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Eingeweiht Wegemarke erinnert an Schäferei

Radfahrer sind es, welche die Wegemarken am Frau-Harke-Sagenpfad am meisten nutzen. Bei einer Radtour wurden gleich zwei davon eingeweiht.

Von Ingo Freihorst 19.10.2015, 20:14

Molkenberg/Neuschollene l Bis zuletzt hatte die Tour auf der Kippe gestanden – regnet es oder nicht? Doch Radler sind hart im Nehmen: Trotz des wolkenverhangenen Himmels traf sich eine Schar Heimatfreunde am Sonnabend kurz vorm Mittag am alten Spritzenhaus in Warnau, um gemeinsam in die Pedalen zu treten. Ortsbürgermeisterin Sonja Isecke begrüßte die Schar und informierte, dass das zum Rastplatz umgebaute Häuschen von Radlern während der Buga rege genutzt war.

Einig war man sich zudem, dass ohne die Gartenschau dieser durchgehende Havelradweg von der Landesgrenze bei Neuschollene bis hin nach Havelberg nicht so rasch zustande gekommen wäre. Zwei geschotterte Stellen existieren noch auf dem Betonbahnenweg zwischen Molkenberg und Warnau – hier hatte lange Wasser gestanden.

Erste Station der Reise war Molkenberg, wo der KulTour-Verein Kamern eine weitere Wegemarke herrichten ließ – diese ist ausnahmsweise der Frau Holle gewidmet. Die Molkenbergerin Ans Briesenick – besser als Frau Harke bekannt – berichtete im Gewand dieser Sagengestalt, dass die Frau Holle wohl die älteste mitteleuropäische Sagengestalt war. In abgewandelter Form ist diese Erdgottheit in ganz Europa zu finden – im Elbe-Havel-Land eben als Frau Harke. Zu Zeiten der Christianisierung stand der heidnische Götzendienst unter Strafe, weshalb das Volk die germanische Göttin Frigg halt zur unverfänglicheren Frau Holle (in etwa: „die Huldvolle“) umtaufte – so eine Theorie. Ausgerechnet ein Kirchenfürst, Bischof Burchard von Worms, erwähnte die Frau Holle erstmals in seinen zwischen 1008 und 1012 verfassten Dekreten.

Bauherr Günter Klam informierte über die zweite Molkenberger Wegemarke: Die Figur der Frau Holle besitzt ein Tor als Symbol für das Backhaus, was hier einst stand. Etliche Steine wurden aus Schollener Straßen geholt, sie waren arg hart gebrannt. Die Rückwand der Sitzgruppe wird noch mit Informationen zur Frau Holle gestaltet, auch der Fußboden soll womöglich noch befestigt werden.

Weiter ging die Radtour nach Neuschollene, wobei sich auch Frau Harke mit aufs Rad schwang: Denn in dem Schollener Ortsteil kurz vor der Landesgrenze nach Brandenburg wurde eine weitere Wegemarke eingeweiht, diese galt wieder der Frau Harke. Allerdings endet der Sagenpfad an der Grenze noch lange nicht – auch an der Kirche im benachbarten Steckelsdorf steht bereits eine Wegemarke. Bevor Schollenes Bürgermeisterin Steffi Friedebold und Ratsmitglied Sebastian Heinike die Wegemarke enthüllten und diese getauft wurde, informierte Ans Briesenick über die Historie des Schollener Ortsteiles – so ist es bei der Einweihung bereits Tradition.

Demnach war Neuschollene einst Allodialbesitz – also ein Eigengut, auf das keine Steuern fällig wurden. Udo von Alvensleben – er lebte von 1823 bis 1910 – kaufte das Anwesen im Jahre 1860, insgesamt waren es 1180 Hektar. Das heruntergewirtschaftete Gut und vor allem die Forstwirtschaft wurde wieder zum Leben erweckt, landwirtschaftliche Flächen wurden verpachtet. Da es in jener Zeit vermehrt schlimme Hochwasser gab, war Udo von Alvensleben einer der ersten, die sich für die Havelregulierung stark machten. Sein in Schollene geborener Sohn Alkmar wurde später ärztlicher Leiter der Magdeburger Frauenklinik.

Das Gut Neu-Schollene, wozu auch die Stärkefabrik in Neu-Molkenberg gehörte, ging 1896 in Erbpacht an Martin Schiele. Dieser baute im Waldstück namens Caputh ein Gehöft zu einer Schäferei um und gab den Bewohnern dafür ein Haus in Neuschollene. Polen und Tschechen brachte er als billige Arbeitskräfte in der eigens dafür errichteten Schnitterkaserne unter. Zudem errichtete er das Vorwerk, 1908 entstand das Gutshaus, es folgten Scheunen und Ställe. Die Steine holte der Bauherr aus seiner Ziegelei bei Potsdam, auf dem Wasser gelangte das Material bis an die Baustelle – der Neuschollener Graben war damals noch schiffbar. 1912 wurde die Straße gepflastert. Das Gutshaus brannte zum Kriegsende nach Volltreffern nieder.

Für die Taufe der Wegemarke brachten die Neuschollener einen eigenen Namensvorschlag: Weil die Flurstücke namens Schlangenspring oder Dewedal – plattdütsch für tiefes Tal – weiter weg lagen, kam der Vorschlag „Schäferei Caputh“. Der Waldweg zu dieser Wüstung befindet sich gleich gegenüber, Erika Altmanns Schwiegermutter berichtete ihr noch von deren Fundamenten. Auch der Tümpel dort ist nun zugewuchert und der Weg abgesperrt. Einst ließ es sich dorthin herrlich spazieren.