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Gespräch zur Flut Witt: Mit Personalkosten alleingelassen

Vor drei Jahren war großes Aufräumen nach der Flut im Elbe-Havel-Land. Fragen zum Wiederaufbau beantwortet Bürgermeister Bernd Witt.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 15.07.2016, 14:16

80 Millionen Euro Flutschäden sind abzuarbeiten. Ist nach drei Jahren Licht am Ende des langen Tunnels zu sehen?

Bernd Witt: 80 Millionen waren es ganz am Anfang. Bedingt durch Nachträge und Sonderlösungen sind es 100 Millionen Euro. Davon sind jetzt noch 80 Millionen abzuarbeiten – auch wenn sich das viel anhört: Das Erreichte stimmt mich optimistisch. Denn wir werden hier in der Region eine Infrastruktur bekommen, die wir uns allein nie hätten leisten können.

Wieviel Zeit lassen die Geldgeber, bis alle Schäden behoben sein müssen?

Der ursprünglich vom Land gesetzte Termin Ende 2016 für außerörtliche Maßnahmen wurde zum Glück schon bald wieder aufgeschoben. Diese Eile konnte ich von Anfang an nicht verstehen. Wie soll man solche Riesensummen in so kurzer Zeit umsetzen? Und da ging es ja sogar auch um den Außenbereich, obwohl die Schadensbewältigung innerhalb der Gemeinden viel notwendiger ist! Aber diese Forderungen sind zum Glück verworfen. Ich denke, es ist sehr optimistisch zu planen, dass die letzten Maßnahmen 2021 abgeschlossen sind. Denn nicht vergessen darf man bei dem riesigen Umfang die Wege, Brücken und Stauanlagen im Außenbereich, deren Herrichtung ja auch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Immer wieder ist zu hören, dass das Bauamt mit all der zusätzlichen Arbeit überlastet ist. Inwieweit bringt die vom Land finanzierte Projektsteuerung mit einem Büro in Schönhausen Erleichterung?

Ja, unsere kleine Bauverwaltung arbeitet an der Grenze des Machbaren, oft auch darüber hinaus. Es gibt acht Mitarbeiter, die auch für das Gebäudemanagement, Liegenschaften oder auch die Unterhaltungsverbände zuständig sind. Die Projektsteuerung ist eine zusätzliche große Unterstützung, sie kann aber nicht alles erledigen. Dass sie eine große Unterstützung ist, das hat sie in den letzten Monaten seit ihrer Arbeitsaufnahme bewiesen.

Aber das Bauamt hat dennoch mehr als genug zu tun ...

Das kann man so sagen. Denn alle Dinge sind wichtig und nichts sollte vernachlässigt werden. Gegenwärtig läuft ja auch die Umgestaltung der Außenanlagen am neuen Schollener Kindergarten. Und es gibt unzählige Zuarbeiten für geplante Projekte wie die Rathaussanierung in Sandau oder den Kindergartenneubau in Schönhausen. Nicht in Vergessenheit geraten dürfen die vielen Kleinigkeiten, die tagtäglich auflaufen. Und sei es nur eine kaputte Straßenlampe oder eine ausgefallene Heizung. Und dann gibt es da auch noch das neue Förderprogramm Stark V, das dem Elbe-Havel-Land 1,3 Millionen Euro beschert. Die Projekte, die wir bis Ende 2018 fördern wollen, müssen ordentlich vorbereitet werden, wofür nicht mehr viel Zeit ist. Unter anderem wollen wir in allen Orten die Straßenbeleuchtung modernisieren, um so auf Dauer Geld zu sparen. Außerdem sollen über dieses Programm beispielsweise auch die Spielplätze der Kindergärten in Klietz und Wust mit neuen Geräten ausgestattet werden.

Wieviele Mitarbeiter sind mit den Flutmaßnahmen beschäftigt?

So pauschal lässt sich das gar nicht beziffern. Irgendwie ist die gesamte Verwaltung damit beschäftigt, beim Bauamt angefangen über die Kämmerei bis hin zum Haupt- und Ordnungsamt. Tatsächlich haben wir drei Personen im Bauamt und eine Person in der Kämmerei zusätzlich eingestellt.

