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Heimaträtsel Einige Leser erkennen Tankstelle

Im Heimaträtsel wurde nach einer Straße gefragt, die im vergangenen Jahrhundert mehrfach den Namen gewechselt hat.

Von Thomas Linßner 14.04.2016, 03:38

Barby l „Man muss schon sehr genau hinschauen, aber als echtem ‚Barwyer‘ fällt es nicht schwer, die Schulzenstraße zu erkennen. Der Blick des Fotografen geht in Richtung Stadtmitte“, schreibt Winfried Schiffel aus Barby. Im Hintergrund erkannte er das Dach der Schule, in die er auch ging. „Auch der Schornstein der Bäckerei Sippmann ist zu erkennen. Vorn links dürften die Schlosserei Börner und auch das Haus von Heinrich Milker zu erkennen sein“, überträgt Schiffel die Namen der heutigen Hausbesitzer auf jene Zeit vor über hundert Jahren.

Richtig lag auch Gudrun Wöhlert (geborene Müller) aus Schwerin: „Das Rätsel war für mich sehr schwer zu lösen, da ich schon lange nicht mehr in Barby wohne, aber ich konnte auf die Erinnerungen meines Vaters zählen. Wenn das Foto zu der Zeit entstanden wäre, als bei Steller/Franke schon die Zapfsäulen standen, hätte ich es sicher auch allein geschafft.“

Wer kennt sich in dieser Gegend wohl besser aus, als Brigitte Börner, deren Vater Heinz Steller Mopedwerkstatt und Tankstelle betrieb? „Ich wurde in diesem Haus geboren, wo ich noch immer lebe“, so die 68-Jährige. Ihr Opa Hermann Franke hatte eine Schlosserei im Haus Nr. 38 gegründet, die heute noch existiert.

Brigitte Börner zählt Handwerker und Gewerbetreibende auf, die in diesem Straßenabschnitt lebten und deren Nachkommen es heute zum Teil immer noch tun: Bäcker Sippmann, Gastwirt Franz Krüger, Müller Radespiel, Gärtner Möbes/Ries, Bäcker Schröder, Lebensmittel Röhl, Transport Ewald Jacob, Steinmetz Ulrich, Kaufmann Jädicke, Böttcher Seidel oder Kfz-Krüger. Auch heute sind in der Schulzenstraße viele kleine Läden zu finden: Jutta Theiß, Schlosserei Horenburg, Schuhladen, Florist, Telefon- und Computerservice, Geschenke-Köhler, Fußpflege Thume oder Elektro-Milker. Auch die Landwirte Lichtenfeld und Milker werden genannt.

Fritz Bertram erinnert sich an Ofensetzer „Töpper Bauer“, dessen Tochter Faustballerin war. Auch zu Friseur Ritter (später Jacob) ging man, um seine Frisur in Form bringen zu lassen. Bertram nennt die Seilerei Köhler, als Zahnärztin praktizierte Fräulein Paasch. „Wir sind besonders gerne im Herbst durch die Schulzenstraße gegangen.

 Weil man dort so viele Haselnüsse auflesen konnte“, erzählt der Barbyer. Damit meint er die seltenen Baumhasel-Bäume, die es heute nur noch an der Reha-Klinik und in der Schloßstraße gibt. Auch zum Kupferschlacke-Pflaster, das noch in den 1990er Jahre in vielen Straßen lag, kann Fritz Bertram eine Geschichte erzählen. Das war besonders glatt, egal ob es regnete oder trocken war. „Da haben die Bauern ihren Pferden Lappen um die Hufeisen gebunden, damit sie nicht so rutschten.“

Dass dort das Schulzentor (wonach die Straße ihren Namen hat) stand, wurde vielen Barbyern erst bei Heimatfesten 1961, 1986 oder 2011 bewusst, als Stadttor-Attrappen aufgestellt wurden.

2009 stieß man beim Verlegen von Abwasser-Hausanschlüssen auf ein unerwartetes Hindernis. Unter dem Pflaster der Schulzenstraße ärgerte die Bauleute das Fundament des mittelalterlichen Stadttors. In der etwa drei Meter tiefen Baugrube war die Fundamentsohle noch nicht erreicht worden. Was deutlich machte, wie tief und solide unsere Vorfahren vor über 700 Jahren das Bauwerk gründeten. An dieser Stelle stand ein schlichter, viereckiger Mauerturm, der in der Renaissance-Zeit durch einen Giebelaufbau verziert wurde, der ein Glockentürmchen trug.

Henry Dohle kennt sich in dieser Gegend ebenfalls gut aus, weil er hier groß wurde und heute noch wohnt. „In der Schulzenstraße war Barbys einzige Tankstelle. Dort bin ich erst mit dem SR 2E, dann mit der BK und später mit dem Trabbi hingefahren.“ (Die beiden Ersteren waren ein Moped und ein schweres Zweizylinder-Motorrad.) Die „Jottsackerbrücke“, wie Henry Dohle im besten Barbynesisch zur Gottesackerbrücke sagt, war ein beliebtes Spielrefugium.

Im Winter wurde Schlittschuh gelaufen, im Sommer schaukelten sich die Kinder an der alten Trauerweide. Der 71-Jährige kennt auch die wechselnden Namen des Straßenabschnitts zwischen Caféecke und Calbenser Chaussee: Schulzenstraße, Horst-Wessel-Straße, Straße der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft und seit 1990 wieder Schulzenstraße. Rätsel-Gewinnerin ist Brigitte Börner, die sich in der Redaktion Wilhelm-Hellge-Straße 71 einen kleinen Preis abholen kann.