Torsten Rohde „Hauptberuflich Oma“

Torsten Rohde, der Kopf von Twitter-Oma Renate Bergmann, spricht im Volksstimme-Interview über das strapaziöse Leben als vierfache Witwe.

14.11.2015, 23:01

Kunstfigur Renate Bergmann (82) begeistert mit ihren Twitter-Nachrichten täglich 30 000 Menschen. Mit „Das bisschen Hüfte, meine Güte“ ist Bergmann-Erfinder Torsten Rohde am kommenden Montag in Schönebeck. Über sein Alter Ego Renate spricht Rohde mit Massimo Rogacki.

 

Volksstimme: Ihr erstes Lebenszeichen als Renate Bermann haben Sie 2013 gesendet. Es lautete: „Guten Tag. Ich heiße Renate Bergmann und bin neu hier.“ Hätten Sie geglaubt, dass die Figur so schnell populär wird?

Torsten Rohde: Nein. Eigentlich war all das als Gag gedacht. Ich habe einfach einige typische Alte-Frauen-Sprüche im Bus oder beim Friseur gesammelt. Und habe sie dann Renate Bergmann, einer 82-jährigen fiktiven Rentnerin, in den Mund gelegt. Ich habe also nichts weiter gemacht, als die Ohren gespitzt.

Bedienen Sie Klischees?

Klar, bis heute lebt die Figur von Klischees. Das wollen die Leute auch. Jeder hat die Erinnerungen an Oma mit der Kittelschürze, die nach Kölnisch Wasser riecht, im Kopf. Diese Klischees bediene ich, sicher.

Wie häufig meldet sich Frau Bergmann zu Wort?

Ich versuche schon, regelmäßig zu schreiben. Wenn mal eine Zeit lang nichts kommt, gibt es gleich Nachfragen à la „Frau Bergmann, muss man sich Sorgen machen?“ Schließlich ist sie ja schon 82 Jahre alt.

Und wenn es wirklich mal gar keine Inspirationsquelle gibt …

… dann gibt es die Klassiker. Omas müssen immer mal zum Arzt Blutdruck messen, oder Kartoffeln schälen. Alle Omas beschweren sich, dass die Enkelkinder nie anrufen.

Wissen jetzt alle, dass Renate eine Kunstfigur ist?

Ja, ich denke schon. Nur bis zum Erscheinen des ersten Buches habe ich meine Identität bewusst verschleiert. Am Anfang habe ich noch gesagt: Lasst mich mal in Ruhe machen. Ich war ja noch als Controller tätig.

Jetzt machen Sie beruflich aber nichts mehr nebenher?

Nein, nein. Inzwischen bin ich hauptberuflich Oma. Wenn man es mit vollem Einsatz machen will, dann geht das nicht nebenbei.

Entwickelt sich Renate eigentlich weiter?

Nein, sie ist und bleibt 82. Das war von Anfang an das Spannungsverhältnis. Eine Rentnerin, die mit einem I-Phone unterwegs ist, die twittert und bei Facebook präsent ist. Sie steht Neuem offen gegenüber.

Sehen Sie das Älterwerden seit der Erschaffung Renates mit anderen Augen?

Na, genau genommen gibt es Dinge, die mich jetzt schon überfordern. Mein neuer Fernseher hat mir etwa neulich nach einem falschen Knopfdruck im Sendersuchlauf die Programme alphabetisch sortiert. Jetzt ist das ZDF auf Platz 983. Ich kriege das da einfach nicht mehr weg. Da stelle ich mir vor, wie verzweifelt erst eine 82-Jährige in diesem Moment sein muss. Die Welt ändert sich so rasend schnell.

Man greift für die Tweets also auf Szenen wie diese zurück?

Sicher. Ich habe mal davon berichtet, wie Renate am Bankautomaten fälschlicherweise ihre Krankenkassenkarte in den Schlitz schiebt. Sieht ja ähnlich aus, ist auch ein Chip drauf. Nur dann geht plötzlich der Alarm der Bank los.

Doch Renate lässt sich auch davon nicht verunsichern!?

Das stimmt. In Wahrheit wünsche ich mir, immer so frisch im Kopf zu bleiben wie Renate. Immer am Puls der Zeit und unterwegs. Ihr Motto ist ja auch „Wer rastet, der rostet“.

Wie steht es um die Liebe? Hat Renate nach vier Ehemännern noch Ambitionen?

An den Herren ist sie im Augenblick nicht so interessiert. Wenn ich doch mal eine Begegnung andeute, sind einige Leser gleich versucht, nach einer fünften Ehe zu fragen.

Was ist eigentlich aus den vier Ehemännern geworden?

Die sind alle tot. Was Renate vor ein logistisches Problem stellt. Die sind auf vier Friedhöfe in Berlin verteilt. Wenn Gießtag ist, ist sie locker einen halben Tag unterwegs.

Was erwartet die Besucher in Schönebeck?

Schauspielerin Anke Siefken wird die Renate geben. Sie macht eine Art Monolog. Ein Comedyprogramm, eine Mischung aus Cindy aus Marzahn und Heidi Kabel. Es lohnt sich.

Lesung am 16. November, 19.30 Uhr, Dr.-Tolberg-Saal, Badepark 1. Karten für 15 Euro in den Stadtinformationen in Schönebeck oder telefonisch unter (03928) 70 55 55.