Finanzielle Unterstützung vom Land, wie sie beispielsweise vom Kamernschen Bürgermeister Arno Brandt immer wieder eingefordert wird, gibt es nicht?

Nein, die gibt es nicht mehr. Bis März 2015 war eine finanzielle Unterstützung von Personal möglich. Seitdem hat die Verbandsgemeinde die anfallenden Lohn- und Sachkosten selber zu tragen. Das ist bedauerlich. Da haben die Geldgeber nicht genug Weitsichtigkeit bewiesen und man lässt uns mit den Personalkosten allein dastehen. Obwohl es immer hieß, dass von der EU genug Mittel zur Flutschadensbeseitigung bereitgestellt werden.

Hat das Land alle eingereichten Maßnahmen bewilligt?

Ja, alle 440 Projekte sind von den zuständigen Behörden wie dem Landesverwaltungsamt, der Investitionsbank und auch vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten genehmigt.

In Fischbeck selbst geht es nach schleppendem Start ja inzwischen Schlag auf Schlag mit der Einweihung der Flut­objekte. Haus der Vereine, Bürgerhaus, Spielplatz, Kabelitzer Straße und Feuerwehr-Gerätehaus sind fertig. Wenn die Bundesstraße samt Nebenanlagen fertig ist, fehlt nur noch die neue Straße durch die Darre und die Straße runter zur Elbe. Oder gibt es noch mehr zu tun?

Noch einiges. Neben den genannten Straßen sind noch weitere geplant wie zum Beispiel der Mühlenweg, an der Feldsiedlung oder an der Heide. Dazu kommen noch der ländliche Wegebau und nicht zu vergessen die Reparaturen in den anderen Ortsteilen der Gemeinde. Bisher wurden von den beantragten Maßnahmen 17 fertiggestellt. Die wichtigsten Gebäude und Infrastrukturanlagen sind inzwischen aber nutzbar.

In Wust wird mit der Ortsdurchfahrt und dem Jugendklub auch gerade an zwei Stellen gebaut. Fehlt dann noch der neue Bauhof ...

Ja, der gehört auch zu den größeren Projekten. Und dann kommen noch der Park, das Backhaus auf der Siedlung, Nebenanlagen in der Breiten und der Alten Straße oder Ersatzpflanzungen von Bäumen im öffentlichen Bereich dazu.

Das größte Flut-Projekt ist der Neubau der Sporthalle in Schönhausen. Wie weit sind die Vorbereitungen gediehen?

Für diesen Ersatzneubau läuft das Baugenehmigungsverfahren. Dieses Jahr noch beginnen zu können, wird knapp. Ich rechne eher mit Frühjahr 2017.

In Schönhausen wird außerdem gerade im Park, im Gerätehaus der Feuerwehr und am Ersatzbau für das weggerissene „Melkerhotel“ in der Breitscheidstraße gebaut. Was ist hier dann noch offen?

Etliches, unter anderem der Bauhof im Gewerbegebiet, das Torhaus und das Museum im Park oder der Speicher im Park. Abgerissen werden kann auch das Fachwerkhaus in der Breitscheidstraße. Außerdem wird auch gerade an vielen Straßen gebaut, was wegen der Sperrungen auch eine Herausforderung für die Anlieger ist.

In Kamern nimmt der neue Jugendklub Gestalt an und der entschlammte See lädt bald wieder zum Baden ein. Was ist in der Gemeinde Kamern noch zu tun?

Auch hier gibt es noch sehr viel zu tun. Ob es der Campingplatz mit seinen Gebäuden ist oder die Vielzahl der Gemeindestraßen. Einige Radwege beziehungsweise der ländliche Wegebau sind auch noch nicht komplett realisiert.

Warum wird der Klietzer See nicht auch entschlammt?

Da hätte die Bundeswehr als Eigentümer den Antrag stellen müssen. Wir haben für unsere Liegenschaften, zu denen der Kamernsche See oder aber auch die Gewässer bei Kabelitz gehören, die Anträge gestellt.

Macht es Sinn, für die veranschlagten rund 300 000 Euro Flutschadensbeseitigung die Badestelle herzurichten, wenn man gar nicht im See baden kann?

