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Kulturattaché Chapuis: "Beziehung zu Frankreich ist stark"

Seit September hat das Institut français in Magdeburg einen neuen Chef - der vor allem mit Ostdeutschland sehr vertraut ist.

04.01.2016, 00:01

Der neue Leiter des Institut français in Magdeburg, Damien Chapuis, möchte in den kommenden vier Jahren neue Akzente in der deutsch-französischen Zusammenarbeit zwischen Sachsen-Anhalt und Frankreich setzen. Mit der Volksstimme hat er über seine ersten Eindrücke von Magdeburg und kommende Projekt gesprochen.

Volksstimme: Sie sind erst seit September 2015 Leiter des Institut français in Magdeburg, kennen sich aber schon aus im Osten Deutschlands. 

Damien Chapuis: Ja. Ich habe acht Jahre in Dresden gelebt. Ende der 90er Jahre habe ich dort im Institut français gearbeitet.

Dann dürften Sie sich ja auch in Sachsen-Anhalt bestens auskennen.

Ich kenne Sachsen sehr gut und entdecke gerade Sachsen-Anhalt mit großem Spaß.

Wo waren Sie schon überall?

Außer natürlich in Magdeburg war ich sehr oft in Halle, Quedlinburg, Halberstadt, Stendal, Tangermünde und im Harz. Wenn alles gut geht, bleibe ich vier Jahre in Magdeburg. Ich habe also noch sehr viel Zeit, das Land zu entdecken.

Wo in Frankreich sind Sie aufgewachsen?

Ich komme aus Saint-Étienne. Das liegt ungefähr 60 Kilometer von Lyon entfernt.

Ihre Heimat ist gerade touristisch eine sehr schöne Gegend. Was ist Ihr erster Eindruck von Magdeburg?

Ich wohne in der Nähe der Gruson-Gewächshäuser. Das ist eine sehr schöne Gegend am Klosterbergegarten. Magdeburg ist eine Stadt, die man entdecken muss. Es erinnert mich städteplanerisch ein bisschen an Berlin. Was auch hier fehlt, ist ein klassisches Zentrum. Das macht die Stadt aber zugleich auch interessanter. Es braucht Zeit, Magdeburg zu verstehen. Wenn man sieht, was für eine Geschichte diese Stadt besitzt und welches Bild die Stadt heute hat, dann gibt es dazwischen noch eine Kluft. Was meine ich damit? Man muss begreifen, was für eine Vergangenheit diese Stadt hat. Historisch gesehen ist Magdeburg eine der wichtigsten Städte Deutschlands. Und das wissen nicht mehr alle Menschen.

Der bekannteste Punkt im Stadtbild ist sicherlich der Magdeburger Dom.

Ja, genau. Wenn man vor dem Dom und auf dem Domplatz steht, dann sieht man die historische Bedeutung von Magdeburg auch. Ich habe kürzlich eine Führung zu französischen Spuren in Magdeburg mitgemacht. Das ist wirklich beeindruckend, was hier alles passiert ist und, dass die Geschichte der Stadt so lang zurückreicht.

Was sind die sichtbarsten Spuren?

Zum Beispiel die Wallonerkirche am Wallonerberg.

Kürzlich wurde am Hauptbahnhof ein Grab aus der Zeit Napoleons entdeckt.

Das Gebiet in Mitteldeutschland ist ein Gebiet, in dem viele Spuren auf die Zeit Napoleons zurückführen. Aber auch die Hugenotten haben davor ihre Spuren hinterlassen. Das sieht man zum Beispiel an den Familiennamen. Wir sind hier in den Gruson-Gewächshäusern. Gruson ist ein Familienname aus Nordfrankreich, dem aktuellen Pas-de-Calais. Die Familie musste damals das Land verlassen. Die Beziehung dieses Teils von Deutschland zu Frankreich ist historisch gesehen sehr stark. Man denkt bei deutsch-französischen Beziehungen immer an das Saarland, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Aber es geht viel weiter. Die Beziehungen zu Frankreich sind auch in Mitteldeutschland sehr wichtig. Ich merke das auch in meinem Job. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass das Institut in der Staatskanzlei untergebracht ist. Das zeigt, dass für das Land Sachsen-Anhalt die Beziehungen zu Frankreich sehr wichtig sind. Nicht nur kulturell, auch wirtschaftlich und im universitären Bereich. Das sehe ich auch als meine Aufgabe an, diese Beziehungen weiter zu vertiefen und voranzutreiben.

Wie muss man sich das rein praktisch vorstellen? Wenn ich zum Beispiel eine Projektidee habe. Kann ich dann an Sie herantreten und Sie unterstützen mich bei der Umsetzung?

