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Sanatorium Es bleiben die Erinnerungen

1997 war das Aus für eine traditionsreiche Schönebecker Kureinrichtung besiegelt. Jetzt gab es ein Wiedersehen.

Von Klaus-Peter Voigt 18.11.2016, 23:00

Schönebeck l Geraume Zeit hatten Simone Niemann und Elke Bierwirth das Treffen vorbereitet. Beide stellten eine Namensliste auf, hofften, keine der einstigen Mitstreiter vergessen zu haben. Es wurde telefoniert, im Internet gesucht. Nach rund sechs Monaten war es soweit, 53 Einladungen für einen Begegnungsabend der Ehemaligen gingen auf die Reise.

„Das Echo hat uns überwältigt, 36 Zusagen trafen ein“, berichtet Simone Niemann, die einst im Sanatorium als Kinderkrankenschwester arbeitete. Und man hoffte, die meisten Kollegen erreicht zu haben. „Wenn wirklich jemand vergessen wurde, meine Telefonnummer ist leicht zu finden. Ein Anruf bei mir genügt und beim nächsten Mal gibt es auch eine Einladung“, ergänzt Erzieherin Elke Bierwirth.

Für einen Plausch über die Vergangenheit und die vergangenen 20 Jahre blieb bei den gelegentlichen Begegnungen der Damen und Herren beim Einkauf, beim Spaziergang oder auf dem Bierer Berg kaum Gelegenheit. Nun wurde einen ganzen Abend lang in Erinnerungen gekramt, alte Fotos in Schwarzweiß machten die Runde, Familienfotos auf dem Handy gezeigt. Bis gegen Mitternacht dauerte die fröhliche Runde. Es sei deutlich geworden, dass man immer eine tolle Truppe war, kam es in den vielen Gesprächen zum Ausdruck. Und immer schwang ein wenig Wehmut über die Schließung des Hauses mit.

Atemwegs- und Hauterkrankungen hatte man dort behandelt. Das mächtige Gradierwerk und die unterirdischen Salzquellen beförderten die Gesundung in Salzelmen. Fast ohne Unterbrechung kamen Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 16 Jahren, um in mehrwöchigen Aufenthalten Linderung ihrer Leiden zu erreichen. In der DDR reisten sie aus allen Teilen des Landes an. „Ich glaube, fast alle fühlten sich bei uns wohl, auch wenn es bei den Mädchen und Jungen die kleinen und großen Sorgen gab, wir als Erzieherinnen immer wieder Tröster beim schnell einsetzenden Heimweh waren“, erzählt Elke Bierwirth. Sie schwärmt von den vielen Ausflügen, den Wanderungen bis zum Bierer Berg.

Die medizinische Betreuung erforderte vollen Einsatz, weiß Simone Niemann. Viele der Kinder litten zusätzlich unter einem instabilen Immunsystem. Es gab Inhalationen, die Haut musste regelmäßig eingecremt werden. Eine Besonderheit in Salzelmen sei die Hippotherapie als eine besondere Reha-Maßnahme gewesen. Für Mädchen und Jungen mit Problemen des Bewegungs- und Stützapparates sowie psychosomatische Störungen brachten die Stunden auf dem Rücken eines Pferdes eine Linderung ihrer Leiden.

Trotz guter Ausgangslage erwies es sich mit der Wende als schwierig, auf Erfolgen und Erfahrungen aufzubauen. Das zusätzliche Angebot von Mutter-Kind-Kuren änderte nichts. 1996 gab es Kurzarbeit für die Mitarbeiter des Kindersanatoriums, kurze Zeit später schloss die Einrichtung ihre Türen. 75 Plätze standen bereit, rund ein Drittel weniger als zu DDR-Zeiten, als es keine Belegungsprobleme gab, ganz im Gegenteil. Die Ursachen für die prekäre Situation waren vielschichtig. Zwar entschied sich die Kursamed Klinikbetreibergesellschaft 1993 für den Kauf des Sanatoriums, doch eine stabile Zukunft gab es nicht. Auf rund fünf Millionen Euro war der dringendste Sanierungs- und Modernisierungsbedarf geschätzt. Bundes- und Landesversicherungsanstalten (LVA) sowie Krankenkassen zeigten sich zurückhaltend. Selbst die sachsen-anhalter LVA hatte zuletzt nur einen Anteil von sieben Prozent an der Belegung des Kindersanatoriums. Dabei lag es vor der Haustür und ermöglicht bei der Anreise kostengünstigere und kürzere Wege als beispielsweise eine Rehaklinik an der Ostseeküste. Dagegen schickte Brandenburg im Jahresdurchschnitt fast ein Drittel aller kleinen Gäste.

Wehmut ist bei Simone Niemann und Elke Bierwirth zu spüren, wenn es um ihre einstige Arbeitsstelle in der Salzelmener Dr.-Tolberg-Straße geht. Bis heute verstehen sie und ihre Kollegen die Schließung eines funktionierenden Sanatoriums nicht. Es bleiben die Erinnerungen und vielleicht komme man künftig öfter zusammen, um darüber zu sprechen, hoffen beide.