Das wäre schon widersinnig. Deshalb muss man jetzt Druck auf die Verantwortlichen ausüben, damit auch hier etwas gegen die Verkrautung getan wird. Wir dürfen den Verlandungsprozess des Sees nicht dulden! Wir halten auf jeden Fall an den Plänen zur Badestellengestaltung fest. Schön wäre es natürlich, dann zur nächsten Saison ein ansprechendes Ambiente vorweisen zu können.

Der Radweg entlang des Klietzer Sees ist in denkbar schlechtem Zustand ...

Der Zuwendungsbescheid für die Erneuerung liegt vor. Auch ihn nehmen wir in Angriff. Aber gegenwärtig gibt es Wichtigeres.

In der Klietzer Seesiedlung wird gebaut, die Mühlenstraße wird saniert und dann kommt noch die Damm- und die Trübenstraße dran – wann ist mit dem Abschluss der Bauarbeiten in Klietz zu rechnen?

Schwer zu sagen. Da ist noch so viel zu tun. Wenn die Abwasserleitungen verlegt sind, kommen ja erst die Straßen dran.

Auch in Scharlibbe hat die Flut Schäden an den Straßen hinterlassen. Wann kommen die an die Reihe?

Im Gartenweg und am Mühlenberg wird dieses Jahr noch begonnen.

Im Schönhauser Park, der nach dem Fällen der Bäume ziemlich licht geworden ist, läuft die Sanierung inzwischen ja. In Wust sind bisher lediglich die gefährdeten Bäume gefällt worden. Wann soll es denn hier losgehen?

Hier wird es erst im Frühjahr 2017 erste gestalterische Maßnahmen geben. In diesem Jahr soll noch die Grabenberäumung und Wiederherstellung der Gewässeranlagen erfolgen.

In Fischbeck, auf dem Wuster und auf dem Schönhauser Damm werden gerade drei neue Wohnhäuser als Ersatz für flutgeschädigte gebaut. Haben Sie einen Überblick, wieviele Eigenheime nicht mehr sanierbar waren?

Wir können ja mal zusammenrechnen: fünf in Schönhausen, sechs in Fischbeck, drei in Kabelitz, eines in Hohengöhren, fünf in Wust und je eines auf dem Schönhauser und dem Wuster Damm. Also 22, wenn ich keines vergessen habe.

Wenn solche Bilder wie unlängst von der Überflutung in Bayern im Fernsehen zu sehen sind, was geht Ihnen da durch den Kopf?

Da kommen die Erinnerungen wieder hoch, obwohl man ja ohnehin fast immer daran denkt. Inzwischen können wir dankbar sein, dass wir das Gröbste überstanden haben, auch wenn es im privaten Bereich noch den einen oder anderen Härtefall gibt.

Wie gut ist das Elbe-Havel-Land auf eine mögliche neue Katastrophe vorbereitet?

Wir arbeiten dran, einige Hausaufgaben sind erledigt. Die Zusammenarbeit mit der Hochwasserschutz-Initiative ist sehr hilfreich. Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Wetter immer extremer wird und wir es mit Schäden durch Windhosen oder Hagelschlag zu tun bekommen. Deshalb sollte auch zentral ein Katas­trophenschutzlager eingerichtet werden, Möglichkeiten gäbe es einige mit zentral gelegenen Objekten. Am besten wäre ja, im Süden, in der Mitte und im Norden Dinge vorzuhalten, um im Ernstfall kurze Wege zu haben. An einigen Stellen gibt es auch schon Lagerstätten beispielsweise mit Sandsäcken und Folien. Zu diesem Thema sind noch Gespräche im Verbandsrat nötig, und andere Orte werden geprüft. Es wird auch wieder eine Katas­trophenschutzübung geben. Wir wollen gut vorbereitet sein. Wichtig ist auch, dass die Flut nicht aus den Köpfen der Verantwortlichen verschwindet. Und ich kann nur daran appellieren, verantwortungsvoll mit der Vorbereitung auf Katastrophen umzugehen. Das betrifft nicht nur den öffentlichen Bereich, sondern auch die privaten Haushalte, die sich ausreichend versichern sollten.