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Sammelei Mokka-Löffel als Souvenirs

Heinz Warnecke aus Pömmelte bei Schönebeck erbte vor Jahrzehnten die Mokkalöffel-Sammlung seines Schwagers Karl Volkenant.

Von Thomas Linßner 11.01.2017, 17:45

Pömmelte l Wer auf Reisen geht, kann erstens was erzählen und bringt zweitens Erinnerungsstücke mit. Danach muss Karl Volkenant ziemlich oft mit Gattin Käthe (geb. Warnecke) auf Tour gewesen sein. Sie war eine emanzipierte Frau, die nach dem Krieg im „Weltrad Schönebeck“ tätig war und dank ihrer couragierten Art verhinderte, dass sämtliche Maschinen als Reparationsleistungen Richtung Sowjetunion verschwanden. Später vertrat sie den Nachfolge-Betrieb VEB Traktorenwerk auf der Leipziger Messe.

Zu dieser taffen Frau passen die biederen Andenken-Löffelchen überhaupt nicht. Auch ihr Mann, der in der Reichswehr und später in der Wehrmacht als Berufssoldat diente, ist auf den ersten Blick eigentlich nicht der klassische Sammel-Typ.

Dennoch trug Karl Volkenant dutzende Mokka-Löffel zusammen. Die Farben von Helgoland, die Wappen von Stettin, Gent, Norderney oder Genf erzählen von deren Herkunft. Zumeist stammen sie aus den 30er bis 50er Jahren und sind für Touristen gemacht. Nutzungsspuren sucht man vergeblich.

Oft war in den Löffel-Innenflächen der Ortsname eingraviert. Mondäne Kurorte, wie zum Beispiel Bad Schwalbach im Taunus, leisteten sich sogar eine gegossene Abbildung des Kurhauses. (In diesem Fall wird deutlich, wann der Löffel gewalzt wurde: Langenschwalbach wurde 1927 zu Bad Schwalbach.)

Die Liebe zum Andenken, das zumeist nur mehr oder weniger Nippes ist, kam in Deutschland erst mit Beginn der „Sommerfrische“ Ende des 19. Jahrhunderts richtig in Schwung. Man wollte sich von dort ein „hübsches Andenken“ mitbringen.

„Seit Menschen auf Reisen gehen, haben sie das Bedürfnis, Dinge mitzunehmen, die Erinnerung lebendig zu halten und den Daheimgebliebenen einen handfesten Beweis zu liefern“, meint der 95-jährige Heinz Warnecke, der die Löffelsammlung zu Weihnachten seinen Kindern vermacht hat. Das konnten das Kyffhäuserdenkmal als Schlüsselanhänger, der röhrende Hirsch aus Frauenwald (Thür.) auf dem Teller oder das Berliner Schloss auf dem Bierkrug sein.

So ist es bis heute geblieben. Für wie „sehenswürdig“ ein Ort gehalten wird, lässt sich scheinbar an der Andenkenbuden-Dichte messen. Sogar im Elbe-Saale-Winkel, der es früher über Ansichtskarten nicht hinaus brachte, kann man heute Teller, Tassen oder Uhren mit heimatlichen Motiven als Souvenirs kaufen.

Der Begriff leitet sich übrigens vom französischen „se souvenir“ (sich erinnern) ab. Im 19. Jahrhundert bürgerte sich das Wort dann als Synonym für Reiseandenken ein.

Heute ist der Sammlerwert von „antiken Souvenirs“ nicht allzu hoch. Der Gegenwert eines Volkenant-Löffels kommt in der Regel über ein warmes Mittagessen an der Gulaschkanone nicht hinaus. Anders wäre es beispielsweise, wenn er aus Silber wäre. So findet man im Internet beispielsweise einen „eleganten Mokkalöffel im Rokoko-Stil aus 800er Silber (1890)“, den das Auktionshaus ebay für 47 Euro anbietet.

Doch woher kommt das Verlangen nach den geliebten Mitbringseln überhaupt? Die Übergänge zwischen religiösen Erinnerungsstücken und Souvenirs waren schon im Altertum fließend.

Mit den ersten Pilgern der christlichen Antike etablierte sich eine Art des Reisens, die den Handel mit Andenken zu einer bis heute anhaltenden Blüte trieb. Die Anziehungskraft von heiligen Orten begründete eine ernstzunehmende Branche und ernährte Generationen von Handwerkern.

Die Antikbegeisterung trieb immer dann fragwürdige Blüten, wenn es den originalen Überbleibseln an die Substanz ging. Mancher vornehme Tourist trachtete nach „authentischen“ Souvenirs und sicherte sich Teile von historischen Bauten.

So ist es bis heute geblieben. 2003 endete ein Urlaubsausflug an die türkische Südküste für eine deutsche Familie mit einer bösen Überraschung: Weil Zollbeamte am Flughafen der Mittelmeermetropole im Gepäck des neunjährigen Sohnes einen Stein fanden, den sie für antik hielten, wurde der Vater kurzerhand festgenommen.

Das kann einem mit Heinz Warneckes Löffel nicht passieren.