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Ostern exklusiv Alle Jahre wieder eine Herausforderung

Osterhase mag ein Traumberuf sein, doch kann es nicht jeder werden. Die Volksstimme in Stendal traf ein altmärkisches Original.

Von Egmar Gebert 27.03.2016, 01:00

Stendal l Auf eine Tasse Kaffee zu Gast beim Osterhasen, so die Idee. Doch schon an dieser Stelle lauert die erste Falle.

„Kaffee? Nein danke, den vertrag ich nicht“, antwortet Herr Osterhase, der als nächstes darum bittet, doch mit seinem Namen angesprochen zu werden. Osterhase sei schließlich nur sein Beruf und das auch nur saisongebunden.

Also verabrede ich mich mit Herrn Leopold Lampe auf ein Glas frisch gepressten Möhrensaft in seiner Küche. „Da bin ich in diesen Tagen am meisten. Sie verstehen: Eier kochen, färben. Und das in Mengen, die sie sich kaum vorstellen können. Aber ich will nicht klagen. Es ist halt der Job. Und das Wissen um die vor Freude strahlenden Kinderaugen, wenn sie die Verstecke des Osterhasen entdecken, entschädigen für all die Mühen.“

Die, so verrät Lampe, beginnen schon Monate vor Ostern. Eierlieferanten müssen kontaktiert – am liebsten „Leghorn weiß“ –, die effektivsten Routen zusammengestellt werden. „Schließlich will man als Profi am Ostersonntag ja nicht unnütz durch die Gegend eiern,“ kalauert Meister Lampe, und nippt an seinem Möhrensaft. „So‘n Gläschen gönn ich mir schon mal. Sie verstehn: Was Süßes für ßwischendurch“, lispelt Lampe – wegen der etwas lang geratenen Schneidezähne. Die wüchsen nur kurz vor Ostern so extrem und nur die oberen. Das hätte was mit Vererbung zu tun, erklärt Lampe. Ja, Osterhase könne nur werden, wer den typischen Schneidezahn-Überbiss habe.

In grauer Vorzeit sei der durch Mutation in Lampes Familie entstanden. Ebenso die besonders langen Ohren, das dem Kindchen-Schema entsprechende, runde Gesicht mit Knopfaugen und Pausbacken. „Feldhasen und Wildkaninchen lachen zwar immer, wenn sie mich ohrenschlackernd etwas ungeschickt durch die Gegend hoppeln sehn, aber die Menschen haben nun mal ihre speziellen Vorstellungen vom Osterhasen. Pech für die anderen Karnickel, dass Mutter Natur nur meine Familie derart ausgestattet hat. Mein Ur-Ur-Ur-Ur- und noch ‘n paar Urs vorm Opa schlug als erster auf diese Art aus derselben und gewann nur deshalb das Osterhasen-Casting. Aus heutiger Sicht eine glückliche Fügung. Ich trage das Osterhasen-Schicksal in x-ter Generation mit ebensolcher Würde weiter.“

Bei diesem Exkurs in die Osterhasen-Entstehungsgeschichte wirft sich Lampe, der den Rest des Jahres einem auch nicht üblen Job als Zuchtrammler nachgeht, in die stolz geschwellte Brust. Apropos Zucht: Die sei bitternötig, denn: „Oft vererben sich die Gene der Häsinnen, also der Hasendamen. Süßer Stummelschwanz zwar, aber viel zu kleine Füße und zu kurze Ohren, sie verstehn. Von den Zähnen ganz zu schweigen. Im Schnitt nur alle zehn Jahre setzen sich die männlichen Osterhasen-Gene durch und das dann auch nur bei einem Böckchen, also männlichen Hasenkind, wenn sie verstehn. Das macht Osterhasen zur seltenen und wertvollen Spezies, die von der Ver-frei-Sy-fig (Vereinigung freiberuflicher Symbolfiguren, d. Red.) unter Artenschutz gestellt wurde.“

Das finde er „auch gut so“, sagt Leo Lampe. Andererseits bleibe dadurch eine Menge Arbeit an jedem einzelnen Osterhasen hängen. „In der Altmark sind wir nur zu zweit. Ich hier im Osten und der Luitpold, der Lui also, in der Westaltmark, sagt Leo.

Der, also der Lui, sei ihm, also dem Leo, wie aus dem Gesicht geschnitten. „Die Leute denken immer, es gibt nur einen Osterhasen. Hi-hi-hi. Klarer Fall von verguckt. Ein paar mehr sind wir schon.“

So rund 2000 Quadrat- kilometer sei jedes Osterhasen-Revier groß, schätzt Leopold Lampe und drängt genau deshalb freundlich aber bestimmt auf ein Ende unserer kleinen Plauderei. „Ich muss dann mal, sie werden verstehen. Sonst wird es morgen eng. Und danke für die Flasche Osterwasser. Nur: Alkohol vertrag ich genauso wenig wie Kaffee. Egal, nehm ich die Pulle am Montag, um mir die qualmenden Füße zu kühlen, sie verstehn...“, sagt Osterhase Leo Lampe mit unübersehbarem Augenzwinkern und hoppelt fröhlich Haken schlagend aus der Küche.