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Vortrag Elbe gräbt sich immer tiefer in ihr Bett

Soll die Elbe mehr als Wasserstraße ertüchtigt oder lieber ökologisch aufgewertet werden ? Dazu berichtete Iris Brunar vom BUND in Ferchels .

Von Ingo Freihorst 28.06.2017, 18:00

Ferchels l Iris Brunar befasst sich seit 15 Jahren gleich in doppelter Funktion mit dem auf 600 Kilometern frei fließenden Fluss in Deutschland: Sie arbeitet im Elbeprojekt des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und zudem ehrenamtlich als Sprecherin der BI „Pro Elbe“. Darüber informierte sie zu Beginn ihres Vortrages beim „Jour fixe“ im Naturfreundehaus in Ferchels.

Zuerst gab es einen Ausflug in die Geschichte des Flusses. Bevor dieser reguliert worden war, war es ein breites und flaches Gewässer, was zumeist in mehreren Armen dahinfloss, auch gab es zahlreiche Inseln. Durchgängiger Schiffsverkehr mit kleinen Booten war nur beschränkt möglich.

Der Ausbau mit Buhnen und Leitwerken begann im 19. Jahrhundert, die für den Fischnachwuchs wichtigen Altarme wurden abgeschnitten. Viele Buhnen ragten hunderte Meter ins Wasser, dazwischen verlandete der Fluss und wurde schmaler – das war gewollt. Dennoch blieb die Elbe in Deutschland relativ naturnah, im Gegensatz zu Tschechien, wo sie sich durch 24 Staustufen zwängt.

Die Sandufer sind eine Besonderheit, dort lebt mit 310 allein die Hälfte aller europäischen Vogelarten. Entsprechend gibt es hier 43 Natura-2000-Schutzgebiete, darunter zehn Vogelschutzgebiete.

Allerdings hat in der Politik auch die Wasserstraße Priorität: So wurden letztes Jahr etliche Buhnen bei Coswig neu errichtet, pro Jahr steckt der Bund geschätzte 20 bis 40 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Wasserstraße Elbe. Dabei ist der Güterverkehr trotz verbesserter Befahrbarkeit seit Jahren rückläufig: Im Jahr 2015 wurden gerade mal 0,3 Millionen Tonnen Güter transportiert – 0,2 Prozent des Gesamtgüterverkehrs im Elberaum. 1989 waren es noch 9,5 Millionen Tonnen, 1913 sogar noch 18 Millionen Tonnen.

Das Dilemma der Elbe: Ihre Schiffbarkeit ist nicht vorhersagbar, als Transportweg ist sie unzuverlässig. So konnte sie wegen Niedrigwassers im Jahr 2000 an 250 Tagen nicht befahren werden, 2015 waren es 187 Tage und im Vorjahr 120 Tage.

Ein Dilemma für die Natur: Das eingeengte Flussbett gräbt sich an etlichen Stellen immer tiefer in den Untergrund, im Jahr um zwei Zentimeter. Bei Barby sind es inzwischen 2,6 Meter. Dadurch sinkt auch der Grundwasserspiegel in der Aue, die Wälder sterben ab.

Den Zwist zwischen Naturschützern und Binnenschifffahrt will die Bundesregierung nun mit einem Gesamtkonzept lösen. Ein unlösbares Problem, meinte Iris Brunar. Eine Fahrrinnentiefe von 1,4 Metern an 345 Tagen sei unrealistisch. Dieses Ziel müsste mit den Naturschutzvorgaben in Einklang gebracht werden – was unvereinbar ist. Denn die Naturschützer wollen hingegen die Sohl-Erosion umkehren, wozu der Fluss wieder wie einst flacher und breiter werden müsste. Für eine bessere Schiffbarkeit wären bis zu 30 Staustufen nötig.

Ein am 22. Juni gefasster Bundestagsbeschluss hat die Naturschützer jetzt aufhorchen lassen: Weil das Gesamtkonzept steht, soll das Moratorium zum Elbeausbau aufgehoben werden. Die Naturschutzverbände hatten diesem Konzept übrigens ihre Zustimmung verweigert.