Ja, genau. Das ist ein Teil meiner Arbeit. Oder ich habe eine Idee und spreche Leute an. Ich denke zum Beispiel an die Stiftung Bauhaus in Dessau. Das ist wirklich ein sehr wichtiger Partner für uns. Aber auch kulturelle Einrichtungen in Magdeburg und Halle sind langjährige Freunde der französischen Kultur, hier der Moritzhof zum Beispiel. Auch mit der Oper, mit dem Puppentheater, mit dem Kunstmuseum oder mit der Telemann-Gesellschaft haben wir gemeinsame Projekte. Aber wir arbeiten auch mit den Universitäten und den Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Mein Wunsch ist es, verstärkt Gesellschaftsfragen anzusprechen, Themen, die sowohl in Frankreich, Deutschland oder auf europäischer Ebene aktuell sind. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir 2016 mit der Europameisterschaft in Frankreich ein sportliches Großereignis vor der Brust haben.

Eine Ihrer ersten Amtshandlungen war die Organisation einer Klima-Ausstellung in den Gruson-Gewächshäusern. Warum?

Für uns war es wichtig, etwas im Rahmen der Cop 21 (UN-Klimakonferenz in Paris 2015) zu organisieren. Startpunkt war eine Diskussion im Moritzhof Anfang November. Die Ausstellung in den Gruson-Gewächshäusern läuft noch bis zum 7. Januar.

Warum ist es für das Institut français wichtig, etwas über das Klima zu machen?

Die Cop 21 war eines der größten diplomatischen Ereignisse, die je in Frankreich stattgefunden haben. Das Thema ist – was die Zukunft der Erde angeht – im Moment überhaupt das wichtigste. Frankreich hat sich in den vergangenen zwölf Monaten sehr viel Mühe gegeben. Höhepunkt waren schließlich die Verhandlungen Ende November/Anfang Dezember in Paris. Und es konnte ein Ergebnis erzielt werden, das befriedigend für alle ist.

Wie bewerten Sie den Klimakompromiss von Paris?

Es war alles andere als sicher, dass überhaupt ein Kompromiss geschlossen wird. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass während solcher riesiger Verhandlungen mit 196 Teilnehmern alles passieren kann – vor allem mit Ländern, die auf einmal alles blockieren können. Das nun erzielte Ergebnis zeigt, dass die internationale Gemeinschaft das Problem anerkannt hat. Es wurde eine Vereinbarung getroffen, die rechtsbindend und universal ist. Wir dürfen eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur von 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht erreichen. Und selbst das ist noch zu viel. Ziel ist eine maximale Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius. Das ist auch ein Ergebnis der Cop 21. Die Staaten haben anerkannt, dass selbst 2 Grad zu viel sind. Paris ist also nicht das Ende, sondern der Anfang, dass in einer nahen Zukunft erneut über Ziele und Vereinbarungen gesprochen werden muss.

Verlassen wir kurz das hohe diplomatische Parkett und kommen in die Gruson-Gewächshäuser in Magdeburg. Noch mal die Frage: Warum macht das Institut français eine Ausstellung zum Klima?

Es ist wichtig, das Publikum zu sensibilisieren. Die Leute merken meistens nicht, dass der Klimawechsel Folgen für ihr eigenes Leben haben wird. Und das sehr schnell. Das ist nicht erst in 20  Jahren der Fall. Es passiert schon jetzt. Wenn wir beispielsweise von Überschwemmungen reden, dann wissen die Menschen in Sachsen-Anhalt, um was es geht. Sie haben es innerhalb von zehn Jahren zwei Mal erlebt. Es muss den Leuten klar sein, dass solche extremen Wetterverhältnisse in Zukunft öfter vorkommen werden, wenn wir dagegen nichts unternehmen werden.

Sie haben bereits in diesem Bereich gearbeitet. Wo genau?

Ich habe einen Klima-Gipfel für nicht staatliche Akteure und Gebietskörperschaften organisiert. Der fand Anfang Juli in Lyon statt (World summit climate and territories). Nichtregierungsorganisationen und Gebietskörperschaften sind extrem wichtig für Verhandlungen. Das hat sich auch in Paris gezeigt. Staaten wie Deutschland, Kanada oder die USA sind föderale Staaten. Die Länder in Deutschland, die Provinzen in Kanada und die Staaten in den USA haben eine sehr große Verantwortung. Wir haben das beispielsweise in Kanada gesehen. Die Provinzen haben sehr viel Macht und können sich im Zweifel auch gegen die Zentralregierung entscheiden.

Sie sind seit Anfang September in Magdeburg. Ist das Thema „Klima“ ein Schwerpunkt, den Sie bei Ihrer Arbeit in den nächsten Jahren setzen wollen?

Ja. Das war natürlich aufgrund der Aktualität für mich besonders interessant. Ich denke, dass es gerade beim Thema Klima zwischen Frankreich und Deutschland viele Austauschmöglichkeiten gibt. Ich als Leiter des Institut français in Magdeburg würde gern dazu beitragen, dass dieser Austausch weiter vertieft wird. Das betrifft die Zusammenarbeit von Universitäten, Unternehmen und der Politik. Wenn wir beispielsweise von Wasser reden, dann sprechen wir auch über Themen wie Wasser- und Hochwasserschutz, über Überschwemmungen und über Verschmutzung von Wasser. Ich denke, es ist interessant zu sehen, was in diesen Bereichen in Frankreich und in Deutschland passiert.