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Lesung "Maschine" erzählt aus seinem Leben

Dieter Birr musste kein Eis brechen - es war von Anfang an keins da. Der Sänger der Puhdys erzählte in Osterburg aus seinem Leben.

Von Astrid Mathis 20.10.2017, 01:01

Osterburg l Schon in den 70ern standen die Osterburger Schlange, um ein Konzert der Ostrockgruppe Puhdys im Kreiskulturhaus zu erleben. Wie Ingrid Melms erinnerten sich viele daran, wie glücklich sie waren, als sie Karten ergatterten. Werner Ruby, dem es genauso ging, hatte diesmal das Privileg, den Künstler und den früheren Tourmanager der Band Kai Suttner zum Abendessen in die Gaststätte „Zum Kanzler“ zu begleiten. „Ganz locker“ plauderten sie über seine Enkel und das gute Schnitzel, das der Berliner gleich auf Face­book postete. Altmärkische Hochzeitssuppe hatte Birr für später bestellt, denn er weiß ja um die regionalen Vorzüge.

Mit seiner herzlichen Offenheit nahm er das Publikum kurz darauf in der Talkshow sofort für sich ein. „Hier is‘ ja die Hölle los!“ rief „Maschine“ begeistert aus und war in seinem Element. Der Sänger kennt es auch anders: Als er nach der Wende vor 20, 30 Leuten spielte und dachte: ‚Das war’s jetzt.‘ Oder in seinen Anfangsjahren in gemütlicher Clubatmosphäre. „Ich muss keenem mehr was beweisen“, sagte er auf Berlinerisch fast nebenbei und erntete Kopfnicken.

Vor zwei Jahren ging er mit den Puhdys auf Abschiedstour, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Hallen füllten sie so leicht, dass Dieter Birr ganz gerührt war. Und dann sollte das Ganze in Berlin noch aufgezeichnet werden! Es war beein­druckend, schwärmt der Sänger heute. 27 Jahre hatte die Band nach der Wende auf dem Musikmarkt bestanden, 1969 erlebte er in Freiberg sein erstes Puhdys-Konzert. Was für eine Geschichte! Inzwischen hat „Maschine“ mit Kollegen aus den Bands Karat und Silly eine neue Rockgruppe gegründet und eine CD („Neubeginner“) aufgenommen. Das nächste Solo-Album, eins mit eigenen Liedern zur Weihnachtszeit, ist in Planung.

Als der in Pommern geborene Sänger nach Berlin kam und nicht in den Trümmern spielen durfte, war noch nicht daran zu denken, dass sich aus einfachem Akkordeonspiel durch den Onkel einmal Leidenschaft für Gitarre und Gesang ergeben würde. Nach Schlagern auf Laubenpieperfesten und Betriebsvergnügen begann die Zeit, Deep Purple und die Rolling Stones nachzuspielen. „Türen öffnen sich zur Stadt“ war der erste eigene Song und in deutscher Sprache. Weshalb er das erzählte? Gardelegener wollten die Puhdys im Fernsehen sehen und schrieben mit Erfolg einen Brief. Nur hatten die Jungs lange Haare, und die sollten ab. Niemals! Was blieb? Hochstecken! „Es sah absolut bescheuert aus“, erinnerte sich „Maschine“ und fügte hinzu: „Das Wichtigste ist, dass du glaubwürdig bist und gute Musik machst.“

Humorvoll erzählte der 73-Jährige weiter aus seinem Leben: von seiner großen Liebe Gisela, in die er mit 16 verliebt war und die er immer wieder traf, von seiner Frau Sylvia, die seine Unordnung seit 35 Jahren erträgt, weil sie seine Geduld schätzt, von seinem Schäferhund, der mal einer Nachbarin auf den Rücken sprang, von seinem Witz mit Mario Adorf, in dem ein 90-Jähriger zum Arzt geht. Und von dem Bassisten Harry Reske, der ein Geschäftsgenie war, weil er ihn überredete, einen Bootsmotor in der Sowjetunion zu kaufen, da man ihn hierzulande für irgendwas wieder eintauschen könnte.

Wie er Udo Lindenberg begegnete und was er sonst noch Unterhaltsames zu berichten hat, steht in seinem Buch „Maschine“, das er nach der Talkshow fleißig signierte. Vorher durfte er sich in das Ehrenbuch der Stadt Osterburg eintragen. Ihm hätten die Altmärker schließlich viele schöne Erinnerungen zu verdanken, bemerkte Bürgermeister Nico Schulz, „weil du ein Held unserer Zeit bist.“

Musikalisch verabschiedete sich Dieter „Maschine“ Birr mit einem Streifzug durch alte und neue Songs. „Boote der Jugend“ hatte er damals seinem Sohn gewidmet. Beim „Ohohohohoho“ der Eisbären sangen alle mit, genauso wie bei „Alt wie ein Baum“ die Textzeile „Zwischen Himmel und Erde zu sein.“ Wenn er sich was wünschen dürfte, dann, „dass alles so bleibt und sich ganz langsam steigert.“