschub und in der Betriebsstätte im Südhafen zum Einsatz kommen.

Dawit Kibrom hofft derweil auf eine Festanstellung bei Hermes. Obwohl es ihm bei seinen Kollegen im Versand-Bereich und bei Hans-Dieter Munsch, der mittlerweile ein enger Vertrauter geworden ist, gefällt, träumt er aber noch von einem anderen Posten im Unternehmen. „Die hohen Regale – dort möchte ich mit dem Auto fahren“, erzählt er mit leuchtenden Augen über die Gabelstapler, die in den Hallen des Standortes unterwegs sind.